Eine Grußbotschaft von Bundespräsident a.D. Walter Scheel
Geschätzte Freundinnen und Freunde!
Wenn Sie diese Zeilen lesen, bin ich leider tot. Umgebracht von meinem Staubsaugerroboter, der schon seit Wochen arglistig durch mein Altersdomizil scharwenzelt und mich zu stürzen sucht. Wie auch immer er "es" anstellen wird, er wird es zu vertuschen wissen. In der Wochenschau werden sie etwas von "Herzstillstand" oder "Morbus Scheel" erzählen, aber wir wissen alle, daß diese Teufelsmaschine dahinter steckt, deren Anschaffung ich von Anfang an kritisch gesehen habe! Neben der schlechten Nachricht meines vorzeitigen Abtritts gibt es noch eine andere schlechte Nachricht: Helmut Kohl lebt immer noch, so zumindest der Stand vom 24. August 2016. Dabei war es immer mein Traum, dereinst vor seinem Grab (mit den Ausmaßen des Grand Canyons) eine bewegende Abschiedsrede zu halten: "Für uns alle war er der Kanzler der Einheit. Und zwar der Einheit Megatonne." Solche formidablen Gags hätte ich vom Stapel gelassen. Ich wünsche mir, daß auch bei meiner Trauerfeier die eine oder andere Posse gerissen wird. Immerhin bin ich als lockerer Volkskaiser zum Anfassen und Mitschmunzeln in die Annalen eingegangen; meine musikalische Darbietung auf dem gelben Wagen war der Höhepunkt meiner Karriere und praktisch das einzige, was die nachgeborenen Schwachköpfe als herausstellungswürdig erachten werden. Bäh, ich sehe schon vor mir, wie in jedem einzelnen verfluchten TV-Nachruf dieser eine Auftritt gezeigt werden wird – zum Glück muß ich das nicht mehr miterleben!
Kommen wir nun zu den Formalitäten. In meinem Hobbykeller werden Sie 200 Stangen Mentholzigaretten finden. Die habe ich gehortet, weil ich zuletzt mit dem Gedanken gespielt habe, mit dem Rauchen anzufangen. Sie sollen auf meiner Beerdigung verteilt werden. Mein Vermögen geht zu 90% an meine ausgestopfte Braunbärendame, der Rest an die Stiftung Haus der Geschichte für einen rasch zu errichtenden Walter-Scheel-Flügel. Meine Kakteen sollen in der ZDF-Sendung "Volle Kanne" als Hintergrunddekoration dienen, meine Sammlung ausgeschnittener Bildwitze aus dem Magazin Zerstreuung und mehr vermache ich dem Literaturarchiv Marbach. Die Details meiner Aktivitäten während der "dunklen Zeit" mögen unter den Teppich im Gästezimmer gekehrt werden. Meine kleine Partei, die FDP, soll gegen ein Mindestgebot von zehn US-Dollar in Bolivien versteigert werden. So, und sonst? Im Kühlschrank steht noch eine angebrochene Flasche Curryketchup, bitte mal riechen, ob der noch gut ist.
Ich hoffe für Sie alle, daß der salbungsvoll salbadernde Präsidentenparodist Gauck sich mit Würdigungen meiner Person zurückhält und daß "Hoch auf dem gelben Wagen" nicht wieder in die Hitparade einsteigt. Im übrigen bin ich der Meinung, daß Staubsaugerroboter verboten gehören! Wir sehen uns auf der anderen Seite.
Herzlich, Ihr
Walter Scheel
◀ | Das neue Heft ist da! | Accaparramento | ▶ |
Newstickereintrag versenden…