TITANIC Gold-Artikel

Ein Mann. Ein Projekt.

Während alle hoffen, dass Merkel, Maas und Co. Schland wieder in ruhige Fahrwasser lenken, vergessen sie, dass es noch jemanden gibt, der dieses Land umkrempeln könnte wie sonst nur Robert Habeck seine Hemdsärmel: Johannes Kahrs.

Johannes Kahrs will die SPD, ja das Land, retten. Ernsthaft. Denn, Spaß beiseite: Irgend jemand muss es ja tun. Wenn die Knallchargen im Willy-Brandt-Haus so weitermachen, gibt es bald keine sozial-demokratische Partei mehr, der Vorstädter ihre Mitleidsstimme geben könnten. Aber wer soll das schaffen? Schmidt ist tot, Schröder in russischer Gefangenschaft und Andrea Nahles ist Andrea Nahles. Da bleibt nur ein Mann, der mindestens so große Pläne für seine Partei hat wie für sich selbst. Johannes "Nackenmuskel" Kahrs ist ein nordisches Knallbonbon aus politischer Kampfkraft und Internetikone: 
Er hat nicht nur verstanden, wie Bankpressing, Push-ups und Kardio/Cardio/Cardy-Oh (?) funktionieren, er analysiert auch mit scharfem Blick das politische Tagesgeschehen via Twitter: "gut das die spd das durchgesetzt hat! gut das die spd regiert." gut das johannes kahrs internet hat! Seit seinem Beitritt im April 2009 hat er fast 86 000 Tweets geschrieben. Zum Vergleich: Lindner 12 000, Maas 5000, Merkel 0. Der Bundestagsabgeordnete für Hamburg-Mitte protokolliert jeden seiner Schritte über Billstedter Sportanlagen, seinen Alltag im "reichstag" und den jährlichen Urlaub auf Wangerooge, wo er seine breite Brust, eingepackt in eines seiner -Abercrombie-T-Shirts, über den Nordseestrand schiebt. Traum-Body, Traum-Leben, "traumschön".

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Der Kraftklotz Kahrs ist unterwegs mit Wahlkampfhelfern, der Stadtreinigung, Besichtigungsgruppen im Bundestag. Und egal, wer: Es ist immer sein "dream team". So viele geile Menschen gibt es aber auch! Olaf Scholz? "bester mann." Ties Rabe? "bester mann." Peter Tschentscher? "bester mann." Lars Klingbeil? "bester mann." Frank-Walter Steinmeier? "bester mann." Sein Patenkind? "bester mann." Mannometer, diese Männer! Fast jeden Tag gibt es einen neuen Favoriten für seine treue Community aus Jusos, "Welt"-Journalisten und verirrten Sexbots. Klar, einmal im Monat ist auch eine "beste frau" dabei (Franziska Giffey, Katarina Barley, Franziska Giffey), aber wir wollen es auch nicht übertreiben. Kahrs fände wahrscheinlich auch Trump gut, wäre er nur in der SPD (oder sein Patenkind). Und falls dem Sprecher des Seeheimer Kreises doch mal jemand nicht zusagt, kein Problem für Klüngel-Kahrs. Da wird der ungewollte Kollege Niels Annen schwuppdiwupp seines Direktmandats entledigt und durch einen linientreuen Seeheim-Zausel ersetzt, woraufhin es "Flügelprügel für Johannes Kahrs" ("Stern") gibt, den Andrea Nahles als "Hauptverantwortlichen" sieht. Oder er schüchtert eine Juso-Funktionärin mit Drohanrufen ein, was mit Rücktrittsrufen beantwortet wird (auch "Stern"). Aber warum denn aufhören? Ist doch alles traumschön! Annen ist weg, der Laden unter Kontrolle und Callcenter-Kahrs hat weiter eine gute Zeit. Dream Team SPD.

Anders sieht es bei der Union aus, diesem Sauhaufen! Kahrs, der kastenförmige Tausendsassa aus Bremen, der über die Jahre hinweg Hamburger geworden ist – Selbstoptimierung –, hat für deren Konflikte nur Verachtung übrig. Wie er den Streit innerhalb der Union einordnet? Auf Twitter kommentiert er alles, was damit zusammenhängt, mit einem pointierten "tja". Und auch analog gibt er Antwort, im "Elbe-Wochenblatt". CDU und CSU seien aus Angst dabei, die AfD "rechts zu überholen". Als ob diese Beobachtung nicht schon simpel und zugleich genial genug wäre, denkt Verkehrsexperte Kahrs die Metapher noch weiter: "Rechts überholen ist laut Straßenverkehrsordnung nicht erlaubt." Stimmt – natürlich! Gesetze, Verordnungen, ein Jurist am Werke. Aber was hat das mit der Union zu tun? "Und in der Politik geht es schon mal gar nicht." Überholen in der Politik: Nein, das ist verboten. Fortschritt durch Stillstand. Parklücke gefunden und eingelocht. Würde man nur den Kahrs mal ranlassen. Der würde die Union wieder von der Motorhaube auf die Räder stellen. Ein politischer Geist, der beobachtet, analysiert, trifft. Ein Mann, alleine auf der sprachlichen Überholspur.

Johannes Kahrs ist in der SPD, aber sonst in allem perfekt. Recht und Ordnung sind für den ehemaligen Reserveoffiziersanwärter das Ying und Yang. Kontrolle kann der Kahrs: Als Mitglied der Guttempler (Sekte) trinkt der Chuck Norris des deutschen Internets keinen Alkohol, raucht nicht, rülpst nicht; er hat keinen Fernseher, keinen Führerschein. Nicht nur seine praktisch kurzgeschorenen Haare sind ihm aus der Zeit beim Bund geblieben: Er ist Präsidiumsmitglied des Förderkreises Deutsches Heer, ein Lobbyverband der Rüstungsindustrie. Interessenskonflikte mit seiner Tätigkeit als Mandatsträger sieht er aber nicht. Warum auch? Wahlkampfspenden aus der Rüstungsindustrie – Zufall. Dass er seine Mitgliedschaft jahrelang geheimgehalten hat – pille-palle. Unnötige Fragen vermeiden. Weitermachen. Ist doch alles top, der Weg nach oben ist eben steinig. Da muss vielleicht doch mal überholt werden – mit einem schönen Leopard II. 

Die SPD, ja das Land, könnte so viel mehr sein, wenn man nur alles so machen würde wie Johannes Kahrs: unnötige Debatten, Reflexion, Selbstzweifel mal beiseite lassen. Er zumindest tut sein Bestes, um den Luschenverein wieder auf gerade Linie zu bringen. Ist er nach Helmut Schmidt und Olaf Scholz der nächste große Staatsmann, den die Hamburger Sozialdemokraten hervorbringen? Auf jeden Fall, wenn es nach dem sozen-gewordenen Paramilitär geht. Ganz nach oben hat Johannes Kahrs es bisher aber noch nicht geschafft, obwohl er es seit 1998 mit allen Mitteln versucht. Und Niels Annen ist wieder im Bundestag zurück, inzwischen als Staatsminister im Außenministerium. Tja.

Antonia Stille, Screenshots: Twitteraccount @kahrs

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Wir wollten, »SZ«,

nur mal schnell Deine Frage »Gedenkbäume absägen. Hinweistafeln mit Hakenkreuzen beschmieren. Wer macht sowas?« beantworten: Nazis.

Für mehr investigative Recherchen wende Dich immer gerne an Titanic

 Helen Fares, c/o »SWR« (bitte nachsenden)!

Sie waren Moderatorin des Digital-Formats MixTalk und sind es nun nicht mehr, nachdem Sie ein launiges kleines Video veröffentlicht haben, in dem Sie zum Boykott israelischer Produkte aufriefen, mit Hilfe einer eigens dafür programmierten App, die zielsicher anzeigt, wo es in deutschen Supermärkten noch immer verjudet zugeht (Eigenwerbung: »Hier kannst Du sehen, ob das Produkt in Deiner Hand das Töten von Kindern in Palästina unterstützt oder nicht«).

Nach Ihrem Rauswurf verteidigten Sie sich in einem weiteren Video auf Instagram: »Wir sind nicht antisemitisch, weil wir es boykottieren, Produkte von Unternehmen zu kaufen, die Israel unterstützen. Ein Land, das sich vor dem Internationalen Gerichtshof wegen Genozid verantworten muss, weil es Zehntausende von Menschen abgeschlachtet hat.« Da sich aber auch Deutschland vor dem Internationalen Gerichtshof wegen Beihilfe zum Genozid verantworten muss, war Ihre Kündigung beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk ja ohnehin einvernehmlich, oder?

Kann es sich nicht anders vorstellen: Titanic

 Grüß Gott, Businesspäpstin Diana zur Löwen!

Du verkaufst seit Neuestem einen »Anxiety Ring«, dessen »bewegliche Perlen« beim Stressabbau helfen sollen. Mal abgesehen davon, dass das einfach nur das hundertste Fummelspielzeug ist, kommen uns von ihren Nutzer/innen glorifizierte und zur Seelenerleichterung eingesetzte bewegliche Perlen an einer Kette verdächtig bekannt vor.

Ist für Dich natürlich super, denn auch wenn Du Deinen treuen Fans skrupellos das Geld aus der Tasche ziehst, in die Hölle kommst Du zumindest für diese Aktion sicher nicht.

Auch wenn dafür betet:

Deine Titanic

 Verehrte Joyce Carol Oates,

da Sie seit den Sechzigern beinah im Jahrestakt neue Bücher veröffentlichen, die auch noch in zahlreiche Sprachen übersetzt werden, kommen Sie vermutlich nicht dazu, jeden Verlagstext persönlich abzusegnen. Vielleicht können Sie uns dennoch mit ein paar Deutungsangeboten aushelfen, denn uns will ums Verrecken nicht einfallen, was der deutsche Ecco-Verlag im Sinn hatte, als er Ihren neuen Roman wie folgt bewarb: »›Babysitter‹ ist ein niederschmetternd beeindruckendes Buch, ein schonungsloses Porträt des Amerikas der oberen Mittelschicht sowie ein entlarvender Blick auf die etablierten Rollen der Frau. Oates gelingt es, all dies zu einem unglaublichen Pageturner zu formen. In den späten 1970ern treffen in Detroit und seinen Vorstädten verschiedene Leben aufeinander«, darunter »eine rätselhafte Figur an der Peripherie der Elite Detroits, der bisher jeglicher Vergeltung entkam«.

Bitte helfen Sie uns, Joyce Carol Oates – wer genau ist ›der Figur‹, dem es die elitären Peripherien angetan haben? Tragen die Leben beim Aufeinandertreffen Helme? Wie müssen wir uns ein Porträt vorstellen, das zugleich ein Blick ist? Wird das wehtun, wenn uns Ihr Buch erst niederschmettert, um dann noch Eindrücke auf uns zu hinterlassen? Und wie ist es Ihnen gelungen, aus dem unappetitlich plattgedrückten Matsch zu guter Letzt noch einen »Pageturner« zu formen?

Wartet lieber aufs nächste Buch: Titanic

 Chillax, Friedrich Merz!

Sie sind Gegner der Cannabislegalisierung, insbesondere sorgen Sie sich um den Kinder- und Jugendschutz. Dennoch gaben Sie zu Protokoll, Sie hätten »einmal während der Schulzeit mal einen Zug dran getan«.

Das sollte Ihnen zu denken geben. Nicht wegen etwaiger Spätfolgen, sondern: Wenn ein Erzkonservativer aus dem Sauerland, der fürs Kiffen die Formulierung »einen Zug dran tun« wählt, schon in der Schulzeit – und trotz sehr wahrscheinlichem Mangel an coolen Freund/innen – an Gras kam, muss dann nicht so ziemlich jedes andere System besseren Jugendschutz garantieren?

Sinniert

Ihre Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Altersspezifisch

Ich gehöre noch zu einer Generation, deren Sätze zu häufig mit »Ich gehöre noch zu einer Generation« anfangen.

Andreas Maier

 Dual Use

Seit ich meine In-Ear-Kopfhörer zugleich zum Musikhören und als Wattestäbchen verwende, stört es mich gar nicht mehr, wenn beim Herausnehmen der Ohrstöpsel in der Bahn getrocknete Schmalzbröckelchen rauspurzeln.

Ingo Krämer

 Citation needed

Neulich musste ich im Traum etwas bei Wikipedia nachschlagen. So ähnlich, wie unter »Trivia« oft Pub-Quiz-Wissen gesammelt wird, gab es da auf jeder Seite einen Abschnitt namens »Calia«, voll mit albernen und offensichtlich ausgedachten Zusatzinformationen. Dank Traum-Latinum wusste ich sofort: Na klar, »Calia« kommt von »Kohl«, das sind alles Verkohl-Facts! Ich wunderte mich noch, wo so ein Quatsch nun wieder herkommt, wusste beim Aufwachen aber gleich, unter welcher Kategorie ich das alles ins Traumtagebuch schreiben konnte.

Alexander Grupe

 In Würde altern

Früher hätte mich der riesige Pickel mitten auf meinem Hals stark gestört. Heute trage ich den wohl niedlichsten ausgeprägten Adamsapfel, den die Welt je gesehen hat, mit großem Stolz ein paar Tage vor mir her.

Ronnie Zumbühl

 Nicht lustig, bloß komisch

Während ich früher schon ein kleines bisschen stolz darauf war, aus einer Nation zu stammen, die mit Loriot und Heinz Erhardt wahre Zen-Meister der Selbstironie hervorgebracht hat, hinterfrage ich meine humoristische Herkunft aufgrund diverser Alltagserfahrungen jetzt immer öfter mit Gedanken wie diesem: Möchte ich den Rest meines Lebens wirklich in einem Land verbringen, in dem man während seiner Mittagspause in ein Café geht, das vor der Tür vollmundig mit »leckerem Hunde-Eis« wirbt, und auf seine Bestellung »Zwei Kugeln Labrador und eine Kugel Schnauzer« statt des fest eingeplanten Lachers ein »RAUS HIER!« entgegengebrüllt bekommt?

Patric Hemgesberg

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
27.04.2024 Schwerin, Zenit Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
28.04.2024 Lübeck, Kolosseum Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
29.04.2024 Berlin, Berliner Ensemble Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
30.04.2024 Hamburg, Kampnagel Martin Sonneborn mit Sibylle Berg