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Bono, go home!

In seinem kürzlich veröffentlichten Buch "Surrender" kann der U2-Frontmann auf eine bewegte Musiker-Karriere zurückblicken. Der festen Überzeugung, dass es irgendwann auch mal gut sein muss, hat unser Autor den Iren in einem offenen Brief aufgefordert, Schluss zu machen und endlich in die verdiente Rock-Rente zu gehen.  

Lieber Bono,  

bezüglich Deiner wuchtigen und völlig überteuerten Autobiographie (32€) will ich mich heute nicht in die Schar der Gratulanten, verzückten Kritiker oder geschmacksverirrten Fans einreihen und in endlosen Lobhudeleien ergehen. Ich möchte Deine monumentale Rückschau viel lieber zum Anlass nehmen, um Dir in der Stunde des Triumphes mal ordentlich ans Bein zu pinkeln.  
Sorry, aber ich brauche das. Als Musikfan, der als Jugendlicher eher "Psycho Killer" von den Talking Heads gehört hat (und auch so aussah) und nun mit einer Frau verheiratet ist, die U2 vergöttert, ist es mir ein tiefes Bedürfnis, mit Dir abzurechnen.  
Eigentlich könnte man es beim Titel Deines Wälzers "Surrender – 40 songs, one story" belassen. That´s pretty much it, isn´t it? Weil sich auf 667 Seiten in verschiedenen Facetten und wechselnden Gewändern im Grunde nämlich alles um ein und dasselbe dreht. Dich.  
But let´s not get ahead of ourselves. Fangen wir von vorne an.

Wohl aufgrund des hartnäckigen Gerüchts, aus Irland sei noch nie eine Viertelnote schlechter Mucke gekommen, hast Du Dir für Deine Inkarnation als Paul David Hewson das ehrwürdige Dublin ausgesucht und damit den jahrtausendealten Bardenzauber leider für immer in die Tonne getreten.  Aus Deiner Kindheit ist, davon abgesehen, dass im Rahmen Deiner musikalischen Früherziehung zu irgendeinem Zeitpunkt etwas furchtbar schief gelaufen sein muss, nicht viel bekannt. Deswegen komme ich sofort zu jenem verhängnisvollen Tag im Jahr 1976, an dem sich vier Jungs im Alter von 15 und 16 Jahren in der Küche von Larry Mullen trafen, um sich nach dessen Aushang "Drummer sucht Musiker für Band" zur Planung und Durchführung einer schweren, staatsgefährdenden Straftat zu verabreden, die zum Tiefpunkt im Leben unzähliger Vinylfreunde werden sollte: Die Gruppe "Feedback" wurde gegründet, aus der schon wenig später U2 hervorging. Wie es zu dem völlig beknackten 2-Buchstaben-Bandnamen kam, liegt im Dunkel der Geschichte. In einem Interview sagtest Du jedoch einmal, das dämliche Kürzel sei der Vorschlag gewesen, den "alle am wenigsten verabscheut hätten". (Nachvollziehen kann ich das insbesondere deswegen nicht, weil es mir, seitdem ich Deine erste Oktave gehört habe, genau andersherum geht). "U2" habe zudem den Vorteil gehabt, dass sich darunter anfänglich niemand irgendeinen konkreten Musikstil habe vorstellen können. Ein Umstand der sich bis in die Gegenwart hinein hartnäckig gehalten hat.  

Zu der Geschichte, wie aus Paul David Hewson "Bono" wurde, gibt es hingegen gleich mehrere Theorien, bei der ich mir natürlich die ausgesucht habe, bei der Du am schlechtesten wegkommst (haa-haa). "Bona Vox", also "Schöne Stimme", prangte auf dem Schild eines Hörgeräteladens in Deinem Nord-Dubliner Heimatviertel. Mysteriöserweise verdreifachten sich die Umsätze des bis dato kaum besuchten Gruselschuppens in der Earl Street infolge von Hörschäden nach der ersten Single-Auskopplung aus Eurem U2-Debütalbum "Boy". Du hattest plötzlich nicht nur den passenden Sponsor gefunden, sondern auch gleich einen Spitznamen, der dir als wandelndes Overstatement überall dort in der Musikbranche Türen öffnete, wo man nicht wusste, dass man "Bono" als sarkastisches Idiom stets in Anführungszeichen setzen muss.

Von da an überschlugen sich die Ereignisse und das schier Unvorstellbare geschah: Mit eingängigen, vereinzelt nahezu hörbaren Songs, schafftet Ihr es tatsächlich in die internationalen Charts und durftet erste Erfolge feiern. Ich muss zugeben, dass Du Dich mit dem Refrain meines Lieblings-Nichtlieblings-U2-Stücks "Bad" (nomen est omen!) vom Album "The Unforgettable Fire" tatsächlich für einen kurzen Augenblick auch in meinen Fokus gejault hast. Auf das Eintreffen der vermeintlich selbsterfüllenden Prophezeiung "Let it go and so to fade away", die ich als Hinweis auf eine baldige Bandauflösung gedeutet hatte, warte ich aber seit über 30 Jahren vergeblich. Was für eine Enttäuschung!
Weil Euch in der Zwischenzeit niemand gestoppt hat, habt Ihr als U2 unfassbare 170 Millionen Tonträger verkauft, 22 Grammys geraubt und rangiert in der "Rock and Roll Hall of Fame" unter den 100 größten Musikern aller Zeiten. Ein Faktum, über das mich noch nicht mal die Nominierung für die Goldene Himbeere in der Kategorie "Schlechtester Song" für "Hold Me, Thrill Me, Kiss Me, Kill Me" (1996) hinwegtrösten kann.

Neben Deiner Vollzeit-Tätigkeit ("Amateur-Rampensau") dürftest Du als Autor zudem auch noch die Lebenswerke wirklich großer Künstler verhunzen, indem Du Stücke für Frank Sinatra, Johnny Cash, Luciano Pavarotti und Sinéad O´Connor geschrieben hast, die hernach allesamt aus Scham verstorben sind. Dass ausgerechnet ein an beiden Enden brennend auf der Rasierklinge tanzender Keith Richards Dein Songwriting überlebt hat, grenzt an ein Wunder. By the way: Was ist aus dem jugendlichen Paul David Hewson geworden, der sich selbst, ich zitiere, "zeit seines Lebens sterbenslangweilig und durchschnittlich fand"? Tief drin gibt es ihn noch. Hol ihn zurück, es ist noch nicht zu spät! Nicht auszudenken, was alles passieren könnte, wenn Du und Deine Combo wie die Rolling Stones bis in die späten Siebziger aktiv seid und jedes Jahr sturköpfig ein neues Studioalbum herausbringt, um damit auf die x-te von VW gesponserte Abschiedstournee zu gehen! Falls Du die Dir verbleibende Lebenszeit lieber dazu nutzen willst, Dein (ausnahmsweise zurecht gelobtes) soziales Engagement für diverse Hilfsorganisationen zu intensivieren, kann ich Dir meine erst kürzlich gegründete "International Society for Bonos immediate musical Retreat" nur wärmstens ans Herz legen. Überweisungsformular liegt bei.

Was Deine Angewohnheit betrifft, Dich als "Maskottchen der Mächtigen" mit namhafter Politprominenz ablichten zu lassen, möchte ich Dich während Deines nächsten Deutschlandbesuches übrigens gerne mit einem gewissen Friedrich Merz (good christian/ incredibly generous!) bekanntmachen. Ich habe nämlich die berechtigte Hoffnung, dass ein Foto mit dem Schlacks in Anbetracht der von ihm zu erwartenden "Leistungen" spätestens in fünf Jahren zum Sargnagel für Deine Karriere werden wird.

Aber so weit muss es gar nicht erst kommen. Zeig, dass Du ein würdiger Preisträger des "Amnesty International´s Ambassadors of Conscience Awards" bist. Wenn Du wirklich ein Gewissen hast, lass es doch einfach schon ein bisschen früher gut sein. Wie wäre es mit heute?  

Let go and fade away.    

Dein

Patric Hemgesberg         

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Prophetisch, »Antenne Thüringen«?

Oder wie sollen wir den Song verstehen, den Du direkt nach der von Dir live übertragenen Diskussion zwischen Mario Voigt und Björn Höcke eingespielt hast? Zwar hat der Thüringer CDU-Fraktionschef Höckes Angebot einer Zusammenarbeit nach der Wahl ausgeschlagen. Aber es wettet ja so manche/r darauf, dass die Union je nach Wahlergebnis doch noch machthungrig einknickt. Du jedenfalls lässt im Anschluss den Musiker Cyril mit seinem Remake des Siebziger-Lieds »Stumblin’ in« zu Wort kommen: »Our love is alive / I’ve fallen for you / Whatever you do / Cause, baby, you’ve shown me so many things that I never knew / Whatever it takes / Baby, I’ll do it for you / Whatever you need / Baby, you got it from me.« Wenn das nicht mal eine Hymne auf eine blau-schwarze Koalition ist!

Hätte sich dann doch eher »Highway to Hell« gewünscht: Titanic

 Gute Frage, liebe »Süddeutsche«!

»Warum haben wir so viele Dinge und horten ständig weiter? Und wie wird man diese Gier wieder los?« teast Du Dein Magazin an, dasselbe, das einzig und allein als werbefreundliches Vierfarb-Umfeld für teuren Schnickschnack da ist.

Aber löblich, dass Du dieses für Dich ja heißeste aller Eisen anpackst und im Heft empfiehlst: »Man kann dem Kaufimpuls besser widerstehen, wenn man einen Schritt zurücktritt und sich fragt: Wer will, dass ich das haben will?«

Und das weiß niemand besser als Du und die Impulskundschaft von Titanic

 Weiter so, uruguayischer Künstler Pablo Atchugarry!

Eine angeblich von Ihnen geschaffene Bronzeskulptur im englischen Cambridge soll an Prinz Philip erinnern, der dort von 1977 bis 2011 Kanzler der Universität war. Allerdings wird das Kunstwerk, das im Auftrag eines reichen Bauträgers angefertigt wurde, von vielen als verunglückt empfunden und zieht seit nunmehr zehn Jahren Spott auf sich.

Dass Sie mittlerweile die Urheberschaft leugnen, um Ihr Renommee als Künstler zu schützen, ist zwar verständlich, aber aus unserer Sicht völlig unnötig. Wenn sich das Konzept durchsetzt, lästige Promis, die uns über Jahrzehnte viel Zeit, Geld und Nerven gekostet haben, mit langlebigen Schrott-Monumenten zu schmähen, werden Sie sich vor Aufträgen bald kaum noch retten können. Und das Beste: Weil andere Großkopferte sich mit ihren Eskapaden zurückhalten würden, um nicht von Ihnen verewigt zu werden, sorgten Sie auch noch für Ruhe und gesellschaftlichen Frieden.

Hofft, dass dieser Vorschlag einen Stein ins Rollen bringt: Titanic

 Ah, »Galileo«!

Über die Arbeit von Türsteher/innen berichtest Du: »Viele Frauen arbeiten sogar als Türsteherinnen«. Wir setzen noch einen drauf und behaupten: In dieser Branche sogar alle!

Schmeißen diese Erkenntnis einfach mal raus:

Deine Pointen-Bouncer von Titanic

 Hä, »Spiegel«?

»Aber gesund machen wird diese Legalisierung niemanden!« schreibst Du in einem Kommentar zum neuen Cannabisgesetz. »Ach, echt nicht?« fragen wir uns da verblüfft. Wir waren bisher fest vom Gegenteil überzeugt. Immerhin haben Kiffer/innen oft sehr gute feinmotorische Fähigkeiten, einen gesunden Appetit und ärgern sich selten. Hinzu kommen die unzähligen Reggaesongs, in denen das Kiffgras als »Healing of the Nation« bezeichnet wird. All dies willst Du nun tatsächlich infrage stellen? Da lieber noch mal ganz in Ruhe drüber nachdenken!

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Theobald Fuchs

 Mitgehört im Zug

»Prostitution ist das älteste Gewerbe der Welt!« – »Ja, aber das muss es ja nicht bleiben.«

Karl Franz

 Tödliche Pilzgerichte (1/1)

Gefühlte Champignons.

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 Immerhin

Für mich das einzig Tröstliche an komplexen und schwer zugänglichen Themen wie etwa Quantenmechanik, Theodizee oder den Hilbertschen Problemen: Letztlich ist das alles keine Raketenwissenschaft.

Michael Ziegelwagner

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27.04.2024 Schwerin, Zenit Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
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