Aus Eugen Egners Püppchenstudio
Wuppertaler Irritationen
Damals ist jeder nach Wuppertal gezogen, weil dort das globale Zentrum des Free Jazz war. In dieser Stadt hat der Free Jazz viele bis zum heutigen Tage bestehende Arbeitsplätze geschaffen, und einen davon bekam ich.
„Wo Free Jazz ist, da ist auch massenhaft Geld“, hieß es immer, was, wovon ich mich überzeugte, zweifellos den Tatsachen entsprach. Man verdiente ausgesprochen gut in diesem Bereich.
Eines frühen Morgens wollte ich vor dem Verlassen des Hauses noch schnell etwas in den Keller bringen. Wie staunte ich, als ich dort auf zwei Schlafsäcke stieß, in denen ebenso viele Personen steckten, eine davon der Mensch aus meiner Wohnung. Die beiden schliefen fest, und ich gab mir Mühe, sie nicht zu wecken. Später sah ich den zweiten Schläfer wieder, er begegnete einem hin und wieder im Stadtbild, unverwechselbar wegen seines umgeschnallten Patronengürtels, an dem ein Pistolenhalfter mit Spielzeugcolt hing. Jedenfalls nahm ich eine Zeitlang an, es handle sich um eine Spielzeugwaffe.
Eines Besseren belehrt wurde ich dann im örtlichen Jazzclub, wo ich oft in Gesellschaft einiger Arbeitskollegen die seinerzeit ganz neue Extremhüftemusik hörte. An einem dieser Abende tauchte der Revolverheld an der Bar auf, zog seine Waffe und begann ohne Warnung, wie verrückt auf die Toilettentür zu schießen, bis dieselbe völlig durchlöchert und zerfasert war. Zum Glück hatte sich drinnen niemand aufgehalten. Der Schütze wurde anschließend vom Wirt hinausgetragen. So war das damals in Wuppertal, der Welthauptstadt des Free Jazz.
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