Aus Eugen Egners Püppchenstudio
Vielleicht leben deine Eltern in einem anderen Stadtteil weiter (VIII)
Albert tappte, was seine Heimeinweisung betraf, völlig im dunkeln. Wenn er es recht bedachte, war ihm manches an seinen Eltern immer ein Rätsel gewesen. Obwohl er sich sehr wünschte, sie zu finden, fragte er sich doch, wie sie auf ihn reagieren würden, wenn er sie fände. Der Versuch, sich die Wiedersehensszene vorzustellen, litt unter Alberts Unklarheit darüber, welches Bild er von seinen Eltern hatte. Wie sahen Eltern aus? Wie sahen Menschen im allgemeinen aus? Er hatte schon so viele gesehen, aber jetzt fielen ihm keine passenden ein. Es mußte doch möglich sein, sich an die eigenen Eltern zu erinnern! In dem Heim war offenbar sein Gedächtnis manipuliert worden, dort gab es bekanntlich Mittel und Wege. Ärztliche Behandlungszimmer und große, geflieste Kellerräume, in denen Wannen und furchteinflößende Apparaturen standen, tauchten wie Erinnerungen in Alberts Bewußtsein auf. Um nicht in das Heim zurückkehren zu müssen, war er notfalls bereit zu sterben. Er mußte vorsichtig sein. Wenn jemand Verdacht schöpfte und das Jugendamt informierte, riskierte er, von der Polizei aufgegriffen und wieder inhaftiert zu werden. Da war es schon gut, über diese Tarnung zu verfügen. Im Moment konnte er sich nicht entsinnen, woher er sie hatte, sein Gedächtnis ließ infolge der Aufregung etwas zu wünschen übrig.
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