Humorkritik | Juni 2021
Juni 2021
»Die Ressource Humor liegt in vielen Institutionen und Unternehmen
erfolgreich brach oder bleibt unerlaubt. Das wollen wir ändern!«
Deutsches Institut für Humor
Das ist der Berliner Witz, Witz, Witz
Der »Berliner Witz« wird oft mit der »Berliner Schnauze« gleichgesetzt – das Anraunzen von Mitmenschen also (Stichwort »Taxifahrer«) und das ebenso notorische Umbenennen aller möglichen Alltagsphänomene unter rücksichtsloser Anwendung des Metaphorischen (Stichwort »Schwangere Auster«). All dies als Emanation von Humor oder eben »Witz« durchgehen zu lassen fällt mir schwer. Aber vielleicht weiß Roswitha Schieb besser Bescheid (»Der Berliner Witz. Eine Kulturgeschichte«, Elsengold Verlag).
Interessiert lese ich hier u.a., »dass die offensive, aggressive und oft besserwisserische Haltung eine Dauereinstellung des Berliners« sei, zurückzuführen auf den »seit vielen Hunderten von Jahren andauernden Existenzkampf der Berliner Bevölkerung aufgrund des kargen Bodens der Mark Brandenburg und Berlins«. Ähnlich bodenständig Schiebs These, dass »der jüdische Witz in seiner intelligenten, scharfen, antithetischen Ausprägung stark auf den Berliner Witz einwirkt«, »aus Schlesien überlieferte Witze« hingegen auf die »große Lust an Sprachspielerei«, vulgo das Kalauern. Auf ihrer »Reise durch 150 Jahre Berliner Witzgeschichte«, vom bekannten Satiriker Adolf Glaßbrenner bis zum leider noch bekannteren M. Barth macht Schieb aber allzu oft Station bei Kabarett, Chanson, Film, Fernsehen und anderem allenfalls im weitesten Sinne Witzverwandten, wobei manches weder berlintypisch noch überhaupt komisch ist, etwa Friseurgeschäftsnamen. Die dennoch vielen verbleibenden klassischen Witze zeigen, wenn überhaupt irgendetwas, den erwartbaren Triumph der (fürs Flache verantwortlichen) schlesischen Einflüsse über die (fürs Gelungene zuständigen) jüdischen.
Meinen Lieblingswitz hat Schieb unlängst schon mal in der Taz erzählt, im Buch erscheint er en passant als »der kurze Dialog, in dem die Geliebte bittet: ›Küss mir, Kasimir.‹ Er verbessert: ›Mich, Liebling, mich.‹ Sie, resistent und dahinschmelzend: ›Küss mir, Kasimich.‹« Jut.