Humorkritik | Juli 2020

Juli 2020

Humor ist Erkenntnis der Anomalien.
Friedrich Hebbel

Hunt, miserabel

»The Hunt«, ausweislich der Werbekampagne »der meistdiskutierte Film des Jahres, den niemand gesehen hat«, ist jetzt, nachdem sein Starttermin wegen zweier Amokläufe verschoben worden war, zum stolzen Preis von 15 Euro als Stream auf verschiedenen Plattformen angelaufen, und weil er verschiedentlich als satirischer Horrorfilm, Thriller-Satire oder gar »blutige Menschenjagd-Satire« (cineman.ch) bezeichnet wurde, sah ich ihn mir an.

Gezeigt wurde mir eine neureiche Elite, die im Internet nach rechten Verschwörungstheoretikern sucht, sie einfangen lässt, nach Kroatien bringt und ihnen Waffen schenkt, um sie dann zu jagen. Dabei platzen reihenweise Köpfe, und allerlei Körperteile fliegen durch die Luft. Eine der Gejagten jedoch stellt sich als Soldatin heraus, knallt alle bösen Jäger ab und kämpft schließlich gegen die Oberschurkin, die sich das Ganze ausgedacht hat, um sich an Verschwörungstheoretikern zu rächen, aufgrund deren Umtrieben sie vorher einen gut bezahlten Posten verlor. So krude das klingt, so missraten ist auch der Film. Weitgehend, jedenfalls; denn in den ersten dreißig Minuten hat er immerhin noch komische Momente. Besonders gefallen hat mir hier eine junge Frau, die kurz hintereinander zweimal in eine Grube fällt, von Riesenstacheln durchbohrt wird und bei einem Minentritt auch noch ihren Unterleib verliert, in diesem Zustand aber noch einen Mann »verfluchter Schlappschwanz« schimpft und ihm munter die Knarre entreißt, um sich selbst zu erschießen. Menschen, die sich beim Ermordet- bzw. Gejagtwerden wie Comicfiguren benehmen: davon hätte ich gern mehr gesehen.

Leider interessiert sich der Film vor allem für die Spaltung der Gesellschaft – in eine akademisch-vernünftige, klimabewegte und gesundheitsbewusste Kaste von reichen Emporkömmlingen einerseits und arme, rechte Verschwörungsschrate andererseits. Abgesehen davon, dass dabei Diskurse über Diskriminierung und Ökologie auf eine Stufe mit wahnhaftem Quark gestellt werden, scheitert der Film vor allem daran, dass Kritik nicht treffen kann, wo ihr eine falsche Analyse zugrunde liegt: Gesellschaftliche Konflikte einfach als Auswuchs unterschiedlicher individueller Lebenskonzepte oder sprachlicher Spitzfindigkeiten zu sehen und nicht als Folge des berühmten, von Friedrich Engels eingeführten Grundwiderspruchs von Produktionsmittelbesitzern und Arbeitskraftverkäufern, ist naiv, und wenn man von den Zusammenhängen, die man satirisch behandeln möchte, so wenig weiß, dann kommt dabei eben ein Krampf wie »The Hunt« heraus. Bitte geben Sie keine 15 Euro dafür aus.

  

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Ein Vorschlag, Clemens Tönnies …

Ein Vorschlag, Clemens Tönnies …

Während Ihrer Zeit im Aufsichtsrat bei Schalke 04 sollen Sie in der Halbzeitpause einmal wutentbrannt in die Kabine gestürmt sein und als Kommentar zur miserablen Mannschaftsleistung ein Trikot zerrissen haben. Dabei hätten Sie das Trikot viel eindrücklicher schänden können, als es bloß zu zerfetzen, Tönnies!

Sie hätten es, wie Sie es aus Ihrem Job kennen, pökeln, durch den verschmutzten Fleischwolf drehen und schließlich von unterbezahlten Hilfskräften in minderwertige Kunstdärme pressen lassen können.

Aber hinterher ist man immer schlauer, gell?

Dreht Sie gern durch den Satirewolf: Titanic

 Prophetisch, »Antenne Thüringen«?

Oder wie sollen wir den Song verstehen, den Du direkt nach der von Dir live übertragenen Diskussion zwischen Mario Voigt und Björn Höcke eingespielt hast? Zwar hat der Thüringer CDU-Fraktionschef Höckes Angebot einer Zusammenarbeit nach der Wahl ausgeschlagen. Aber es wettet ja so manche/r darauf, dass die Union je nach Wahlergebnis doch noch machthungrig einknickt. Du jedenfalls lässt im Anschluss den Musiker Cyril mit seinem Remake des Siebziger-Lieds »Stumblin’ in« zu Wort kommen: »Our love is alive / I’ve fallen for you / Whatever you do / Cause, baby, you’ve shown me so many things that I never knew / Whatever it takes / Baby, I’ll do it for you / Whatever you need / Baby, you got it from me.« Wenn das nicht mal eine Hymne auf eine blau-schwarze Koalition ist!

Hätte sich dann doch eher »Highway to Hell« gewünscht: Titanic

 Aha bzw. aua, Voltaren!

Das wussten wir gar nicht, was da in Deiner Anzeige steht: »Ein Lächeln ist oft eine Maske, die 1 von 3 Personen aufsetzt, um Schmerzen zu verbergen. Lass uns helfen. Voltaren.«

Mal von der Frage abgesehen, wie Du auf die 1 von 3 Personen kommst, ist es natürlich toll, dass Du offenbar eine Salbe entwickelt hast, die das Lächeln verschwinden lässt und den Schmerz zum Vorschein bringt!

Gratuliert salbungsvoll: Titanic

 Du, »Hörzu Wissen«,

weißt, wie Werbung geht! Mit »Die Sucht zu töten« machtest Du so richtig Lust auf Deine aktuelle Ausgabe, um erläuternd nachzulegen: »Bestialisch, sadistisch, rätselhaft: Was Menschen zu mordenden Monstern macht – acht Täter und die Geschichten ihrer grausamen Verbrechen.«

Wer kann sich da der Faszination der »dunklen Welt der Serienkiller« noch entziehen? Aber am Ende, liebe Hörzu Wissen, ist in diesem Zusammenhang doch die Implikation Deines Slogans »Hörzu Wissen – das Magazin, das schlauer macht!« das Allergruseligste!

Da erschauert sogar

Die True-Crime-resistente Redaktion der Titanic

 Hej, Gifflar!

Du bist das Zimtgebäck eines schwedischen Backwarenherstellers und möchtest mit einer Plakatkampagne den deutschen Markt aufrollen. Doch so sehr wir es begrüßen, wenn nicht mehr allein Köttbullar, Surströmming und Ikeas Hotdogs die schwedische Küche repräsentieren, so tief bedauern wir, dass Du mit Deinem Slogan alte Klischees reproduzierst: »Eine Schnecke voll Glück«? Willst Du denn für alle Ewigkeiten dem Stereotyp der schwedischen Langsamkeit hinterherkriechen? Als regierten dort immer noch Sozialdemokraten, Volvo und Schwedenpornos?

Damit wirst Du nie der Lieblingssnack der Metropolenjugend!

Sagen Dir Deine Zimt- und Zuckerschnecken von Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Tödliche Pilzgerichte (1/1)

Gefühlte Champignons.

Lukas Haberland

 Finanz-Blues

Wenn ich bei meiner langjährigen Hausbank anrufe, meldet sich immer und ausnahmslos eine Raiffeisenstimme.

Theobald Fuchs

 Empfehlung für die Generation Burnout

Als eine günstige Methode für Stressabbau kann der Erwerb einer Katzentoilette – auch ohne zugehöriges Tier – mit Streu und Siebschaufel den Betroffenen Abhilfe verschaffen: Durch tägliches Kämmen der Streu beginnt nach wenigen Tagen der entspannende Eintritt des Kat-Zengarteneffekts.

Paulaner

 In Würde altern

Früher hätte mich der riesige Pickel mitten auf meinem Hals stark gestört. Heute trage ich den wohl niedlichsten ausgeprägten Adamsapfel, den die Welt je gesehen hat, mit großem Stolz ein paar Tage vor mir her.

Ronnie Zumbühl

 Gute Nachricht:

Letzte Woche in der Therapie einen riesigen Durchbruch gehabt. Schlechte Nachricht: Blinddarm.

Laura Brinkmann

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
04.05.2024 Gütersloh, Die Weberei Thomas Gsella
04.05.2024 Jena, F-Haus Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
05.05.2024 Bonn, Rheinbühne Thomas Gsella
05.05.2024 Magdeburg, Factory Martin Sonneborn mit Sibylle Berg