Humorkritik | Juli 2020

Juli 2020

Humor ist Erkenntnis der Anomalien.
Friedrich Hebbel

Monaco Charlie

Fans vom Monaco Franz, Helmut Dietls unsterblichem Münchner Stenz, wissen, dass der Franz Münchinger einen Sohn hat. Der taucht nie auf, es wird seiner auch bloß am Rande erwähnt, aber es gibt ihn. In der Amazon-Produktion »Der Beischläfer« figuriert der verwitwete Spätdreißiger und antriebsarme Oldtimerwerkstattinhaber Charlie Menzinger immerhin kurz als »Monaco Frank«, denn die aus Berlin zugezogene Richterin, die ihn als Schöffen ertragen muss, beschreibt ihn so und meint’s nicht freundlich. Der Charlie nervt nämlich, weil er kein »Beischläfer« sein will: So nennt man Schöffen, die nicht stören. Und auch wenn es altersmäßig nicht recht hinhaut, das mit dem Sohn, haut’s eben doch hin, weil der Markus Stoll, eigentlich Kabarettist (»Harry G«), so ein Dietlscher Typ ist und liebenswertes München viel aus- und eindrucksvoller verkörpert als das grässlich hektische Schnittbildbrimborium aus Viktualienmarkt und Frauenkirche, das dem Stadtmarketing sicher gefällt, aber bloß ein Publikum anspricht, das es lauter mag als ich.

Zieht man diese mit modernisierter Blasmusik unterlegten Trenner ab, bleiben 25 Minuten. Das ist Sitcom-Distanz; und doch könnte der »Beischläfer«, obwohl zugleich Justiz-, Lokal-, Buddy- und Liebeskomödie, noch mehr sein, nämlich mehr erzählen. So war ich nach den sechs Episoden nicht direkt enttäuscht, ich war ja, von Mundwerk, Kolorit und Allotria, gut unterhalten worden, hatte aber das Gefühl, abgespeist worden zu sein; nicht von den Autoren (Mike Viebrock und Murmel Clausen, der u.a. die launigen »Tatorte« aus Weimar schreibt), der Besetzung oder der Regie, aber von jener Amazon-Abteilung, die von Zielgruppenfernsehen vermutlich sehr viel mehr weiß als vom »Monaco Franze« oder gar den gleichfalls Dietlschen »Münchner Geschichten«, in denen der junge Günther Maria Halmer einst in aller Seelenruhe den Tagedieb Tscharlie (sic!) gab. Dass die gewürzte Kürze des »Beischläfers« das Genre der »Striezi-Komödie« breche, glaubt der »Spiegel«; ich aber glaube, dass die Münchner Geschichte vom Charlie Menzinger eine Hommage unter Formatbedingungen ist und die singulären Dietlschen Fernsehleistungen erhellt, die Format hatten, aber keins waren.

  

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Du, »Hörzu Wissen«,

weißt, wie Werbung geht! Mit »Die Sucht zu töten« machtest Du so richtig Lust auf Deine aktuelle Ausgabe, um erläuternd nachzulegen: »Bestialisch, sadistisch, rätselhaft: Was Menschen zu mordenden Monstern macht – acht Täter und die Geschichten ihrer grausamen Verbrechen.«

Wer kann sich da der Faszination der »dunklen Welt der Serienkiller« noch entziehen? Aber am Ende, liebe Hörzu Wissen, ist in diesem Zusammenhang doch die Implikation Deines Slogans »Hörzu Wissen – das Magazin, das schlauer macht!« das Allergruseligste!

Da erschauert sogar

Die True-Crime-resistente Redaktion der Titanic

 Hello, Grant Shapps (britischer Verteidigungsminister)!

Eine düstere Zukunft haben Sie in einem Gastbeitrag für den Telegraph zum 75jährigen Bestehen der Nato skizziert. Sie sehen eine neue Vorkriegszeit gekommen, da sich derzeit Mächte wie China, Russland, Iran und Nordkorea verbündeten, um die westlichen Demokratien zu schwächen. Dagegen hülfen lediglich eine Stärkung des Militärbündnisses, die weitere Unterstützung der Ukraine und Investitionen in Rüstungsgüter und Munition. Eindringlich mahnten Sie: »Wir können uns nicht erlauben, Russisch Roulette mit unserer Zukunft zu spielen.«

Wir möchten aber zu bedenken geben, dass es beim Russisch Roulette umso besser fürs eigene Wohlergehen ist, je weniger Munition im Spiel ist und Patronen sich in der Trommel befinden.

Den Revolver überhaupt vom eigenen Kopf fernhalten, empfehlen Ihre Croupiers von der Titanic

 Clever, »Brigitte«!

Du lockst mit der Überschrift »Fünf typische Probleme intelligenter Menschen«, und wir sind blöd genug, um draufzuklicken. Wir lernen, dass klug ist: wer mehr denkt, als er spricht, wer sich ungeschickt im Smalltalk anstellt, wer sich im Job schnell langweilt, wer sich mit Entscheidungen schwertut, wer bei Streit den Kürzeren zieht und wer ständig von Selbstzweifeln geplagt wird.

Frustriert stellen wir fest, dass eigentlich nichts von alledem auf uns zutrifft. Und als die Schwachköpfe, die wir nun einmal sind, trauen wir uns fast gar nicht, Dich, liebe Brigitte, zu fragen: Waren das jetzt nicht insgesamt sechs Probleme?

Ungezählte Grüße von Deiner Titanic

 Eher unglaubwürdig, »dpa«,

erschien uns zunächst Deine Meldung, Volker Wissing habe nach dem tödlichen Busunglück auf der A9 bei Leipzig »den Opfern und Hinterbliebenen sein Beileid ausgesprochen«. Andererseits: Wer könnte die Verstorbenen auf ihrem Weg ins Jenseits noch erreichen, wenn nicht der Bundesverkehrsminister?

Tippt aufs Flugtaxi: Titanic

 Wir wollten, »SZ«,

nur mal schnell Deine Frage »Gedenkbäume absägen. Hinweistafeln mit Hakenkreuzen beschmieren. Wer macht sowas?« beantworten: Nazis.

Für mehr investigative Recherchen wende Dich immer gerne an Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Altersspezifisch

Ich gehöre noch zu einer Generation, deren Sätze zu häufig mit »Ich gehöre noch zu einer Generation« anfangen.

Andreas Maier

 Citation needed

Neulich musste ich im Traum etwas bei Wikipedia nachschlagen. So ähnlich, wie unter »Trivia« oft Pub-Quiz-Wissen gesammelt wird, gab es da auf jeder Seite einen Abschnitt namens »Calia«, voll mit albernen und offensichtlich ausgedachten Zusatzinformationen. Dank Traum-Latinum wusste ich sofort: Na klar, »Calia« kommt von »Kohl«, das sind alles Verkohl-Facts! Ich wunderte mich noch, wo so ein Quatsch nun wieder herkommt, wusste beim Aufwachen aber gleich, unter welcher Kategorie ich das alles ins Traumtagebuch schreiben konnte.

Alexander Grupe

 Finanz-Blues

Wenn ich bei meiner langjährigen Hausbank anrufe, meldet sich immer und ausnahmslos eine Raiffeisenstimme.

Theobald Fuchs

 100 % Maxx Dad Pow(d)er

Als leidenschaftlicher Kraftsportler wünsche ich mir, dass meine Asche eines Tages in einer dieser riesigen Proteinpulverdosen aufbewahrt wird. Auf dem Kaminsims stehend, soll sie an mich erinnern. Und meinen Nachkommen irgendwann einen köstlichen Shake bieten.

Leo Riegel

 Spielregeln

Am Ende einer Mensch-ärgere-dich-nicht-Partie fragt der demente Herr, ob er erst eine Sechs würfeln muss, wenn er zum Klo will.

Miriam Wurster

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
27.04.2024 Schwerin, Zenit Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
28.04.2024 Lübeck, Kolosseum Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
29.04.2024 Berlin, Berliner Ensemble Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
30.04.2024 Hamburg, Kampnagel Martin Sonneborn mit Sibylle Berg