Inhalt der Printausgabe

Oktober 2004


Offener Brief an Sie


Liebe TITANIC-Leser!

INSGESAMT 40 CHEFREDAKTEURE VON TAGESZEITUNGEN UND ZEITSCHRIFTEN, DARUNTER NEUE REVUE, BILD UND BUNTE, haben kürzlich in einem Offenen Brief Bundeskanzler Schröder gebeten, gegen das sogenannte "Caroline-Urteil" des Europäischen Gerichtshofs anzugehen.

Martin Sonneborn
Martin Sonneborn
Um es vorwegzunehmen: Aus zwei Gründen habe ich mich entschlossen, diesen Brief nicht zu unterschreiben. Erstens, weil ich immer Angst habe, daß ein Schreiben verlorengeht, wenn man den Umschlag nicht sorgfältig zuklebt; und zweitens, weil ich von den 40 Kollegen gar nicht gefragt worden bin.
Dabei wirft das Urteil natürlich nicht nur für den kleinen Zeitungsleser Fragen auf - etwa, wie man Bild und FAZ in Zukunft am Kiosk auseinanderhalten soll, wenn Bild "den Mächtigen nicht mehr auf die Finger schauen" darf, jedenfalls nicht mehr mit dem Fotoapparat -, sondern besonders für die Redaktion eines Satiremagazins: Wenn wir Bilder von Prominenten nur noch eingeschränkt zeigen dürfen, gilt das dann auch für obszöne Fotomontagen? War der Abdruck von Kai Diekmanns Jugendfotos (TITANIC 8/2004) juristisch korrekt? Im dpa-Archiv kursieren immer wieder Bilder von Angela Merkels Gesicht - ist das Interesse der Öffentlichkeit daran legitim? Und woran erkennt man, daß Ernst August von Hannover jemandem gerade nur ganz privat in die Fresse schlägt?
Solange der Europäische Gerichtshof für Menschrechte zu diesen Fragen schweigt, sehen wir keinen Anlaß, unser Verhalten zu ändern.

Faschismus und Sex pur (v.r.n.l.) - Ein Jahr lang Freude mit dem Spiegel/TITANIC-Doppel-Abo für 145 Euro!

"Ich war Hitler." Mit dieser Behauptung wird Bruno Ganz seit Wochen in den verschiedensten Medien zitiert. Kein Wunder, daß in der Redaktionskonferenz die Sorge laut wurde, dieses freimütige Eingeständnis könne Konsequenzen nach sich ziehen. Trotzdem mußten wir den Vorschlag, dem Schauspieler beizuspringen und in den großen Tageszeitungen Anzeigen zu schalten ("Ich leiste keine weiteren Reparationszahlungen! Bruno Ganz" bzw. "Bei Beschwerden über den Asphalt wenden Sie sich bitte ausschließlich an die nächstgelegene Autobahnmeisterei! M. fr. Gr. Ihr Bruno Ganz"), aus Kostengründen zurückweisen.

Der Spiegel, das Hamburger Nachrichtenmagazin, das die Kündigungs-Charts in TITANIC seit Monaten souverän und unangefochten anführt (vgl. Seite 66), hat eine Gegenoffensive gestartet: Laut Spiegel-Anzeige bietet der Verlag für die Werbung eines neuen Abonnenten derzeit 125 Euro in bar. Für einen kleinen Spaß suchen wir deshalb 1000 Leser, die sich von uns für ein Spiegel-Jahres-Abo (145 e) werben lassen. Um Ihnen das Angebot schmackhaft zu machen, legen wir noch ein kostenfreies TITANIC-Abo obendrauf.


Herzlichst, Ihr Martin Sonneborn





Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Hej, Gifflar!

Du bist das Zimtgebäck eines schwedischen Backwarenherstellers und möchtest mit einer Plakatkampagne den deutschen Markt aufrollen. Doch so sehr wir es begrüßen, wenn nicht mehr allein Köttbullar, Surströmming und Ikeas Hotdogs die schwedische Küche repräsentieren, so tief bedauern wir, dass Du mit Deinem Slogan alte Klischees reproduzierst: »Eine Schnecke voll Glück«? Willst Du denn für alle Ewigkeiten dem Stereotyp der schwedischen Langsamkeit hinterherkriechen? Als regierten dort immer noch Sozialdemokraten, Volvo und Schwedenpornos?

Damit wirst Du nie der Lieblingssnack der Metropolenjugend!

Sagen Dir Deine Zimt- und Zuckerschnecken von Titanic

 Hoppla, Berliner Gefängnischefs!

Drei von Euch haben laut Tagesspiegel wegen eines Fehlers der schwarz-roten Regierungskoalition statt einer Gehaltserhöhung weniger Geld bekommen. Aber der Ausbruch von Geldnöten soll durch einen Nachtragshaushalt verhindert werden. Da ja die Freundschaft bekanntlich beim Geld endet: Habt Ihr drei beim Blick auf Eure Kontoauszüge mal kurz über eine Ersatzfreiheitsstrafe für die nachgedacht, die das verbrochen haben?

Wollte diese Idee nur mal in den Raum stellen: Titanic

 Gute Frage, liebe »Süddeutsche«!

»Warum haben wir so viele Dinge und horten ständig weiter? Und wie wird man diese Gier wieder los?« teast Du Dein Magazin an, dasselbe, das einzig und allein als werbefreundliches Vierfarb-Umfeld für teuren Schnickschnack da ist.

Aber löblich, dass Du dieses für Dich ja heißeste aller Eisen anpackst und im Heft empfiehlst: »Man kann dem Kaufimpuls besser widerstehen, wenn man einen Schritt zurücktritt und sich fragt: Wer will, dass ich das haben will?«

Und das weiß niemand besser als Du und die Impulskundschaft von Titanic

 Du, »Hörzu Wissen«,

weißt, wie Werbung geht! Mit »Die Sucht zu töten« machtest Du so richtig Lust auf Deine aktuelle Ausgabe, um erläuternd nachzulegen: »Bestialisch, sadistisch, rätselhaft: Was Menschen zu mordenden Monstern macht – acht Täter und die Geschichten ihrer grausamen Verbrechen.«

Wer kann sich da der Faszination der »dunklen Welt der Serienkiller« noch entziehen? Aber am Ende, liebe Hörzu Wissen, ist in diesem Zusammenhang doch die Implikation Deines Slogans »Hörzu Wissen – das Magazin, das schlauer macht!« das Allergruseligste!

Da erschauert sogar

Die True-Crime-resistente Redaktion der Titanic

 Ganz schön unentspannt, Giorgia Meloni!

Ganz schön unentspannt, Giorgia Meloni!

Nachdem Sie eine Klage wegen Rufschädigung eingereicht haben, wird nun voraussichtlich ein Prozess gegen den britischen Rockstar Brian Molko eingeleitet. Dieser hatte Sie bei einem Konzert seiner Band Placebo in Turin als Nazi und Faschistin bezeichnet.

Wir finden, da könnten Sie sich mal etwas lockermachen. Wer soll denn bitte noch durchblicken, ob Sie gerade »Post-«, »Proto-« oder »Feelgood-« als Präfix vor »Faschistin« bevorzugen? Und: Wegen solcher Empflichkeiten gleich vor Gericht zu gehen, kostet die Justiz so viel wertvolle Zeit. Die könnte sie doch auch nutzen, um Seenotretter/innen dingfest zu machen oder kritische Presse auszuschalten. Haben Sie darüber schon mal nachgedacht, Sie Snowflake?

Schlägt ganz gelassen vor: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Citation needed

Neulich musste ich im Traum etwas bei Wikipedia nachschlagen. So ähnlich, wie unter »Trivia« oft Pub-Quiz-Wissen gesammelt wird, gab es da auf jeder Seite einen Abschnitt namens »Calia«, voll mit albernen und offensichtlich ausgedachten Zusatzinformationen. Dank Traum-Latinum wusste ich sofort: Na klar, »Calia« kommt von »Kohl«, das sind alles Verkohl-Facts! Ich wunderte mich noch, wo so ein Quatsch nun wieder herkommt, wusste beim Aufwachen aber gleich, unter welcher Kategorie ich das alles ins Traumtagebuch schreiben konnte.

Alexander Grupe

 Gebt ihnen einen Lebenszyklus!

Künstliche Pflanzen täuschen mir immer gekonnter Natürlichkeit vor. Was ihnen da aber noch fehlt, ist die Fähigkeit zu verwelken. Mein Vorschlag: Plastikpflanzen in verschiedenen Welkstadien, damit man sich das Naserümpfen der Gäste erspart und weiterhin nur dafür belächelt wird, dass man alle seine Zöglinge sterben lässt.

Michael Höfler

 Vom Feeling her

Es hat keinen Sinn, vor seinen Gefühlen wegzulaufen. Man muss sich schon auch mal hinter einem Baum verstecken und warten, dass die das nicht merken und an einem vorbeiziehen, sonst bringt das ja alles nichts.

Loreen Bauer

 Finanz-Blues

Wenn ich bei meiner langjährigen Hausbank anrufe, meldet sich immer und ausnahmslos eine Raiffeisenstimme.

Theobald Fuchs

 Immerhin

Für mich das einzig Tröstliche an komplexen und schwer zugänglichen Themen wie etwa Quantenmechanik, Theodizee oder den Hilbertschen Problemen: Letztlich ist das alles keine Raketenwissenschaft.

Michael Ziegelwagner

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
27.04.2024 Schwerin, Zenit Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
28.04.2024 Lübeck, Kolosseum Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
29.04.2024 Berlin, Berliner Ensemble Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
30.04.2024 Hamburg, Kampnagel Martin Sonneborn mit Sibylle Berg