Inhalt der Printausgabe
März 2004
Vom Fachmann für Kenner (Seite 15 von 16) |
Für Marcel Proust Der Sohn wohlhabender Eltern, der, gleichgültig ob aus Talent oder Schwäche, einen sogenannten intellektuellen Beruf, als Künstler oder Gelehrter, ergreift, hat es unter denen, die den degoutanten Namen des Kollegen tragen, besonders schwer. Nicht bloß, daß ihm die Unabhängigkeit geneidet wird, daß man dem Ernst seiner Absicht mißtraut und in ihm einen heimlichen Abgesandten der etablierten Mächte vermutet. Solches Mißtrauen zeugt zwar von Ressentiment, würde aber meist seine Bestätigung finden. Jedoch die eigentlichen Widerstände liegen anderswo: Wenn man nämlich dermaßen und geradezu entfremdet stockschwul ist, daß... Vergnügt nippte Teddy am Milchkaffee, trommelte versonnen mit den Fingern ein paar Marschtakte aus Schönbergs Serenade op. 24 auf die Schreibtischkante und rückte, da Gretel zum Einkaufen war, ganz und gar unverhohlen das Sackl sich zurecht: Das würde ein Hammer werden! Ein Weltbestseller! Da könnte ihn die Kulturindustrie dann schön am Arsch lecken, da würde er ein Penthouse sich kaufen mit offenem Kamin und diesem Gerät da, von dem man jetzt so viel hörte, einen Ferngucker oder wie, und dann aber täglich ein schönes Stahlbad mit allem drum und dran! Andererseits, überlegte er und popelte weh, könnte er dann mindestens Manns Thomas nicht mehr recht unter die Augen treten; wie diese, na ja, Sodomiten zum Teil ja auch ganz umgänglich waren, auch wenn er das ständige affektierte "hach" und "huch" und "tatütata" gerade im Hause Mann, Sensibelchen und im Endeffekt Bürger, der er war, immer nur schwer ertragen hatte und weiter ertrug. Und überhaupt, "Doktor Fistus", das war doch kein Titel für einen Roman! Aber trotzdem: Was er, Teddy, da geschrieben hatte, war im Endeffekt fuck, war keine kritische Denke; und die letzten Reste Milchschaum aus der Tasse leckend, sah er sein Penthouse kleiner und kleiner, seine Reputation als vorurteilsloser Freigeist und Weltbürger aber dafür unwiderstehlich größer werden; und wo das Durch-x-en des letzten Satzes noch zögernd und fast traurig vonstatten ging, hatte Teddy den Faden der Ariane sogleich wiedergefunden und hackte jetzt siegessicher jodelnd weiter, hähä, so ging's!: Die Beschäftigung mit geistigen Dingen ist mittlerweile selber "praktisch", zu einem Geschäft mit strenger Arbeitsteilung, mit Branchen und numerus clausus geworden... Stefan Gärtner
|
1 | 2 | 3 | 4 | 5 | 6 | 7 | 8 | 9 | 10 | 11 | 12 | 13 | 14 | 15 | 16 |