Inhalt der Printausgabe
März 2002
Humorkritik
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Zu dumm |
Edward Gibbon, der viel wußte, wußte, daß Geschichte "in der Tat wenig mehr ist als das Register der Verbrechen, der Thorheit und des Unglücks des Menschengeschlechts" ("Verfall und Untergang des Römischen Reiches"). Matthijs van Boxsel, der viel zu wissen vorgibt, beschließt seine angebliche "Enzyklopädie der Dummheit" (Eichborn) eingedenk der Postmoderne, die ja, wie das Feuilleton und das philosophische Paris behaupten, die Geschichte abschaffte und das Posthistoire schuf, mit der raffinierten Pointe: "Wir nehmen die Welt, die uns im Fernsehen präsentiert wird, nicht sonderlich ernst. Als aufgeklärte Dummköpfe lehnen wir uns zurück. Dumm sein, das tut die Welt für uns. Dann können wir unterdessen weise sein für die Welt. Mit ironischer Distanz betrachten wir das törichte Treiben. Dabei bestimmt dieser gigantische Witz unser Handeln und Denken, einschließlich des Gedankens, die Welt sei dumm und wir selbst aufgeklärte Zuschauer." Zu dumm, daß der ganze elende, kulturgeschichtlich dürre, kulturtheoretisch prahlerische Buchriemen permanent derartige (Schein-)Wendungen, fahle dialektische Volten und einfältige Generalisierungen auflegt; daß Boxsel ein schönes Thema verschenkt und uns, den erwartungsfrohen Lesern, einen formidablen Schwindel serviert; daß sein selbstgefälliges Gequassel aber auch wirklich nur verrät, weshalb er nach mühseligen Universitätsjahren der - hier stimmt die Allzeitblödvokabel mal - selbsternannte "Dummschaftler" wurde, der fast die Hälfte der 180 drögen, stilistisch miserablen, redundanten Seiten schwammfaden politologischen Erwägungen (Rousseau, Mandeville etc.) reserviert, statt die imposant angekündigte "Genealogie der Trottel" zu entwickeln oder mehr als neunzehn Zeilen dem englischen "Schusselklub" zu widmen, dessen Treiben uns tatsächlich interessieren täte. Doch, ein ausgesprochen dummes Werk. Ich für meinen bescheidenen Teil habe keinen weiteren Bock auf Boxsel und ende nicht mit dessen antiaufklärerischer Apologie der "Unumgänglichkeit ritueller Torheiten" und irgendwelcher Fürstengeschlechter, sondern, das bringt es eher, mit B. K. Tragelehn und einer der knöchern komischen, eingedenk der nicht endenden Vorgeschichte kurios klugen "Neuen Xenien 1959-1999" (Stroemfeld): "Mächtig ist das Gebäude O heiliger Marx o wie treibt man / Da so feudal sie jetzt wohnt Dummheit zum Tempel hinaus" |
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