Inhalt der Printausgabe

Juni 2002


Vom Fachmann für Kenner
(Seite 14 von 16)

Halbe Miete
Ein seltsames Gefühl beschlich ihn, nicht zum erstenmal: Er las in eigenen Texten der 70er, der 80er, Jahre des vergangenen Jahrtausends, randvoll mit wunderschönen Wendungen voller Kraft und Geist und Stil, dann etwa ab '91 mit schon deutlich weniger, ein kurzes Hügelchen vielleicht der Mai '93, von da an ging's, da war er regelrecht erschrocken, rapide in den Keller, formal wie inhaltlich, hier und da bei Gott unter aller Kanone, indes züngelten seine Unkosten an der Sechstausendergrenze, 1 Kind, 2 Mittelklasseöfen mit ABS und Seitenairbag, 3 Wohnungen, 4 Frauen und dann das karge Zeilengeld, er war Satiriker, immer gewesen, Satiriker und Lebemann, die Kirche, das Militär, der Tauschwert, Kohl bzw. später offenbar ein Schröder, da gab es überall was auszusetzen, das alles fand er weiterhin nicht gut, da wandte er sich nach wie vor gegen: Usbekistan, der Tschad, die Schweiz, flüsterte er und ballte die Fäuste, der Transitverkehr durch den Brenner? Dazu die Milchpreisexplosion an den pfälzischen Grundschulen, von 80 auf 100 in drei Monaten, da konnte ein Schumi nicht mithalten hahaha, schau an, ein Witz, und für Kultur war auch kein Geld da, die Steuern flossen in Bestechungssümpfe à la Kölle usw., buh und noch mal buh, er wollte, dachte er und nahm es sich regelrecht vor, mal wieder gegen etwas anschreiben, und sei's das Gefühl, die jungen Redakteure und neumodischen Rubrikverwalter wollten ihn, den alten Hasen, allmählich herausdrängen, seine, er gab's ja zu, mehr und mehr haltlosen Riemen praktisch aus dem Heft katapultieren, seine Existenz auch physisch vernichten, ungeschehen machen gerade im Bereich "Fachmann für Kenner", aber sie würden sich umschauen, denn noch war Geld vorhanden, er holte ein Sechs-Euro-Bündel raus und gab's dem zuständigen Redakteur Mark-Stefan Tietze, dem Rückgrat ein Fremdwort war, hier, Newcomer, nimm, schon war die Sache gegessen.

Thomas Gsella


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Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Recht haben Sie, Uli Wickert (81)!

Recht haben Sie, Uli Wickert (81)!

Die Frage, weshalb Joe Biden in seinem hohen Alter noch mal für das Präsidentenamt kandidiert, anstatt sich zur Ruhe zu setzen, kommentieren Sie so: »Warum muss man eigentlich loslassen? Wenn man etwas gerne macht, wenn man für etwas lebt, dann macht man halt weiter, soweit man kann. Ich schreibe meine Bücher, weil es mir Spaß macht und weil ich nicht Golf spielen kann. Und irgendwie muss ich mich ja beschäftigen.«

Daran haben wir, Wickert, natürlich nicht gedacht, dass der sogenannte mächtigste Mann der Welt womöglich einfach keine Lust hat, aufzuhören, auch wenn er vielleicht nicht mehr ganz auf der Höhe ist. Dass ihn das Regieren schlicht bockt und ihm obendrein ein Hobby fehlt. Ja, warum sollte man einem alten Mann diese kleine Freude nehmen wollen!

Greifen Sie hin und wieder doch lieber zum Golfschläger statt zum Mikrofon, rät Titanic

 Ah, »Galileo«!

Über die Arbeit von Türsteher/innen berichtest Du: »Viele Frauen arbeiten sogar als Türsteherinnen«. Wir setzen noch einen drauf und behaupten: In dieser Branche sogar alle!

Schmeißen diese Erkenntnis einfach mal raus:

Deine Pointen-Bouncer von Titanic

 Du, »Hörzu Wissen«,

weißt, wie Werbung geht! Mit »Die Sucht zu töten« machtest Du so richtig Lust auf Deine aktuelle Ausgabe, um erläuternd nachzulegen: »Bestialisch, sadistisch, rätselhaft: Was Menschen zu mordenden Monstern macht – acht Täter und die Geschichten ihrer grausamen Verbrechen.«

Wer kann sich da der Faszination der »dunklen Welt der Serienkiller« noch entziehen? Aber am Ende, liebe Hörzu Wissen, ist in diesem Zusammenhang doch die Implikation Deines Slogans »Hörzu Wissen – das Magazin, das schlauer macht!« das Allergruseligste!

Da erschauert sogar

Die True-Crime-resistente Redaktion der Titanic

 Eher unglaubwürdig, »dpa«,

erschien uns zunächst Deine Meldung, Volker Wissing habe nach dem tödlichen Busunglück auf der A9 bei Leipzig »den Opfern und Hinterbliebenen sein Beileid ausgesprochen«. Andererseits: Wer könnte die Verstorbenen auf ihrem Weg ins Jenseits noch erreichen, wenn nicht der Bundesverkehrsminister?

Tippt aufs Flugtaxi: Titanic

 Clever, »Brigitte«!

Du lockst mit der Überschrift »Fünf typische Probleme intelligenter Menschen«, und wir sind blöd genug, um draufzuklicken. Wir lernen, dass klug ist: wer mehr denkt, als er spricht, wer sich ungeschickt im Smalltalk anstellt, wer sich im Job schnell langweilt, wer sich mit Entscheidungen schwertut, wer bei Streit den Kürzeren zieht und wer ständig von Selbstzweifeln geplagt wird.

Frustriert stellen wir fest, dass eigentlich nichts von alledem auf uns zutrifft. Und als die Schwachköpfe, die wir nun einmal sind, trauen wir uns fast gar nicht, Dich, liebe Brigitte, zu fragen: Waren das jetzt nicht insgesamt sechs Probleme?

Ungezählte Grüße von Deiner Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Mitgehört im Zug

»Prostitution ist das älteste Gewerbe der Welt!« – »Ja, aber das muss es ja nicht bleiben.«

Karl Franz

 Vom Feeling her

Es hat keinen Sinn, vor seinen Gefühlen wegzulaufen. Man muss sich schon auch mal hinter einem Baum verstecken und warten, dass die das nicht merken und an einem vorbeiziehen, sonst bringt das ja alles nichts.

Loreen Bauer

 Spielregeln

Am Ende einer Mensch-ärgere-dich-nicht-Partie fragt der demente Herr, ob er erst eine Sechs würfeln muss, wenn er zum Klo will.

Miriam Wurster

 Altersspezifisch

Ich gehöre noch zu einer Generation, deren Sätze zu häufig mit »Ich gehöre noch zu einer Generation« anfangen.

Andreas Maier

 Gute Nachricht:

Letzte Woche in der Therapie einen riesigen Durchbruch gehabt. Schlechte Nachricht: Blinddarm.

Laura Brinkmann

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
29.04.2024 Berlin, Berliner Ensemble Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
30.04.2024 Hamburg, Kampnagel Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
30.04.2024 Hannover, TAK Ella Carina Werner
01.05.2024 Berlin, 1.-Mai-Fest der PARTEI Martin Sonneborn mit Sibylle Berg