Inhalt der Printausgabe

Juni 2001


TITANIC vs. CDU

Großes Schwarzgeldtreffen in Luzern
Protokoll eines spontanen Betriebsausfluges (Seite 1 von 2)



Donnerstag, 10. Mai
11.00 Uhr: Berlin

Im Bundestag wird über die Million debattiert, die Walter Leisler-Kiep der CDU überwiesen hat.

11.00 Uhr: Frankfurt
In der TITANIC-Redaktion auch. Schnell ist man bei der Frage, ob die CDU-Führungsspitze noch einmal so amateurhaft reagieren wird, wenn - wie zu erwarten - weitere Summen auf Schwarzen Konten auftauchen. Man ist sich nicht ganz sicher und beschließt, die Probe aufs Exempel zu machen. Ein Kontoauszug der "Credit Suisse" wird organisiert und für Rückrufe eine Rufumleitung über ein Telefon in Luzern, dann setzt sich ein Freund der Redaktion mit Schweizer Dialekt ans Telefon, wo er sich binnen Sekunden in den behäbigen Bankangestellten Widmer (schweizerisch für Meier) verwandelt. Im Layout wird der Kontoauszug durch brutalstmögliche Fälschung von einer 1999er Überweisung (215 Schweizer Franken) zu einer Bareinzahlung (1 300 000 SFR) vom Oktober 1990 befördert, auch der glückliche Empfänger wird ausgetauscht; schlußendlich hat die CDU Bonn das Geld auf dem Konto. Das Kürzel "Tagi" in der Rubrik "Zahlungsgrund" dagegen bleibt stehen. Hört sich irgendwie albern bzw. konspirativ an, und wenn alles gut läuft, kann man sich darüber schön den Kopf zerbrechen...

13.17 Uhr: Frankfurt
Schweizer Schwarzgeld-Institut Der kleine Bankangestellte Bernhard Widmer findet in der Luzerner Filiale der "Credit Suisse" in der Akte "Termine/Auslaufendes Festgeld" ein Konto der Bonner CDU, das nach 10 Jahren fällig wird. Kontostand: knapp 3 Millionen SFR! Mit der ihm eigenen Gelassenheit ruft er in der Berliner CDU-Zentrale an und fragt, ob das Geld wieder festgelegt oder überwiesen werden solle. Auf der anderen Seite der Leitung fällt jemand fast vom Stuhl. Widmer wird sofort zum Leiter des Fraktionsbüros durchgestellt, Herrn Wettengel. Obwohl Wettengel bisher vor allem im Zusammenhang mit der Vernichtung von allerlei CDU-Kassenbüchern auffällig wurde, kann er sich den Sachverhalt "überhaupt nicht erklären" und bittet dringend um Zufaxen irgendwelcher "Unterlagen".

13.35 Uhr: Frankfurt
Die kann er bekommen: Der Kontoauszug geht auf die Reise, eine Stunde später klingelt das Telefon. Ein Angestellter der "Credit Suisse" in Zürich ruft an, um Herrn Widmer zu erklären, daß er ihn gar nicht kenne: "Hier am Telefon fragt ein Herr Ahrens nach Ihnen. Sie stehen aber gar nicht in unsrer Personalliste drin, die Telefonnummer, die er mir sagt, auch nicht!" Widmers schwer zu widerlegende Ausrede "Dann ist das irgendwie nicht gut grade!" überzeugt ihn jedoch, und er bittet, den in der Warteschleife hängenden Herrn Ahrens nach Luzern durchstellen zu dürfen. Er darf. Ahrens ist immerhin der Leiter der CDU-Innenrevision und hochgradig nervös, vielleicht auch deshalb, weil er den frisierten Kontoauszug überhaupt nicht zuordnen kann. Um ihn etwas aufzumuntern, erklärt ihm Widmer auf Nachfragen, wer das Konto vor 10 Jahren eröffnet hat: "Das ist ein Herr, ein Herr… ah, da steht es: Leisler-Kiep." Ahrens atmet mehrfach durch, sammelt sich aber schnell wieder und insistiert, ob es da "noch weitere Konten gibt, nicht daß wir danach noch andere Laufzeiten haben oder andere Konten in diesem Zusammenhang. Nicht, daß wir dann in 14 Tagen noch mal anfangen, weil da ein anderes Festgeld ausläuft!" Der Schweizer verspricht Nachforschung; auch was das Kürzel "Tagi" angeht, das Widmer nicht erklären kann. Der freundliche Kollege von "Credit Suisse" Zürich aber wird in späteren CDU Pressemitteilungen als "Maulwurf" der TITANIC angefeindet. Seit wieviel Jahren das Satiremagazin einen Mann in der Züricher Bank hat, wird nicht mitgeteilt.

15.40 Uhr: Frankfurt/Berlin
In der Redaktion klingelt das Telefon. Merkwürdig ist das schon: Die CDU führt Auslandsgespräche über Luzern, um mit TITANIC-Redakteuren in Frankfurt ins Gespräch zu kommen!

WIDMER (behäbig) Credit Suisse Luzern, Widmer.
CDU (nervös) Ja, Ahrens noch mal, Herr Widmer. Herr Widmer, haben Sie schon etwas herausgefunden?
WIDMER (langsam) Ja, ich bin da dran. Es gibt da so… also es gibt sicher zwei Subkonten mit Zahlungseingängen.
CDU (bedrückt) Zwei weitere?
WIDMER (verschlafen) Ja, die eigentlich dieselbe Nummer haben, aber hinten ein A und ein B.
CDU Das sind aber zwei weitere Konten?
WIDMER (sehr bedächtig) Ja, aber die sind wie… die haben die gleiche Kontonummer.
CDU Ach, die gleiche Kontonummer. Im Grunde genommen sind das dann aber weitere Beträge?
WIDMER (nicht direkt hektisch) Das sind weitere Beträge, die aber nicht sichtbar werden.
CDU (holt tief Luft) Also kann man sagen, da ist das eine Konto mit 1,3 Millionen Franken...
WIDMER (gedehnt) Das ist nur 91er Eingang, das dürfte jetzt schon einiges mehr sein.
CDU (resigniert) Jaja, der 91er. Und zuzüglich der zwei Subkonten.
WIDMER (Wort für Wort) Ja, also wir sind noch dran, vielleicht gibt es nochmals eines.
CDU Ach so. Dann ruf ich morgen vormittag noch mal an. Okay, bis dann.
WIDMER (gähnend) Schönen Abend noch, auf Wiederhören.

Subkonten? Beträge, die nicht sichtbar werden? Was für Laien nach Vollidiotie klingt, ist für den Geld-Fachmann und -Kenner Ahrens keine Überraschung!

Subkontoauszug mit unsichtbaren Beträgen (A-E)


16.37 Uhr: London/Frankfurt
Ein neuer Anruf: Eine Dame aus London behauptet, unter dieser Nummer wäre ihr Freund aus Luzern zu erreichen, kein Schalterbeamter. Statt stundenlang die technischen Details einer Rufumleitung zu erklären, wird sie gebeten, am Freitagabend wieder anrufen. 3

17.48 Uhr: Berlin/Frankfurt
Obwohl noch nicht ganz der nächste Vormittag ist, ruft Herr Ahrens wieder an. Tagi, ob man schon wisse...? Nein. Um ihm eine Freude zu machen, hat Widmer aber immerhin zwei weitere Subkonten gefunden, C und D, "wahrscheinlich geht das immer so weiter jetzt..." Auf die Beträge angesprochen, verweist ihn der Schweizer auf das Bankgeheimnis, rückt aber schlußendlich doch mit den Kontoständen raus: "Also A hat 1,25 und B, Moment, da ist 890 000 Franken, und die zwei neuen, 1 361 000, das ist also ungrad, und das letzte ist 1,56 Millionen." Hauptgewinn! Mit Zins und Zinseszins insgesamt nur knappe 10 Millionen Franken. Herr Ahrens läßt sich auf seinen Sitz fallen und fragt, ob er in einer Stunde noch einmal anrufen dürfe. Er darf.

18.23 Uhr: Berlin/Frankfurt
Ahrens ist verschlissen. Statt seiner beim nächsten Anruf am Apparat: Eckart von Klaeden, parlamentarischer Geschäftsführer seiner Partei. Er möchte mehr Informationen und bekommt sie prompt: Widmer berichtet ihm leicht vorwurfsvoll, daß der Spiegel in Deutschland wohl Wind bekommen habe von den Konten und es inzwischen auch um den Ruf der Bank gehe. Klaeden räumt ein, den Bundesgeschäftsführer der CDU, Willi Hausmann, und den Fraktionsvorsitzenden Friedrich Merz informiert zu haben, glaubt jedoch nicht, daß einer von ihnen der Presse einen Tip gegeben hat. Dann überlegt er, am nächsten Tag persönlich nach Luzern zu kommen und fragt, ob er sich dort von allen Unterlagen Kopien machen dürfe. Widmer fragt zurück, ob er auch Kopien vom neu aufgetauchten Subkonto E haben will. Klaedens Vermutung, "Tagi" stehe vielleicht für Tagegeld, wird von Bankseite brüsk zurückgewiesen.

19.13 Uhr: Berlin/Frankfurt
Von Klaeden ruft an, fragt, ob man schon wisse, was wohl "Tagi" bedeute, und bittet um einen Besuchstermin für zwei Leute: "Was müssen wir denn mitbringen? Personalausweis?" Widmer rät zu, weil man ohne diesen nicht in die Schweiz einreisen darf. Da die Lufthansa streikt, plant Klaeden für den Fall, daß man keine Flüge bekommt, zu zweit noch in der Nacht mit dem Wagen aus Berlin anzureisen. Widmer freut sich insgeheim über die Vorstellung und fragt, was das eigentlich bedeute: CDU? Klaeden demonstriert politische Sachkenntnis: "Eine Partei! Eine politische Partei in Deutschland!" Ausnahmsweise erhält diese von Widmer einen Besuchstermin für den nächsten Tag: "Ist schon dringend, oder? Kommen Sie um 11 Uhr und fragen Sie nach mir oder Herrn Direktor Weber!"

19.18 Uhr: Frankfurt
Redaktionsassistentin Staniewski besorgt den Redakteuren Nagel, Rürup und Sonneborn einen schnellen Wagen, eine Kanne Kaffee, einen Reiseplan, eine Liste mit Wünschen der restlichen Redaktion ("Kuhglocken", "Schweizer Franken", "Schokostäbli", "Tagi", etc.) und stellt einen Wecker auf 4 Uhr.


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Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Puh, Lars Klingbeil!

Gerade wollten wir den Arbeitstag für beendet erklären und auch die SPD mal in Ruhe vor sich hin sterben lassen, da quengeln Sie uns auf web.de entgegen, dass es »kein Recht auf Faulheit gibt«. Das sehen wir auch so, Klingbeil! Und halten deshalb jeden Tag, an dem wir uns nicht über Ihren Populismus lustig machen, für einen verschwendeten.

Die Mühe macht sich liebend gern: Titanic

 Und Du, »Braunschweiger Zeitung«,

hast uns mit Deiner Überschrift »Diese beiden tödlichen Keime bekämpfen Forscher aus Braunschweig« einen kleinen Schrecken eingejagt. Viel lieber wäre uns in eh schon schweren Zeiten die Headline »Forscher aus Braunschweig bekämpfen diese beiden tödlichen Keime« gewesen.

Bitte auf uns arme Seelen achten, wünscht sich

Deine Titanic

 Huch, Wolodymyr Selenskyj!

Laut Spiegel wollen Sie »überraschend nach Deutschland reisen«. Verständlich, Flugzeug oder Zug werden auf Dauer ja auch langweilig. Interessiert, ob Sie stattdessen einen Tunnel graben, mit einem Zeppelin fliegen oder doch per Faltkanu heranschippern, wünschen Ihnen in jedem Fall eine gute Reise

Ihre Travelguides von Titanic

 Grüß Gott, Söder!

Grüß Gott, Söder!

Wie schlossen Sie Ihr Statement vor dem israelischen Generalkonsulat in München, wenige Stunden, nachdem ein 18jähriger mit einem Gewehr mit aufgepflanztem Bajonett auf dieses geschossen hatte und daraufhin von der Polizei erschossen worden war? Sie sagten: »Nochmals vielen Dank an alle Beteiligten!« Der Hauptbeteiligte, das war freilich der Attentäter – Ihre Danksagung lässt also tief blicken! Denn was täten Sie ohne durchgeknallte Islamisten mit anachronistischer Bewaffnung, die vom Rückstoß eines historischen Repetiergewehrs beinahe umgeworfen werden und von Ihrer Polizei spielend leicht umgenietet werden können?

Aber Obacht! Nicht dass Sie sich beim nächsten Mal zu noch offenherzigeren Reaktionen hinreißen lassen und zum Abschluss »So ein Tag, so wunderschön wie heute« anstimmen. Könnte möglicherweise missverstanden werden!

Meint Titanic

 Mal halblang, Polizei Düsseldorf!

Irgendwie war ja zu erwarten, dass Du Dich in Deinen Ermittlungen zum Anschlag in Solingen von rassistischen Debatten und wütenden Rufen nach Massenabschiebungen beeinflussen lässt. Wenn Du in einem Aufruf an die Bevölkerung aber auch noch um »Angaben zur Herkunft der abgebildeten Regenjacke« bittest – gehst Du damit nicht ein bisschen zu weit?

Deine Sittenwächterin von der Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Im Unterzucker

Wenn man sich bei seinem Lieblingsitaliener keine Pizza bestellen kann, weil man nicht alle Vespas auf den Fotos gefunden hat – liegt das dann am nicht bestandenen Turin-Test?

Lara Wagner

 Mitläuferin? Ganz im Gegenteil!

Meine Oma fuhr im Widerstand Motorrad.

Andreas Maria Lugauer

 Alle meine Aversionen

Was ich überhaupt nicht schätze:
»Mädchen, ich erklär dir ...«-Sätze.

Was ich nicht so super finde:
Bluten ohne Monatsbinde.

Was ich gar nicht leiden kann:
Sex mit einem Staatstyrann.

Den Rest, auch Alkoholkonzerne,
mag ich eigentlich ganz gerne.

Ella Carina Werner

 Zum Sterben hoffentlich zu dämlich

In der Wartezone der Arge in Fürth sitzen zwei Männer um die vierzig. Einer der beiden hält eine aufgeschlagene Tageszeitung so, dass der zweite mitlesen kann. Geduldig blättern sie gemeinsam bis zur Seite mit den Todesanzeigen. »Schau«, sagt der eine, »da ist einer zwei Mal gestorben.« – »Wie kommst du darauf?« – »Lies doch! Derselbe Name in zwei Anzeigen.« – »Tatsächlich! Zwei Mal gestorben. Wie er das wohl geschafft hat?« Eine längere Denkpause setzt ein. »Wahrscheinlich einer wie ich, der nichts auf Anhieb hinkriegt«, schlussfolgert der eine dann. »Ha, das kommt mir bekannt vor!« stimmt der zweite ein. »Meine erste Frau mit den Kindern abgehauen, Führerschein schon drei Mal gemacht. Also zwei Mal wegen Alkohol, und ich weiß gar nicht, wie oft ich schon hier nach einer neuen Arbeit angestanden bin.« – Seufzend: »Hoffentlich kriegen wir wenigstens das mit dem Sterben mal besser hin als der hier …«

Theobald Fuchs

 Schrödingers Ruhebereich

Wenn es im Abteil so still ist, dass ein Fahrgast einschläft und dann übertrieben laut schnarcht.

Loreen Bauer

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

  • 03.10.: Der MDR kramt bei der Debatte, ob Ostdeutschland in den Medien schlechtgeredet wird, die Zonen-Gaby wieder hervor.
  • 26.09.:

    Noch-Grünenchefin Ricarda Lang retweetet "ihren" Onlinecartoon vom 25.09.

  • 18.09.: TITANIC-Zeichnerin Hilke Raddatz ("Briefe an die Leser") ist mit dem Wilhelm-Busch-Preis geehrt worden. Die SZLZ und der NDR berichten.
  • 12.09.:

    "Heute detoxe ich im Manager-Retreat im Taunus": TITANIC-Chefredakteurin Julia Mateus im Interview mit dem Medieninsider.

  • 29.08.:

    Die FR erwähnt den "Björnout"-Startcartoon vom 28.08.

Titanic unterwegs
15.10.2024 Tuttlingen, Stadthalle Hauck & Bauer und Thomas Gsella
16.10.2024 München, Volkstheater Moritz Hürtgen mit Max Kersting und Maria Muhar
16.10.2024 Hamburg, Centralkomitee Ella Carina Werner
16.10.2024 Frankfurt, Buchmesse TITANIC auf der Frankfurter Buchmesse