Inhalt der Printausgabe

Titanic-Wehrpflichtmodelle

Wahrheit oder Wehrpflicht?

Seit Monaten diskutiert Polit-Deutschland über die ­Wiedereinführung des Pflichtwehrdienstes. Während Grüne wie Ricarda Lang nichts davon halten, will die CDU seit ihrem letzten Parteitag nun offiziell „zurück ins Glied“; Hans-Peter Bartels (SPD), ehema- liger Wehrbeauftragter des Bundestags, brachte wiederum eine „Auswahlwehrpflicht“ ins Spiel, und Verteidigungsminister Boris Pistorius wünscht sich vor allem eine breite Debatte. Aber gerne! TITANIC stellt alternative Wehrpflichtmodelle vor.

Mikrodienst

In den letzten Jahren seines Bestehens war die Dauer des Pflichtwehrdienstes immer mehr verkürzt worden. Einer neuen Generation von Rekruten („Generation Vier-Tage-Woche“) könnte man mit weiteren zeitlichen Zugeständnissen entgegen­kommen. Die Microdosing-Grundausbildung beansprucht lediglich ein Wochenende, der Aufbaudienst inkl. Offiziersprüfung nimmt gerade mal einen Nachmittag in Anspruch, Schieß­übungen schlagen mit zehn Minuten zu Buche, und die Eck­pfeiler des Biwakierens lassen sich in maximal dreißig Sekunden vermitteln.

Kolumbianisches Modell

In Kolumbien herrscht „eine selektive Wehrpflicht, in der Praxis werden hauptsächlich Männer aus sozial schwächeren Schichten eingezogen“, weiß Wikipedia. 77 Prozent aller Deutschen würden indessen Verschärfungen beim Bürgergeld begrüßen (RTL/N-TV-Trendbarometer). Wie bekommt man diese beiden Fakten unter einen Helm? Ganz klar: Wer hierzulande von „Hartz IV 2.0“ gepampert wird und dreimal in Folge ein Jobangebot ablehnt, kommt in die Kaserne und später (so Putin will) an die Front. Die Jogginghose darf unter der Uniform angelassen werden, als Marschverpflegung gibt’s Energydrinks und Takis-Chips.

Frauenwehrpflicht

Jahrhundertelang wurden die Streitkräfte der Welt ausschließlich aus dem männlichen Teil der Bevölkerung ausgehoben. Jetzt sind die Frauen dran! Jedes deutsche Mädel hat sich zum 17. Geburtstag einer Musterung zu unterziehen und anschließend zehn Monate lang für Volk und Mutterland den wahren Bund fürs Leben zu schließen. Menschen, die sich nicht als Frauen identifizieren und trotzdem den Drang auf Drill und tägliche ABC-Übungen verspüren, müssen halt ihr Geschlecht ändern lassen, DAS IST JA DANK DER GENDER-IRREN WOKE-AMPEL NUR EIN GANG ZUM STANDESAMT. Nachteil: Ist die Truppe irgendwann zu 100  Prozent weiblich, kommt die Kriegsgeilheit zum Erliegen, Generälinnen fragen „Was tun wir hier eigentlich?“, MGs werden verschrottet, die Kriegsministerin wird in den Ruhestand geschickt, Nato-Austritt, Weltfrieden, laaangweilig!

Haftersatzdienst

Unter dem Retro-Motto „Ihr habt nichts zu verlieren außer eure Ketten!“ wird das Konzept der „Knacki-Lese“ installiert. Wer in einem deutschen Gefängnis eine Freiheitsstrafe absitzt, kann diese in den militärischen Dienst am nächstgelegenen Bundeswehrstandort umwandeln. Nach einer Weile besteht das Heer zu großen Teilen aus gewaltbereiten Soziopathen, es würde sich also nichts am gegenwärtigen Zustand ändern.

Wehrkür

Warum denn eigentlich immer nur Wehrpflicht? Wer beim ersten Versuch das Abitur bestanden, eine Berufsausbildung abgeschlossen, ein Studium absolviert und ein Freiwilliges Soziales Jahr hinter sich gebracht hat, dem soll angeboten werden, als Dreingabe noch zwölf Monate Grundwehrdienst abzuleisten. Das ist dann die Kür, und dafür soll es neben einem saftigen Sold, großzügigen Pensionsansprüchen und diversen Medaillen das gute Gefühl geben, etwas zu tun, was nicht jeder dahergelaufene Karussellbremserlehrenabbrecher darf.

Modelle, die momentan nicht  weiterverfolgt werden

Anwerbung von junggebliebenen Weltkriegsveteranen, die „es noch mal wissen wollen“; Zwangsrekrutierung von ultraorthodoxen ­Juden, die in Israel vom Dienst an der Waffe befreit sind; Malgré-nous in Elsass-Lothringen; Junior-Armee aus schwer erziehbaren Kindern, deren Eltern es zupass kommt, wenn die Kleinen mal eine Weile „rauskommen“; Volks-Streitkraft XXL nach Schweizer Vorbild: Jede/r Einwohner/in kriegt eine Waffe nebst Munition und eine Ration Feldnahrung ausgehändigt, dann wartet man in aller Ruhe auf den Ernstfall; KI-Miliz

Torsten Gaitzsch

ausgewähltes Heft

Aktuelle Cartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Puh, Lars Klingbeil!

Gerade wollten wir den Arbeitstag für beendet erklären und auch die SPD mal in Ruhe vor sich hin sterben lassen, da quengeln Sie uns auf web.de entgegen, dass es »kein Recht auf Faulheit gibt«. Das sehen wir auch so, Klingbeil! Und halten deshalb jeden Tag, an dem wir uns nicht über Ihren Populismus lustig machen, für einen verschwendeten.

Die Mühe macht sich liebend gern: Titanic

 Ex-VIVA-Moderator Mola Adebisi!

Im »Dschungelcamp« gaben Sie Ihre Meinung zum Thema Geschlechterrollen zum Besten: »Ich möchte nicht das tun, was eine Frau tut, das kann ich auch nicht. Und eine Frau soll auch nicht das tun, was ein Mann tut. Das geht auch nicht.« Männer sollten beispielsweise nicht als Hebammen arbeiten, denn eine Frau würde ein Kind anders lieben als ein Mann.

Und das wird von einer Hebamme ja schließlich gefordert, dass sie Kinder nicht einfach fachgerecht zur Welt bringt, sondern sie auch liebt.

Aber wenn Ihnen so viel daran liegt, die Tätigkeitsbereiche von Männern und Frauen zu trennen, warum haben Sie sich dann ein Metier gesucht, in dem sie gleichermaßen vertreten sind, Adebisi? Nämlich hauptberuflich im Dschungelcamp rumzusitzen?

Fragt sich, auch wenn sie das nicht tun soll: Titanic

 Huch, Wolodymyr Selenskyj!

Laut Spiegel wollen Sie »überraschend nach Deutschland reisen«. Verständlich, Flugzeug oder Zug werden auf Dauer ja auch langweilig. Interessiert, ob Sie stattdessen einen Tunnel graben, mit einem Zeppelin fliegen oder doch per Faltkanu heranschippern, wünschen Ihnen in jedem Fall eine gute Reise

Ihre Travelguides von Titanic

 Sie wiederum, André Berghegger,

haben als Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes nach dem Einsturz der Dresdner Carolabrücke eine »Investitionsoffensive für die Infrastruktur« gefordert, da viele Brücken in Deutschland marode seien. Diese Sanierung könnten jedoch Städte und Gemeinden »aus eigener Kraft kaum tragen«, ergänzten Sie. Mit anderen Worten: Es braucht eine Art Brückenfinanzierung?

Fragt Ihre Expertin für mehr oder weniger tragende Pointen Titanic

 Gut gehobelt, Noemi Molitor (»Taz«)!

»Unser Handwerk im Journalismus ist die Sprache. Bei genau diesem Werkzeug lohnt es sich also, genau hinzuschauen und auch ethische Fragen an orthografische Regeln zu stellen.«

Die Sprache: Handwerk und Werkzeug in einem. Wird auch nicht besser mit dem Fachkräftemangel, wie?

Schaut genau hin: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Kurzzeitgenossen

Bei der Meldung zu Anton Bruckners 200. Geburtsjubiläum (4. September) und dem tags darauf sich jährenden Geburtstag Heimito von Doderers (5. September) mit Interesse bemerkt, dass beide Herren im Jahr 1896 kurz gleichzeitig am Leben waren: nämlich fünf Wochen und einen Tag lang, von Klein-Heimitos Entbindung bis zu Bruckners Tod am 11. Oktober. Solche ganz knapp verpassten Möglichkeiten der Seelenwanderung faszinieren mich. Was wäre gewesen, hätte man Doderer etwas später zur Welt gebracht, wäre Bruckners Geist schon ein paar Wochen früher »frei« gewesen? Hätte Wien / Ansfelden ein reinkarniertes Doppeltalent Heimtoni von Brucknerer überhaupt ausgehalten, hätte die literarisch-musikalische Welt unter dem Eindruck der »Strudlhofsinfonie«, des »Rondo in c-Moll für Streichquartett und einen Merowinger« (Alternativtitel: »Die tonale Familie«) oder der kurzen vierstimmigen Motette »Die Peinigung der Orgelpfeifelchen« vor Entzücken und Überwältigung alle viere von sich gestreckt, aufgegeben und ihren Kulturbeutel auf immerdar zusammengepackt? – Dass das Spekulieren über solche vergeigten Leider-nicht-Seelenwanderungen nur sehr ausnahmsweise Sinn ergibt, dämmerte mir aber, als ich ad notam nahm, mit welchen Gruselgestalten und potentiellen Reinkarnationsgefäßen seinerseits Doderer seine allerletzten Tage im Herbst 1966 verbringen musste: Stefan Raab (*20.10.66), David Cameron (*9.10.66), Caroline Beil (*3.11.66) und sogar noch haarscharf David Safier (*13.12.66, »Miss Merkel – Mord am Friedhof«; »Der kleine Ritter Kackebart«). Dann schon lieber die Seele mit in die Hölle nehmen.

Michael Ziegelwagner

 Zum Sterben hoffentlich zu dämlich

In der Wartezone der Arge in Fürth sitzen zwei Männer um die vierzig. Einer der beiden hält eine aufgeschlagene Tageszeitung so, dass der zweite mitlesen kann. Geduldig blättern sie gemeinsam bis zur Seite mit den Todesanzeigen. »Schau«, sagt der eine, »da ist einer zwei Mal gestorben.« – »Wie kommst du darauf?« – »Lies doch! Derselbe Name in zwei Anzeigen.« – »Tatsächlich! Zwei Mal gestorben. Wie er das wohl geschafft hat?« Eine längere Denkpause setzt ein. »Wahrscheinlich einer wie ich, der nichts auf Anhieb hinkriegt«, schlussfolgert der eine dann. »Ha, das kommt mir bekannt vor!« stimmt der zweite ein. »Meine erste Frau mit den Kindern abgehauen, Führerschein schon drei Mal gemacht. Also zwei Mal wegen Alkohol, und ich weiß gar nicht, wie oft ich schon hier nach einer neuen Arbeit angestanden bin.« – Seufzend: »Hoffentlich kriegen wir wenigstens das mit dem Sterben mal besser hin als der hier …«

Theobald Fuchs

 Mitläuferin? Ganz im Gegenteil!

Meine Oma fuhr im Widerstand Motorrad.

Andreas Maria Lugauer

 Alle meine Aversionen

Was ich überhaupt nicht schätze:
»Mädchen, ich erklär dir ...«-Sätze.

Was ich nicht so super finde:
Bluten ohne Monatsbinde.

Was ich gar nicht leiden kann:
Sex mit einem Staatstyrann.

Den Rest, auch Alkoholkonzerne,
mag ich eigentlich ganz gerne.

Ella Carina Werner

 Im Unterzucker

Wenn man sich bei seinem Lieblingsitaliener keine Pizza bestellen kann, weil man nicht alle Vespas auf den Fotos gefunden hat – liegt das dann am nicht bestandenen Turin-Test?

Lara Wagner

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

  • 03.10.: Der MDR kramt bei der Debatte, ob Ostdeutschland in den Medien schlechtgeredet wird, die Zonen-Gaby wieder hervor.
  • 26.09.:

    Noch-Grünenchefin Ricarda Lang retweetet "ihren" Onlinecartoon vom 25.09.

  • 18.09.: TITANIC-Zeichnerin Hilke Raddatz ("Briefe an die Leser") ist mit dem Wilhelm-Busch-Preis geehrt worden. Die SZLZ und der NDR berichten.
  • 12.09.:

    "Heute detoxe ich im Manager-Retreat im Taunus": TITANIC-Chefredakteurin Julia Mateus im Interview mit dem Medieninsider.

  • 29.08.:

    Die FR erwähnt den "Björnout"-Startcartoon vom 28.08.

Titanic unterwegs
23.10.2024 Karlsruhe, Tollhaus Max Goldt
23.10.2024 Berlin, Walthers Buchladen Katharina Greve
24.10.2024 Stuttgart, Im Wizemann Max Goldt
25.10.2024 Potsdam, Waschhaus-Arena Thomas Gsella