Inhalt der Printausgabe

Immer mehr junge Frauen, aber zum Teil auch Endezwanzigjährige, wenden sich von der Karriereleiter ab und einem anderen Gegenstand aus Holz zu – dem Kochlöffel. Eine davon ist Lara (24). Sie liebt das Leben als traditionelle Hausfrau und Mutter. Das heißt: kochen, putzen, Kinder aufziehen, mit ihrem Rhönrad Akrobatik-Übungen machen und sich für ihren Ehemann aufopfern. Es gibt nur ein Problem: Sie hat noch keinen Ehemann. Doch das hält sie nicht davon ab, ihren Traum zu verfolgen. Ein Tag in ihrem Leben:

»What goes up must come down Spinning Wheel got to go ʼround«

2:15 Uhr
Ich steige aus dem Bett. Dann setze ich einen Sauerteig an, mache mich zurecht (mit der Brennschere Locken formen, schminken, Rhinoplastik), bevor ich einen Hefeteig aufsetze, das Frühstück vorbereite, die Betten mache, das Frühstück wegwerfe, ein, zwei Kleider nähe, mein Rhönrad poliere und einen Mürbeteig knete.

3 Uhr
Eine kalte Dusche steht an, ich meditiere und höre parallel den neuesten Andrew-Huberman-Podcast (»How to build ironclad marriages and ovaries with these three supplements«), dabei lese ich »Die perfekte Liebhaberin«.

4:40 Uhr
Es ist Zeit für ein zweites Make-up, aber leise, um IHN nicht zu wecken.

7:30 Uhr
Ich gehe meine Lieblingsorte ab, an denen sich viele reiche, ehrgeizige, verantwortungsvolle, potente, entscheidungsfreudige, fürsorgliche, aufrechte Versorgermänner aufhalten (Sparkasse, Schützenverein, Werteunionsgründungstreffen), und sehe ansprechbar aus. Nebenbei Recherche: Soja und sprudelnde Süßgetränke machen unfruchtbar!

9 Uhr
Nachdem ich den perfekten Mann kennengelernt habe, heiraten wir. Aber nur in meinen Gedanken, in Wirklichkeit haben mich nur rhönradlose Versager angesprochen.

9:05 Uhr
Wieder zu Hause. Die Bank ruft erneut an und will wissen, wann ich meinen Kredit (50 000 €) zurückzahle, den ich zur Finanzierung meines Lebensstils aufgenommen habe. Meine Erklärung, dass mein Ehemann sich bald darum kümmert, wird positiv aufgenommen, die Fragen, warum dieser Ehemann nicht in den Unterlagen auftaucht, nur ein selbstgezeichnetes Bild (Ganzkörper) vorliegt und ich verschiedene Vornamen nenne, empfinde ich als unzüchtig und lege auf.

9:20 Uhr
Zur Inspiration blättere ich durch alte Fotoalben und schaue mir an, wie die Alltagsroutine meiner Uroma ausgesehen hat.

9:35 Uhr
Nachdem ich den Dachböden und Kellerräumen der Nachbarschaft einen Besuch abgestattet und alle Auffälligkeiten notiert habe, fahre ich mit dem Rhönrad zur nächstgelegenen Polizeistation.

9:40 Uhr
Die Ordnungshüter sind attraktiv, aber unfähig, schade.

9:50 Uhr
Das Finanzamt ruft an, ich gehe ran (dank Freisprechanlage am Rhönrad). Man bittet mich, endlich damit aufzuhören, das Ehegattensplitting einzufordern. Außerdem berechtigt ein Rhönrad nicht zur Pendlerpauschale. Ich frage den Beamten, ob er verheiratet ist und ob das mit dem Rhönrad seine persönliche Sicht widerspiegelt.

9:55 Uhr
Ich esse kein Soja und nehme keine sprudelnden Süßgetränke zu mir.

10:30 Uhr
Mache Fruchtbarkeitsübungen auf dem Rhönrad, dabei denke ich an den Fortbestand der deutschen Kultur. Wie kann das Rhönrad wieder auf breite Akzeptanz stoßen, ja als Hauptfortbewegungsmittel Anerkennung finden?

12 Uhr
Hole Kinder von der Schule ab. An einem guten Tag brauchen die Eltern bis zu drei Stunden, um sie wiederzufinden. Das reicht aus, um den Kleinen auf dem Rhönrad die Schöpfungsgeschichte beizubringen (bis auf den Part mit der Schlange, zu sexuell, zu wenig Rhönrad).

15 Uhr
Wieder zu Hause. Es klingelt an der Tür, ich lege kurz frisches Make-up auf, vielleicht ist es mein Traumprinz? Vielleicht eine weitere Lieferung von rhoenrad24-bedarf24.de?

15:03 Uhr
Ich öffne die Tür, es ist nicht mein Traumprinz, nur die Polizei. »Kinder, welche Kinder? Oder ist einer der Kollegen willig, welche zu zeugen? Kommen Sie doch rein. Hahah.« Leider sind zwei vergeben und der dritte ein beta male. Örks.

15:10 Uhr
Ein Brief vom Amtsgericht trübt die Freude über den frischen Apfelkuchen. Dieser wandert sofort in den Müll, zusammen mit dem Apfelkuchen.

15:30 Uhr
Ich bemühe mich, mir durch Selbstkasteiung mein sündiges Vorleben auszutreiben und geistig wieder Jungfrau zu werden.

15:45 Uhr
Mein früherer Chef ruft an und bittet mich, in meinen alten Job als Datenanalystin zurückzukehren, Dreitagewoche bei vollem Lohnausgleich. Nein danke, so eine Schinderei tue ich mir nie wieder an. Mit dem Telefonat beende ich auch mein Workout mit dem Rhönradsimulator (15 000 Euro).

16 Uhr
Ich gönne mir 15 Minuten auf Social Media. Tradwives of TikTok, Cottagecore auf Instagram, Elon Musk auf X. Unerträglich, ekelhaft. Ich deinstalliere die App. Wie kann man nur das E-Auto als Fortbewegungsmittel der Zukunft sehen?

16:15 Uhr
Um diese Uhrzeit käme mein Mann nach Hause und würde Sex haben wollen.

16:45 Uhr
Ich bereite einen Rührteig zu und backe einen Kuchen, den ich ans Fenster stelle, um potentielle Ehemänner anzulocken.

17:30 Uhr
Der nächste Anruf, erneut die Polizei. Einige Kinder hätten mich wiedererkannt. Ob ich heute noch auf die Wache kommen könnte? Wie hat meine Urgroßmutter nur Haushalt und Kinder unter einen Hut gebracht?

17:45 Uhr
Entspannung auf dem Rhönradsimulator. Tut das gut!

18 Uhr
Der Gerichtsvollzieher steht vor der Tür und pfändet meine Schürze, meine Teige und alle Kinder in meinem Keller. »Nein! Nicht der Rhönradsimulator, lassen Sie mir wenigstens den Rhönradsimulator«, bettle ich. Vergebens, der Mann ist unbarmherzig. Hot!

19:45 Uhr
Ich erkläre dem Richter, dass die Gleichberechtigung der Frau darin besteht, dass sie in den ihr von der Natur bestimmten Lebensgebieten jene Hochschätzung erfährt, die ihr zukommt (Zitat eines Politikers). Und ich einfach nur ein Mädchen bin, das einen Mann sucht, der es und sein Rhönrad akzeptiert, wie sie sind. Und der 120 000 im Jahr verdient, aber das erklärt sich ja schon aus dem Rhönradlifestyle.

19:46 Uhr
DER DEM MANN OFFENBAR FREMD IST!

19:47 Uhr
Ich werde zu sechs Jahren Maßregelvollzug verurteilt. Natürlich: Rhönradverbot. Wie in der DDR!

20 Uhr
Ich rühre in meiner Zelle einen Plätzchenteig an. Der Gefängnisdirektor zieht mein Interesse auf sich. Festes Einkommen, dominant, Uniform, rechtsradikal. Lechz.

22 Uhr
Ein normaler Tag im Leben einer Tradwife geht vorüber. Vielleicht tragen meine Ausführungen dazu bei, dass uns mehr Leute verstehen und akzeptieren.

 

Laura Brinkmann / Sebastian Maschuw

ausgewähltes Heft

Aktuelle Cartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Prophetisch, »Antenne Thüringen«?

Oder wie sollen wir den Song verstehen, den Du direkt nach der von Dir live übertragenen Diskussion zwischen Mario Voigt und Björn Höcke eingespielt hast? Zwar hat der Thüringer CDU-Fraktionschef Höckes Angebot einer Zusammenarbeit nach der Wahl ausgeschlagen. Aber es wettet ja so manche/r darauf, dass die Union je nach Wahlergebnis doch noch machthungrig einknickt. Du jedenfalls lässt im Anschluss den Musiker Cyril mit seinem Remake des Siebziger-Lieds »Stumblin’ in« zu Wort kommen: »Our love is alive / I’ve fallen for you / Whatever you do / Cause, baby, you’ve shown me so many things that I never knew / Whatever it takes / Baby, I’ll do it for you / Whatever you need / Baby, you got it from me.« Wenn das nicht mal eine Hymne auf eine blau-schwarze Koalition ist!

Hätte sich dann doch eher »Highway to Hell« gewünscht: Titanic

 Eher unglaubwürdig, »dpa«,

erschien uns zunächst Deine Meldung, Volker Wissing habe nach dem tödlichen Busunglück auf der A9 bei Leipzig »den Opfern und Hinterbliebenen sein Beileid ausgesprochen«. Andererseits: Wer könnte die Verstorbenen auf ihrem Weg ins Jenseits noch erreichen, wenn nicht der Bundesverkehrsminister?

Tippt aufs Flugtaxi: Titanic

 Ach, Scheuer-Andi,

wie der Spiegel meldet, wird niemand für Sie in den Bundestag nachrücken. Da scheinen die Fußstapfen wohl einfach zu groß zu sein.

Die Besten gehen immer zu früh …

Weiß Titanic

 Weiter so, uruguayischer Künstler Pablo Atchugarry!

Eine angeblich von Ihnen geschaffene Bronzeskulptur im englischen Cambridge soll an Prinz Philip erinnern, der dort von 1977 bis 2011 Kanzler der Universität war. Allerdings wird das Kunstwerk, das im Auftrag eines reichen Bauträgers angefertigt wurde, von vielen als verunglückt empfunden und zieht seit nunmehr zehn Jahren Spott auf sich.

Dass Sie mittlerweile die Urheberschaft leugnen, um Ihr Renommee als Künstler zu schützen, ist zwar verständlich, aber aus unserer Sicht völlig unnötig. Wenn sich das Konzept durchsetzt, lästige Promis, die uns über Jahrzehnte viel Zeit, Geld und Nerven gekostet haben, mit langlebigen Schrott-Monumenten zu schmähen, werden Sie sich vor Aufträgen bald kaum noch retten können. Und das Beste: Weil andere Großkopferte sich mit ihren Eskapaden zurückhalten würden, um nicht von Ihnen verewigt zu werden, sorgten Sie auch noch für Ruhe und gesellschaftlichen Frieden.

Hofft, dass dieser Vorschlag einen Stein ins Rollen bringt: Titanic

 Hallihallo, Michael Maar!

In unserem Märzheft 2010 mahnte ein »Brief an die Leser«: »Spannend ist ein Krimi oder ein Sportwettkampf.« Alles andere sei eben nicht »spannend«, der schlimmen dummen Sprachpraxis zum Trotz.

Der Literatur- ist ja immer auch Sprachkritiker, und 14 Jahre später haben Sie im SZ-Feuilleton eine »Warnung vor dem S-Wort« veröffentlicht und per Gastbeitrag »zur inflationären Verwendung eines Wörtchens« Stellung bezogen: »Nein, liebe Radiosprecher und Moderatorinnen. Es ist nicht S, wenn eine Regisseurin ein Bachmann-Stück mit drei Schauspielerinnen besetzt. Eine Diskussionsrunde über postmoderne Lyrik ist nicht S. Ein neu eingespieltes Oboenkonzert aus dem Barock ist nicht S.«

Super-S wird dagegen Ihr nächster fresher Beitrag im Jahr 2038: Das M-Wort ist ja man auch ganz schön dumm!

Massiv grüßt Sie Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Tödliche Pilzgerichte (1/1)

Gefühlte Champignons.

Lukas Haberland

 Back to Metal

Wer billig kauft, kauft dreimal: Gerade ist mir beim zweiten Sparschäler innerhalb von 14 Tagen die bewegliche Klinge aus ihrer Plastikaufhängung gebrochen. Wer Sparschäler aus Kunststoff kauft, spart also am falschen Ende, nämlich am oberen!

Mark-Stefan Tietze

 Empfehlung für die Generation Burnout

Als eine günstige Methode für Stressabbau kann der Erwerb einer Katzentoilette – auch ohne zugehöriges Tier – mit Streu und Siebschaufel den Betroffenen Abhilfe verschaffen: Durch tägliches Kämmen der Streu beginnt nach wenigen Tagen der entspannende Eintritt des Kat-Zengarteneffekts.

Paulaner

 Die wahre Strafe

Verhaftet zu werden und in der Folge einen Telefonanruf tätigen zu müssen.

Fabio Kühnemuth

 Im Institut für Virologie

Jeder Gang macht krank.

Daniel Sibbe

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
02.05.2024 Dresden, Schauburg Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
03.05.2024 Mettingen, Schultenhof Thomas Gsella
03.05.2024 Stuttgart, Im Wizemann Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
04.05.2024 Gütersloh, Die Weberei Thomas Gsella