Inhalt der Printausgabe

Frankfurt  4  Hanf-Hauptstadt

Die Höhenstraße in Frankfurt-Bornheim: Wo sonst sollte das Frankfurter Stadtmarketing seine Imagekampagne »Bembel und Bubatz« launchen? Stichwort: Lokalkult(ur) meets Cannabusiness.

Sieben Mitarbeiter*innen der Stadt Frankfurt wollen den Bürgerinnen und Bürgern die Paras hinsichtlich der bevorstehenden Haschlegalisierung nehmen und ihnen die benefits einer Marihuanamainmetropole vor Augen führen. Dafür haben wir im Gepäck: Anschauungsmaterial, Infografiken, Proben von regionalen Grassorten, Fragebögen und Kekse (ohne). »Amsterdams Erbe als Cannabishauptstadt Europas antreten« – nicht weniger ist das erklärte Ziel für unsere Herzensstadt.

 

Breitenwirksame Aufklärung

Es locken Cashflow, neue Einnahmequellen und volle Kassen. Das alles soll durch ein grünes hippes neues Image erreicht werden. Auf geht’s!

Doch nicht alle Frankfurter*innen scheinen auf Anhieb begeistert, stellen wir fest, als wir in die Tram steigen: »Haut ab, ihr habt in Frankfurt nichts zu suchen!« ruft uns ein Taxifahrer entgegen. »Wir wollen keine AfD!« Wie bitte, AfD? Wir stehen doch für ein offen-flexibles Miteinander mit opportunities für alle, die das richtige Mindset haben. »Wir sind nicht von der AfD!« rufen wir also zurück.

*** Werbeunterbrechung ***

Mit einem Bürger haben wir schon gesprochen, also noch 753 055 to go! Auf der Berger Straße laufen wir direkt einem echten Bornheimer Original in die Arme: schlurfender Gang, Lockenmähne, benommener Blick, breites Grinsen, Lederjacke. Es ist TITANIC-Autor Mark-Stefan Tietze, der uns erklärt: »Weil ich die Legalisierung wollte, habe ich schon vor 40 Jahren die Grünen gewählt – bis heute vergeblich.« Zum Abschied formt er die Finger seiner rechten Hand zum Peacezeichen und winkt uns damit zu.

»Ist das echt?«
Meet & Weed an der Höhenstraße
Auch der härteste Kritiker muss am Ende einsehen: Gras rockt!
Da geht’s lang Richtung Zukunft!

 

Ein paar Meter weiter läuft ein anderer Mann die Berger Straße entlang und prangert durch ein Megaphon die Merkelregierung an. So wie wir! Mit der CDU wäre die Legalisierung undenkbar, mit der Ampelkoalition kommt sie jetzt bestimmt jeden Moment. Während wir den Stand aufbauen und die großen Plakate mit Hanfblattaufdruck an den Tischen befestigen, werden wir von ersten Interessierten belagert. »High Gude!« ruft Sebastian Maschuw und wird direkt ins Gespräch verwickelt wie ein guter Batzen Gras in ein Longpaper. »Wo muss ich unterschreiben?« tritt ein junger Mann an unseren Stand, die Proben gierig beäugend. Unterschreiben muss er gar nichts, die Legalisierung ist ja schon so gut wie eingetütet! Wir sind hier, um die Frankfurter*innen breitenwirksam zu informieren und aufzuklären. Währenddessen berichten zwei junge Männer Laura Brinkmann feixend, sie seien schon aufgeklärt genug, so viel, wie sie rauchen. Konsumieren kann ja jeder, aber eine ganze Stadt in ein dynamisches und buntes »Bahnhofsviertel light« zu verwandeln, das steht auf einem anderen Blättchen. »Man muss nicht immer so auf Lokalpatriotismus machen«, raunzt uns ein unentspannter Mittdreißiger mit Blick auf unsere T-Shirts an. »Das kommt nicht gut. ›Bembel & Bubatz‹, zeigen Sie das mal einem Briten, der versteht das gar nicht!« Wie bitte schön soll man in Frankfurt aka Bembeltown nicht wissen, dass wir so unsere kultig-klobigen Apfelweinkrüge nennen? Und spätestens seit der locker-entspannte Finanzminister Lindner Marihuana als »Bubatz« bezeichnet hat, ist dieser Begriff ja wohl im Mainstream angekommen. »It’s funny, it’s entertaining, it’s very local!« ist ein mutmaßlicher Brite kurz darauf auch very amused. Quod erat demonstrandum! Oder uff Hessisch: »Gelle, da guggsde!«

Jung. Urban. Verstrahlt.
»Na gut, überzeugt!«

 

Ein Hobbybotaniker zückt sogleich sein Handy, als er Leo Riegel sieht: »Soll ich Ihnen mal Bilder von meinen Pflanzen zeigen?« Von so viel Commitment und den abgebildeten saftig grünen Pflanzen lässt sich Riegel sofort mitreißen: Vor ihm steht das lokale One-Man-Start-up von morgen! Dem Fragebogen gegenüber zeigt es sich zuerst jedoch skeptisch, macht dann aber doch bereitwillig mit: »So ganz ernst gemeint ist das alles aber nicht, oder?« Doch, abso-fucking-lutely! Was er sich persönlich von einem starken Cannabisstandort Frankfurt erhoffe, möchten wir wissen: »Dass es billiger wird. Aber dass es nicht so ausartet wie in Thailand nach der Legalisierung. Da haben 10 000 Shops und Straßenstände aufgemacht.« Er selbst lebe die Hälfte des Jahres in Thailand. Aha. Folgerichtig gibt er auf unsere Frage »Was sollte Frankfurt noch von Amsterdam übernehmen?« die Antwort »Mehr Rotlicht«.

»Wo muss ich unterschreiben?«

Besonders stark ist das Interesse an unseren Haschproben aus lokalem Anbau. »Sind die echt?« deutet eine alte Frau auf die Gläser mit Aufschriften wie »Purple Main«, »Bernemer Kush« oder »Palmengarten XL«. Sie verrät uns auch ihre Meinung zur Legalisierung: »Es kommt drauf an, ich kenne mich da nicht so gut aus. Wenn es das Zeug ist, das süchtig macht, bin ich dagegen. Wenn es das ist, das alles heilt, finde ich das gut, dann hilft das gegen Arthrose.« Es ist das Zeug, das Frankfurt ganz nach vorne pusht, erklären wir ihr geduldig.

»Das riecht ja nach Maggi!« äußert sich eine potentielle Verbraucherin kritisch, als sie an dem Prototyp »Nordend Lights« schnuppert. Auch das »Griesheim Ganja« gibt ihr bad vibes: »Aus Griesheim nehm ich nix! Furchtbares Kaff!« Lediglich am »Feldmann Spezial« findet sie Gefallen: »Der raucht ja selber auch«, flüstert sie. »Ist ’ne coole Socke!« Doch sie selbst ist bedeutend weniger cool als der Ex-OB – als Kinder auf Fahrrädern vorbeifahren und neugierig schauen, keift sie: »Das ist nix für euch! Fahrt weiter!«

Nichts für die Kinder? Von wegen! »Die Kinder von heute sind die Kunden von morgen«, wie es in unserer Broschüre heißt. Deshalb sollen auch Workshops an Schulen angeboten werden. Die lieben Kleinen zeigen sich dann auch voll begeistert von unserem Approach. »Können wir welche von den T-Shirts haben?« fragen uns zwei Siebzehnjährige mit glasigem Blick. Leider müssen sie sich etwas gedulden, unsere Trademark-Shops werden erst in einigen Monaten überall im Rhein-Main-Gebiet eröffnen. Zum Trost bieten wir ihnen einige Kekse an, die sie überraschend euphorisch entgegennehmen. »Wir drücken euch auf jeden Fall die Daumen!« rufen sie uns kekskrümelspuckend zu, eh sie sich verkrümeln.

 

Immer mehr Menschen strömen an unseren Stand, während Julia Mateus’ Bluetoothbox die Straße mit sorgfältig kuratiertem Reggae beschallt. Doch nicht alle Cannabisfans grooven auch zu Reggae: »Ich höre vor allem AC/DC. Kennen Sie die?« sagt der Thailand- und Pflanzen-Aficionado. »Ist das nicht dieser Rapper aus Offenbach?« frotztelt Frech-Riegel und entfernt sich, ehe dem Boomer die Hand ausrutscht.

Ebenso unchillige Stimmung nebenan: »Wer das geschrieben hat, war besoffen! Nicht bekifft, weil kiffen macht schlau!« beschimpft ein Mann Paula Irmschler und wedelt ihr mit unserem Fragebogen vor der Nase herum. »Diese Fragen sind balla-balla!« Schnell notiert sich Irmschler »Frankfurt wird balla-balla« als neuen Kampagnenclaim mit Augenzwinkern und freut sich schon auf den Bonus.

Schnupperkurs für die Endverbrauchernase
»Ein Mal die Apfelweinbong zum Mitnehmen!«

 

Kiffen macht schlau – eine Lehrerin auf dem Fahrrad weiß es besser: »Kiffen ist schlecht für das Gehirn von Jugendlichen!« erklärt sie Marina Rengel Lucena. Hä? »Warum kann die Alte nicht klarkommen?« fragen sich unsere voll funktionsfähigen Denkorgane. Im Main sei außerdem Kokain gefunden worden, sagt die Spaßbremse dann, als wäre das was Besonderes.

Apropos Spaßbremse: Eine Anti-Drogen-Hardlinerin zieht Alexander Grupe beiseite und konstatiert: »Die Politiker sind eine Räuberbande! Spätestens jetzt, wo nicht nur das Saufen, sondern auch das Kiffen legal ist.« Was? Weder Bubatz noch Bembel? Wie soll man denn da die nüchterne Realität ertragen? Das findet auch eine Frau im haschgrünen Kleid: »Es wäre gut, wenn alle a bissl auf Dope wären, gerade ist ja mit dem Krieg und so alles sehr stressig. Da muss man sich nicht wundern, wenn die Leute dann irgendwann alle eine Zyankali-Kapsel schlucken.« Sie resümiert: »Da doch lieber kiffen.« Kiffen besser als Zyankali, schreibt Grupe schnell auf. Der Andrang lässt nicht nach, wie im Rausch schieben sich die Frankfurterinnen und Frankfurter an unseren Stand. Es ist der Overkill. Wir entscheiden, unsere Zelte abzubrechen, bevor die Mood kippt. Mit wenigen gekonnten Handgriffen rollen wir den Pavillon. Es wird Zeit für Teil zwei unserer Kampagne!

Hier gucken alle lustig.
»Mega Kampagne, Diggi!«
»10 Gramm von dem, bitte!«

 

Mit dem Concept »Coffeeshop im Shop« möchten wir den Frankfurter Einzelhändler*innen einen Pitch anbieten: Unter dem Claim »Grüne Lunge statt tote Innenstadt!« sollen Buchhandlungen, Pop-up-Kerzenziehereien und Feinkostläden (Eier Göttke) neben ihrem Kerngeschäft legal und flexibel ein Pot-Pourri an THC-Waren anbieten. Maschuw, Hintner und Brinkmann schreiten agil in den Weltladen und lassen unseren Flyer lässig auf den Tresen gleiten. Der Geschäftsführer ist schnell von der Darstellbarkeit des Projekts überzeugt und verspricht, den Flyer an »die Genossenschaft« weiterzuleiten. Was auch immer damit gemeint ist, das Trio ist einverstanden. Next stop: Freenet-Shop. Leider treffen wir dort auf einen Lowperformer, der versucht, uns mit zwei Schachteln Mon Chéri, denen eine Grußkarte von einem Eike beiliegt, loszuwerden. Überzeugt!

»Kiffen macht schlau!«

Die Premiumhappen snackend betreten wir eine Buchhandlung. Maschuw und der fortschrittsskeptische Besitzer beginnen ein Gespräch über Innovation, Standortstärke und die Frage, ob es sich bei unserem lokal angebauten Hasch nicht doch um Suppengrün handelt. Hintner fällt auf, dass es sich nicht lohnt, mit einem Buchhändler über überholte Konzepte zu diskutieren, und ruft: »Ich habe keinen Bock mehr, lasst uns gehen!« Dabei zwinkert er Brinkmann subtil zu. Zufrieden ob der untergebrachten Talkingpoints ziehen wir für den Recap in die Tagesbar.

 

Recap: Frankfurts Bürger*innen haben Bock – auf die Legalisierung und auf Frankfurt als Hanfhauptstadt Europas! Damit sind sie dem Einzelhandel eine Jointlänge voraus. Dieser sollte asap sein Bewusstsein erweitern. Denn der Innovationszug wartet auf niemanden und das Signallicht steht schon auf Grün. Die Thinktanker*innen von »Bembel und Bubatz« sind zufrieden, heizen schon mal die Feierabendbong vor und sagen »Bye Gude!«.

Drei zukünftige Potheads

 

 

Laura Brinkmann / Leo Riegel, Fotos: Thomas Hintner

ausgewähltes Heft

Aktuelle Cartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Huhu, »HNA« (»Hessische/Niedersächsische Allgemeine«)!

Mit großer Verblüffung lesen wir bei Dir in einem Testbericht: »Frischkäse ist kaum aus einem Haushalt in Deutschland wegzudenken.«

Och, Menno! Warum denn nicht? Und wenn wir uns nun ganz doll anstrengen? Wollen wir es denn, HNA, einmal gemeinsam versuchen? Also: Augen schließen, konzentrieren und – Achtung: hui! – weg damit! Uuuund: Futschikato! Einfach aus dem eigenen Haushalt weggedacht. Und war doch überhaupt nicht schlimm, oder?

Es dankt für die erfolgreiche Zusammenarbeit und hofft, einen kleinen Denkanstoß gegeben zu haben, wenn nicht gar einen Wegdenkanstoß: Titanic

 Damit hast Du nicht gerechnet, »Zeit online«!

Als Du fragtest: »Wie gut sind Sie in Mathe?«, wolltest Du uns da wieder einmal für dumm verkaufen? Logisch wissen wir, dass bei dieser einzigen Aufgabe, die Du uns gestellt hast (Z+), erstens der zweite Summand und zweitens der Mehrwert fehlt.

Bitte nachbessern: Titanic

 Sie, Romancier Robert Habeck,

Sie, Romancier Robert Habeck,

nehmen Ihren Nebenjob als Wirtschaftsminister wohl sehr ernst! So ernst, dass Sie durch eine Neuauflage Ihres zusammen mit Ihrer Ehefrau verfassten Romans »Der Tag, an dem ich meinen toten Mann traf« versuchen, fast im Alleingang dem darniederliegenden Literaturmarkt auf die Sprünge zu helfen. Könnten Sie sich als Nächstes das Zeitschriftensterben vorknöpfen?

Fragt Titanic

 Keine Übertreibung, Mathias Richling,

sei die Behauptung, dass die Ampel »einen desaströsen Eindruck bei jedermann« hinterlasse, denn in den vielen Jahren Ihrer Karriere, so schilderten Sie’s den Stuttgarter Nachrichten, hätten Sie es noch nie erlebt, »dass ohne jegliche pointierte Bemerkung allein die bloße Nennung des Namens Ricarda Lang ein brüllendes Gelächter auslöst«.

Aber was bedeutet das? »Das bedeutet ja aber, zu Mitgliedern der aktuellen Bundesregierung muss man sich nichts Satirisches und keinen Kommentar mehr einfallen lassen.« Nun beruhigt uns einerseits, dass Ihr Publikum, das sich an Ihren Parodien von Helmut Kohl und Edmund Stoiber erfreut, wohl immerhin weiß, wer Ricarda Lang ist. Als beunruhigend empfinden wir hingegen, dass offenbar Sie nicht wissen, dass Lang gar kein Mitglied der aktuellen Bundesregierung ist.

Muss sich dazu nichts Satirisches und keinen Kommentar mehr einfallen lassen: Titanic

 Ganz, ganz sicher, unbekannter Ingenieur aus Mittelsachsen,

dass Du Deine Verteidigungsstrategie nicht überdenken willst? Unter uns, es klingt schon heftig, was Dir so alles vorgeworfen wird: Nach einem Crash sollst Du einem anderen Verkehrsteilnehmer gegenüber handgreiflich geworden sein, nur um dann Reißaus zu nehmen, als der Dir mit der Polizei kommen wollte.

Die beim wackeren Rückzug geäußerten Schmähungen, für die Du nun blechen sollst, wolltest Du vor dem Amtsgericht Freiberg dann aber doch nicht auf Dir sitzen lassen. Weder »Judensau« noch »Heil Hitler« willst Du gerufen haben, sondern lediglich »Du Sau« und »Fei bitter«. Magst Du das nicht noch mal mit Deinem Rechtsbeistand durchsprechen? Hast Du im fraglichen Moment nicht vielleicht doch eher Deinen Unmut über das wenig höfische Verhalten des anderen Verkehrsteilnehmers (»Kein Ritter!«) geäußert, hattest Deinen im selben Moment beschlossenen Abschied von den sozialen Medien (»Bye, Twitter!«) im Sinn, oder hast gar Deiner verspäteten Freude über die olympische Bronzemedaille des deutschen Ruder-Achters von 1936 (»Geil, Dritter!«) Ausdruck verliehen?

Nein? Du bleibst dabei? Und würdest dafür sogar ins Gefängnis gehen (»Fein, Gitter!«)?

Davor hat fast schon wieder Respekt: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 3:6, 6:7, 0:6

Der Volontär in der Konferenz der Sportredaktion auf die Bitte, seine Story in drei Sätzen zu erzählen.

Ronnie Zumbühl

 Nachwuchs

Den werdenden Eltern, die es genau mögen, empfehle ich meinen Babynamensvorschlag: Dean Norman.

Alice Brücher-Herpel

 Dilemma

Zum Einschlafen Lämmer zählen und sich täglich über einen neuen Rekord freuen.

Michael Höfler

 Süße Erkenntnis

Für jemanden, der Pfirsich liebt, aber Maracuja hasst, hält die Welt viele Enttäuschungen bereit.

Karl Franz

 Hellseherisch

Morgen ist einfach nicht mein Tag.

Theo Matthies

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
01.12.2023 Hamburg, Centralkomitee Hauck & Bauer
01.12.2023 Karben, Kulturscheune im Selzerbrunnenhof Pit Knorr & Die Eiligen Drei Könige
02.12.2023 Itzehoe, Lauschbar Hauck & Bauer
03.12.2023 Kassel, Studiobühne im Staatstheater Kassel Ella Carina Werner