Inhalt der Printausgabe
1.2. Auf meine Frage an die Redaktion, ob man vielleicht die Leser befragen sollte/könnte, ob sie die Schatulle weiter im Heft haben möchten, ein entschiedenes NEIN. Heute hü, morgen hott, auf DEN LESER ist generell kein Verlass, und wo kämen wir denn da hin, den Inhalt des Heftes vom Leservotum abhängig zu machen? Alles klar. Aber was, wenn ich durch den Wegfall des Honorars – schließlich sind auch bei mir sämtliche Auftritte weggebrochen – in finanzielle Bedrängnis geriete? Dann müsse ich eben, lautet die lapidare Antwort, WIE ALLE ANDEREN AUCH Hartz IV beantragen. »Vom Starautor zum Hartzer – wie ich auf der Karriereleiter abwärts glitschte«, versucht Moritz Hürtgen einen kleinen Witz. Gut. Verstanden. Heißt: Der Countdown läuft, nach sechs Jahren macht die Intimschatulle die Schotten dicht. Ein letztes Mal Heinz Strunk ganz persönlich. Heinz Strunk stellt sich vor und meldet sich ab. Bitte stellen Sie sich vor: Heinz Strunk, 58, 1,83 Meter, friedhofsblond, nervöse Erscheinung, Narben. Bitte stellen Sie sich weiter vor: »Hobbykoch, Hamburg, aktiv, reiselustig.« Bitte stellen Sie sich weiter vor: »Automobilist seit 1986 (unfallfrei), Leseratte, Interesse an schönen Dingen.« Bitte stellen Sie sich weiter vor: »Gut gelaunt, gerne auch obenrum.« Traum: Senior Ninja Warrior alte Herren Germany.
2.2. Letzte Mission der Schatulle: Belastendes Material gegen Kleinkünstler Marc-Uwe Kling zusammentragen, der große Schlag, der ihm GRÜNDLICH die Lust verdirbt, jemals wieder etwas zu »machen«. Stichwort gründlich, fangen wir ganz von vorn an, beim Namen: Marc-Uwe. Bescheuerter »Sound«. Nachname: Kling. Schmidt. Schulz. Voss. Kling: einsilbig und glanzloser, wie es kaum mehr geht. Das sagt der Richtige, mögen erbitterte Fans des Markenzeichen Baskenmützenträger (Leute mit Markenzeichen haben generell einen an der Waffel) ungefragt losplärren. Doch Obacht: Ich habe einen sehr schönen, geradezu aristokratisch anmutenden Namen, den ich jedoch aus Gründen (Schufa-Angst) geheim halten muss.
3.2. Gelesen in Max Beckmanns Tagebüchern 1940-1950
- Mir ist alles einerlei – Leben oder Tod – immer aussichtslos solange wir nichts Endgültiges wissen.
- Munch ist gestorben – wann komme ich –, er hat tüchtig lange ausgehalten.
- Wanderlust durchfegt meine Seele und aufbäumt törichte Lebenslust den Gaumen des Lebens.
4.2. Sinnlose Berufe: Getränkehändler. Fremdsprachenkorrespondent. Bankkaufmann.
5.2. Alltagsfrage: Können Menschen mit kurzem Hals eigentlich schlechter schlucken? Abends die Psalmen gelesen. Allein die Stimme Gottes in der Tiefe deiner selbst kann dich leiten, aber oft schweigt sie.
6.2. Tag des Büchsenmeisters. Kunst, die bleibt: Rügener Zentral Pagode. Veddeler Runddom. Gunhartshausener Schleuse.
7.2. Karriereschatulle: Bist du der Regisseur oder der Zuschauer deines Lebens? / Kunden: Jeder möchte sie, die wenigstens haben sie / Impuls des Tages: Sprenge deine Grenzen
8.2. Tag des Leinewebers. Auf Bibel-TV Gnadenstunde der Barmherzigkeit. Erkenntnis: Gott hält seine Hand auf. Auch über der Schatulle. Die Schatulle ist so etwas wie die Bibel der Jetztzeit (Gegenwart): dick und durstig.
9.2. Sinnlose Berufe: Bergsteiger. Physiognom. Fremdenführer.
10.2. M-U Kling 2. Kommen wir zum Eingemachten, dem »Werk«. Sein aktuelles Schwachsinnsbuch »Das Neinhorn« ist lediglich 48 Seiten stark (für 13 Euro schon mal eine bodenlose Frechheit) und basiert auf genau einer, noch dazu allenfalls mittelmäßigen Idee (ein kleines, bockiges Einhorn sagt zu allem und jedem immerzu »nein«, deshalb NEINHORN). Hahaha, dreimal laut gelacht! En passant: Bei mir käme eine derartige Idee nicht mal in die engere Auswahl, mein ganzer Body (Body&Soul) würde sich dagegen sträuben, zucken, schamschwitzen.
Seine zweite (zentrale) »Idee« ist die einer Wohngemeinschaft eines Freaks (M-U Kling höchstselbst) mit einem kommunistischen Känguru. Schon mal sehr schwach. Lassen wir drei typische Leser bzw. Hörer (Amazon-Rezensionen) zu Wort kommen:
»Für mich sind diese 3 Hörbücher das Ultimum an Humor und wenn ich schlecht drauf oder genervt bin, hau ich die CD rein und bis jetzt hat es das Beuteltier immer geschafft, meine Stimmung zu heben.«
»Marc-Uwe Kling jongliert mit Gedanken, skurril, witzig, pointiert, menschennah und politisch … zumindest denkwürdig. Er beschreibt eine zutiefst realistische und coole Männerfreundschaft zu einem Känguru.«
»Sie streiten und sie lieben sich, alles gespickt mit bissigen Kommentaren und Anspielungen, die einem schon mal die Lachtränen in die Augen treiben. Die beiden erleben wieder viele Abenteuer miteinander und man ist direkt enttäuscht, wenn die letzte CD vorbei ist.«
Alles klar, würde ich mal sagen, herzlichen Glühstrumpf für so eine hippe Leserschaft und schönen Gruß an die Eltern!
Den »Roman« Quality Land habe ich nicht gelesen (keine Zeit). Wie ich höre, auch sehr schlecht, peinliche Zivilisationskritik, aber geht fairnesshalber nicht in die Bewertung ein.
11.2. Abends TV, Fernsehfilm der Woche (ZDF): »Ein Imker unter Inkas«. Charly Hübner ist DER IMKER. Spannend. Emotional.
12.2. Schlagzeilen des Tages (Auswahl): EISBERG ERSCHLÄGT DEUTSCHE RENTNER // MOBIL-GRIECHIN FÜHRT ALLE AN DER NASA HERUM // BRITISCHES INSTAGRAM-MODELL LANDET IN THAI-KNAST // TV-AUSWANDERERIN HAT PLÖTZLICH KEINEN GEHIRN-TUMOR MEHR
13.2. Tag des Weißgerbers. Schatulle für Kinder: Schnupfwespen und Keuchbienen (Kinderbuch, ungefähr ein Lichtjahr besser als das Neinhorn).
14.2. Serviceschatulle, lebensoptimierende Maßnahmen:
- Im Restaurant auf dem Tisch ein Schild aufstellen: Wir wünschen während des Essens nicht durch Nachfragen à la »alles in Ordnung?/Schmeckt’s?/Alles recht?« gestört zu werden.
- Schaffen Sie sich einen Vierschlitztoaster der Marke Kitchen-Aid an. Sobald Sie die Scheiben in den Toaster getan haben, senken sich die Heizstäbe automatisch ab und kommen nach dem Bräunungsvorgang automatisch wieder hoch. Falls Sie dann die Scheiben nicht entnehmen, senken sich die Heizstäbe nach 30 Sekunden abermals ab, um drei Minuten in der Warmhalteposition zu verbleiben, bevor die Scheiben endgültig freigegeben werden. Clever!
- Am Toilettenpapier zu sparen heißt am falschen Ende zu sparen.
- Kaffeezubereitung vermittels einer hochwertigen French-Press ist zwar ein kostspieliges Vergnügen (z.B. 315 Euro bei Wohnkonzept), das Gerät hält bei guter Pflege jedoch ein ganzes Leben.
15.2. Tagsüber sehr dünner Nieselregen. Geile Namen: Lennox Balthasar, Marco Käse, Tobias Schüttgeier, Lutz Schildkröt, Matthias Weißmehl, Ronald Penner (Gerichtsvollzieher), Sebastian Düngemittel, Natalie-Savanna Schmidt. Sinnlose Berufe: Virologe, Rautenforscher, Orientale.
16.2. In-&-Out-Liste Januar.
IN: Haltungsstark sein. Die Firmen Autopolsterei Muhs und Planenmuhs im Storchendorf Linum. Veganer Patty Kelley (erstaunlich gut). Über den Blitz: »Den Schläfer weckt er auf und den Fresser schlägt er tot«. Die Biografie von Leo DiCaprio: Zwischen Hölle und St. Barth.
OUT: Der Begriff humussexuell (bemüht). Elton, Otto, Bully – Männer, die nur aus Vornamen bestehen, sind gefährlich. Der peinliche Verhörer Vergewaltigungsangestellte (statt Verwaltungsangestellte). Dümmliches Zitat von Funphilosoph Richard David Precht: »Die Jungen wollen sich gerne bewegen, die Alten mögen sich nicht mehr bewegen« – erzähl mal was Neues, Meister »Brain«!
17.2. Tag des Münzmeisters. Groteske Erscheinungen: Jens Riewa, Susanne Daubner, Judith Rakers (alle Tagesschau).
18.2. Heute nichts.
19.2. Sinnlose Berufe: Barista, Helmformer, Transiteur.
20.2. Slogans zur freien Verfügung (bitte zugreifen): Klempnerei Tisch – damit Ihr Sideboard nicht aussieht wie ein Tisch (oder umgekehrt)
21.2. Tag des Heizers. Sinnlose Berufe: Akner. Kostprobler. Probst. Abends Lange Nacht des Analogkäses (N24).
22.2. M-U Kling 3: So hatte man sich den durchschnittlichen M-U Kling-Fan allerdings auch vorgestellt: Halblinke, angeprollte, humorlose Spießer, die mit Ende 30 noch in Loser-WGs wohnen. Vor Betreten der Wohnung werden Besucher aufgefordert, die Schuhe auszuziehen. MUK-»Leute« in weiteren Stichworten:
- Nehmen ihre Fahrräder mit in den Urlaub (Dachgepäckträger).
- Schmuddelig, unsauber, vergoren, da sie (wie ihr großes Vorbild) nur unregelmäßig duschen (wg. Säurehaushalt).
- Gefühlig, weinen schnell und viel. Musik: Max Giesinger, Lea, James Blunt, Fantasy-Metal, Bücher: Fitzek, Rowling, Tim Mälzer, Harald Lesch.
- Hundehalter, Trödelfans, Katzenvideos.
- Verschwörungsdemos.
Weiter (Achtung, jetzt wird’s richtig witzig): »Marc-Uwe Kling heißt eigentlich Wimclan Gurke. Er hat nur die Buchstaben seines Namens durcheinandergebracht. Das ist aber kein Wunder, ist er doch von Beruf Buchstabendurcheinanderbringer.« Öde oder öde? Weitere belastende Titel aus MUKs »Oeuvre«:
- Der Tag, an dem der Opa den Wasserkocher auf den Herd gestellt hat
- Prinzessin Popelkopf
- Der Tag, an dem Oma das Internet kaputt gemacht hat
23.2. 1) Tag des Tuchhändlers. 2) Immer wieder geil – Peter Sloterdijk. Über Budapest: »Nirgendwo sonst in Europa sieht man so viele Frauen mittleren Alters, an denen die Einladung zur Erotisierung ihrer Erscheinung so spurlos vorübergegangen ist.« Über Amerika: »Die Vergessenen sind jene US-Amerikaner, die während der großen Depression der dreißiger Jahre in die Sowjetunion ausgewandert sind. Es sollen einige Zehntausende gewesen sein. Dort hatten sie ihre Rolle als nützliche Idioten des Systems nach wenigen Jahren zu Ende gespielt.« Über Menschen (in der Coronakrise): »Menschen sind Wesen, die auf Besuch angelegt sind.«
24.2. Schnaps.
25.2. Was zum Schluss noch rauskommt: Die Rubrik »Intimschatulle« wurde redaktionsintern »Gast (TITANIC) mit Spast (Schatulle)« genannt. Lacher (redaktionsintern) garantiert.
26.2. Sinnlose Berufe: Zauberer, Akrobat, Hufschmied.
27.2. M-U Kling 4: Darüber (worüber eigentlich?) hinaus ist er Teil der Arbeitsgruppe Zukunft, einer Art Kabarettformation, in der Kling die Position des Superintendent of Soft Content (haha) einnimmt. Über AGZ ist folgendes zu erfahren: »Die AGZ arbeitet konstant an dem nächsten besten Album, das jemals eine Band im ganzen Universum – und in allen bekannten Paralleluniversen – erschaffen hat … Ist die Zukunft eigentlich schon da? / Zukunft beginnt auch im nächsten Jahr nicht / Zukunft wird ein Viertel teurer als geplant … Es ist eine Lüge, dass Marc-Uwe Kling nur drei Gitarrenakkorde beherrscht. Es gibt niemanden, der mehr Gitarrenakkorde beherrscht als er!«
Und so weiter. Unendlich trostlos. Kleinwagen, Kleingarten, Kleingedrucktes, alles was klein und doof ist. Falls MUK diese (lieb gemeinten) Zeilen liest und noch einen Funken Anstand besitzt, müsste er sich entschuldigen und seinen Kleinstkunstbetrieb unverzüglich einstellen.
28.2. Das war’s. Danke allen Lesern für sechs Jahre Wahnsinn! Die Schatulle sagt Servus, Goodbye und bis nie!
Nach Notat im Bett.