Inhalt der Printausgabe

»Rechtsbeugung vom Feinsten!«

Deutschlands Justiz vor dem Google-Gericht

Die nimmermüde Google Community richtet über alles, was ihr vor die Nase kommt (siehe TITANIC 07/16 und 08/17). Doch wie steht es um jene Institutionen, in denen manch ein User schon selbst gerichtet wurde, unsere Justizbehörden? Titanic beurteilt für Sie die Urteile der Beurteilten.

»Was will man über ein Gericht schon sagen?« fragt User Daniel nicht zu Unrecht. Justitia waltet mit verbundenen Augen. Das im Netz Geschriebene dürfte ihr herzlich egal sein.

Doch soll das die Nutzer davon abhalten, ihre Stimme zu erheben und die (eigene) Wahrheit und nichts als die Wahrheit in die Google-Spalten zu tippen? Keineswegs!

Unter den Einträgen von Deutschlands Land- und Amtsgerichten wird fleißig bewertet, gerichtet und abgewogen. Und das stets mit Augenmaß, wie schon ein flüchtiger Blick in die Kommentare verrät: »Vorurteilsbehörde!«, »Gauklerfest«, »Deppenverein«, »Schlecht zu parken«, »Möge Gott diese Richterin bestrafen«, »Kriminelle Staatsanwälte siehe RTL Bericht!!!«, »Das ist kein Gericht, das ist ein Gerücht«, »Da stinkt’s nach Amtsschimmel!!!«, »Rechtsbeugung vom Feinsten«, »Richtige Müllmenschen«, »Hier habe ich die schlechtesten Buletten meines Lebens gegessen«. Nun gut, bei genauer Betrachtung fehlt es hier und da womöglich doch an Ausgewogenheit. Doch geben wir so schnell nicht auf! Was kann beispielsweise Markus Nägele vom Amtsgericht Krefeld berichten? »Ein Obdachloser hat heute vor die Eingangstüre gekotet!! Das interessiert aber anscheinend niemanden.« Stimmt, setzen! Nächster Zeuge: Big Boss Skillz, Amtsgericht Kiel: »Im Großen und Ganzen sehr zufrieden. Nettes Personal, Prozess gewonnen aber leider Toiletten in miserablem Zustand (…) Deshalb nur einen Stern.« – Manch einer hätte dem gewonnenen Prozess wohl mehr Gewichtung beigemessen, aber gut. Könnten wir uns statt der Klo-Gutachten nun aber den juristischen Inhalten zuwenden? Leider nein. »Das Urteil (…) ist höchstens zum A… abwischen geeignet«, schreibt ein User namens Gutachten zum Arschabwischen. Genug jetzt!

Vielleicht könnten wir ja mal etwas über die Verbrechen der User erfahren. »Mich hat man angeklagt, weil ich auf dem Luisenplatz mit einem LKW einen Ast beschädigt haben soll« schreibt Angelo Todisco über das Amtsgericht Wiesbaden. Na also, geht doch! Amirez Akhi schreibt: »Anscheinend habe ich was bei Otto bestellt und nicht gezahlt . Bin aber 100 Prozent sicher, dass ich nie etwas bestellt habe.« Puh, schreiben die anderen Nutzer nicht über ihre Vergehen, weil die alle so strunzlangweilig sind? Mike Spike lässt zumindest erahnen, worum es in seinem Fall ging: »Außerdem werden auch Menschen bestraft, weil sie öffentlich eine andere Meinung zur Geschichtsschreibung haben, was das Dritte Reich und den Nationalsozialismus betrifft.« Oha! Derartige »andere Meinungen« sind nicht selten bei den Google-Richtern zu finden, so auch bei Maria-Theresia Erley: »Ein Amtsgericht Passau gibt es seit spätestens 18.07.1990 nicht mehr. (…) Die vorgetäuschten Gerichtsverhandlungen sind eine Show und rechtsungültig. Vom IGH wurde 2013 die Staatssimulation der nicht mehr existierenden BRD, die de jure erloschen ist, öffentlich bestätigt.« Hier haben wir es mit einem klaren Fall von Justizversagen zu tun. Wie sonst kann es sein, dass das Urteil des IGH in sieben Jahren noch nicht vollstreckt und das angebliche Passauer Gericht geräumt wurde? Auch das Amtsgericht Berlin-Tiergarten wird in Frage gestellt. Marco Tsubasa: »Es ist davon auszugehen, dass es sich hier um ein Scheingericht handelt« und der fügt erläuternd hinzu: »Scheingerichte sind nicht zulässig.« Björn Hansen belastet das besagte Scheingericht zusätzlich: »Hier bekommt man nur recht, wenn man genug Kohle mitnimmt oder in gewissen Freimaurerlogen verkehrt.« Auch das Amtsgericht Magdeburg scheint mit Vorsicht zu genießen zu sein. Darauf lässt aciemillers Bewertung schließen, die er in indirekter Rede verklausuliert: »Hatte grad eine ›Verhandlung‹ als ›Beklagter‹ gegen die staatlich korrupt geförderte Vermietung ›Strategis AG/Kauri Cab‹, ähnliche wie ›Deutsche Wohnen‹ in Berlin, wo CDU-Politiker ›Friedrich Merz‹ als Chef ›arbeitet‹ (…) Mein ehemaliger ›Anwalt‹ war nachweislich daran interessiert gewesen, mich in den Ruin zu treiben. Mit Erfolg.« Immerhin eine Erfolgsgeschichte, das wurde auch Zeit! Von Erfolg wird sicher auch der User mit dem Namen Mr. Lucky beim Landgericht Kassel berichten können: »Keine Gerechtigkeit« (ein Stern). Oh, dann wohl doch eher »Mr. Not-So-Lucky«.

Eine Besucherin des Amtsgerichts Rostock beschränkt ihre Ausführungen hingegen nüchtern auf das verhängte Urteil: »Verurteilt zu 2 Jahren Knast.« Arthur Müller traf es da am Landgericht Hannover härter: »Dort gefiel es mir nicht besonders gut, da es im Gerichtssaal sehr warm war und ich zu 3 Jahren Haft verurteilt wurde.« Immerhin 2 von 5 Sternen, trotz Verurteilung und überhitztem Saal! Hier wird zumindest versucht, einen Rest Objektivität zu wahren. Daran sollten sich andere ein Beispiel nehmen.

Wem bei all den negativen Bewertungen Zweifel an unserer Justiz kommen sollten, dem seien einige entlastende Plädoyers entgegengehalten. »FREISPRUCH!!! Ihr seid die besten!« jubelt Popcorn Gremlin dem Amtsgericht Kiel zu (5 Sterne). Astor Citizen weiß außerdem, dass es den leckersten Kaffee Stuttgarts im Landgericht gibt: »Da werden manche Cafés neidisch!« Toll, wen interessieren da noch die Verhandlungen! Unter anderem Schaulustige wie Arbo Arbsen: »Letzte Woche eine großartige öffentliche Verhandlung angeschaut. Viel Geschrei, etliche Zeugen, wie ein Krimi. Komme gern wieder. PS: Bringt was zu essen mit. Ist erlaubt.« Dabei ist oft weder für Geschrei noch Essen Zeit. »Innerhalb von 10 Minuten geschieden worden, was will man mehr ?« – Anna Knopp, Landgericht Dresden. Und das Scheingericht Berlin-Tiergarten scheint immerhin architektonisch zu überzeugen. »Beeindruckendes Gebäude« schreibt George Snijder, sät dann aber Zweifel an der eigenen Glaubwürdigkeit: »Schade, dass ich gar keine Ahnung von Architektur habe.« Zum Glück bekräftigt Norman Stinson seine Aussage: »Architektur ist schon großes Kino. Warum viele meckern, dass sie hier nur bestraft werden und Geld zahlen müssen, verstehe ich nicht. Ich kriege monatlich Geld von denen!« Das wirft Fragen auf.

Doch an dieser Stelle müssen wir die Beweisaufnahme im Anbetracht der schier unendlichen Zeugenaussagen leider schließen. Wir wägen unser Urteil aufgrund der hervorgebrachten Äußerungen ab, erklären die Google-Community für unzurechnungsfähig und verweisen sie wegen groben Unfugs auf alle Zeiten sämtlicher Bewertungsportale.

Als Verbraucher sollten Sie dennoch bei der Wahl des Gerichts achtsam sein. Von Scheingerichten und »Justizdarstellern« in »lustigen Roben« (Thomas Behl) raten wir ausdrücklich ab.

Wir schließen die Sitzung mit einem Zitat von User Oliver Stotz, das zeigt, dass es bei aller bierernsten Juristerei den Humor nicht zu verlieren gilt: »Gerechtigkeit hahahahahaha«.

 

Leo Riegel

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Briefe an die Leser

 Mahlzeit, Erling Haaland!

Mahlzeit, Erling Haaland!

Zur Fußballeuropameisterschaft der Herren machte erneut die Schlagzeile die Runde, dass Sie Ihren sportlichen Erfolg Ihrer Ernährung verdankten, die vor allem aus Kuhherzen und -lebern und einem »Getränk aus Milch, Grünkohl und Spinat« besteht.

»Würg!« mögen die meisten denken, wenn sie das hören. Doch kann ein Fußballer von Weltrang wie Sie sich gewiss einen persönlichen Spitzenkoch leisten, der die nötige Variation in den Speiseplan bringt: morgens Porridge aus Baby-Kuhherzen in Grünkohl-Spinat-Milch, mittags Burger aus einem Kuhleber-Patty und zwei Kuhherzenhälften und Spinat-Grünkohl-Eiscreme zum Nachtisch, abends Eintopf aus Kuhherzen, Kuhleber, Spi… na ja, Sie wissen schon!

Bon appétit wünscht Titanic

 Endlich, »ARD«!

Seit Jahren musst Du Dich rechtfertigen, weil Du immer wieder die NS-Enthusiast/innen von der AfD zu Kuschelkursinterviews einlädst und ihnen eine gebührenfinanzierte Plattform bietest, damit sie Dinge verbreiten können, die sich irgendwo zwischen Rassenlehre und Volksverhetzung befinden. Aber jetzt hast Du es den Hatern endlich gezeigt und AfD-Anführer Tino Chrupalla in das härteste Interviewformat ever eingeladen: »Frag selbst«, das freaky Social-Media-Format von der Tagesschau, das schon Olaf Scholz mit knallharten Fragen à la »Wann Döner wieder drei Euro?« niedergerungen hat. Wir sind uns sicher: Besser als mit einem Kartoffelranking auf dem Twitch-Kanal der Tagesschau kann die AfD gar nicht entlarvt werden!

Legt schon mal die Chips bereit: Titanic

 Hello, Herzogin Kate!

Hello, Herzogin Kate!

Ihr erster öffentlicher Auftritt seit Bekanntmachung Ihrer Krebserkrankung wurde von der Yellow Press mit geistreichen Überschriften wie »It’s just Kate to see you again« oder »Kate to have you back« bedacht.

Und bei solchen Wortspielen darf unsereins natürlich nicht fehlen! Was halten Sie von »Das Kate uns am Arsch vorbei«, »Danach Kate kein Hahn« oder »Das interessiert uns einen feuchten Katericht«?

Wie immer genervt vom royalen Kateöse: Titanic

 »Welt«-Feuilletonist Elmar Krekeler!

»Friede eurer gelben Asche, Minions!« überschrieben Sie Ihre Filmkritik zu »Ich – einfach unverbesserlich 4«. Vorspann: »Früher waren sie fröhliche Anarchisten, heute machen sie öde Werbung für VW: Nach beinahe 15 Jahren im Kino sind die quietschgelben Minions auf den Hund gekommen. Ihr neuestes Kino-Abenteuer kommt wie ein Nachruf daher.«

Starkes Meinungsstück, Krekeler! Genau dafür lesen wir die Welt: dass uns jemand mit klaren Worten vor Augen führt, was in unserer Gesellschaft alles schiefläuft.

Dass Macron am Erstarken der Rechten schuld ist, wussten wir dank Ihrer Zeitung ja schon, ebenso, dass eine Vermögenssteuer ein Irrweg ist, dass man Viktor Orbán eine Chance geben soll, dass die Letzte Generation nichts verstanden hat, dass Steuersenkungen für ausländische Fachkräfte Deutschlands Todesstoß sind und dass wir wegen woker Pronomenpflicht bald alle im Gefängnis landen.

Aber Sie, Elmar Krakeeler, haben endlich den letzten totgeschwiegenen Missstand deutlich angesprochen: Die Minions sind nicht mehr frech genug. O tempora. Titanic

 Wie kommt’s, »Krautreporter«?

In einem Artikel zum Thema »Konkurrenz im Job« stellst Du die These auf: »Konkurrenz ist nicht so verpönt wie ihr Ruf.« Aber warum? Was hat der Ruf der Konkurrenz denn bitte verbrochen? Womit hat er seinem Renommee so geschadet, dass er jetzt sogar ein schlechteres Image hat als die Konkurrenz selbst? Und weshalb verteidigst Du in Deinem Artikel dann nur die Konkurrenz und nicht ihren Ruf, der es doch viel nötiger hätte?

Ruft Dir fragend zu:

Deine genau im gleichen Ausmaß wie ihr Ruf verpönte Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Dialog auf Augenhöhe

Zu meinen Aufgaben als Marketingexperte in einem modernen Dienstleistungsunternehmen gehört es unter anderem, unzufriedene Kunden zu beschwichtigen. Vor kurzem beschwerte sich einer von ihnen darüber, dass wir in unseren Texten immer dieselben Bausteine verwenden. Die Mail ließ mich ganz irritiert zurück. Ein Glück, dass wir für genau solche Anfragen gleich fertige Antworten haben.

Andreas Maier

 Der kästnerlesende Bläser

Es gibt nichts Gutes
außer: Ich tut’ es.

Frank Jakubzik

 Liebesgedicht

Du bist das Ästchen,
ich bin der Stamm.
Du bist der Golo,
ich Thomas Mann.
Du bist Borkum,
ich bin Hawaii.
Du bist die Wolke,
ich bin gleich drei.
Du bist das Würmchen,
ich bin das Watt.
Du bist die Klinke,
ich bin die Stadt.
Du bist das Blättchen,
ich jetzt der Ast.
Sei still und freu dich,
dass du mich hast.

Ella Carina Werner

 Der kästnerlesende Kniebeuger

Es gibt nichts Gutes
Außer man Glutes.

Sebastian Maschuw

 Feuchte Träume

Träumen norddeutsche Comedians eigentlich davon, es irgendwann mal auf die ganz große Buhne zu schaffen?

Karl Franz

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
03.08.2024 Kassel, Caricatura-Galerie Miriam Wurster: »Schrei mich bitte nicht so an!«
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04.08.2024 Frankfurt/M., Museum für Komische Kunst »F. W. Bernstein – Postkarten vom ICH«
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