Inhalt der Printausgabe
Vor einigen Wochen mussten die Boy Scouts of America Insolvenz anmelden. Der Grund: Entschädigungszahlungen an Hunderte ehemalige Mitglieder wegen sexuellen Missbrauchs. Wer hätte ahnen können, was passiert, wenn man wunderliche Männer mit einer Gruppe autoritätshöriger Pubertierender tagelang allein im Wald lässt?
Doch gerade jetzt werden Pfadfinder gebraucht! Neue Abzeichen (merit badges) sollen die Scouts in der Krise zu frischer Stärke motivieren.
Schnapp-schnapp, hurra! Wer 100 Coupons ausgeschnitten hat, kann sich hiermit schmücken und fortan den anderen zeigen, dass sich Durchhaltevermögen auszahlt – und die Fruchtriegel fürs nächste Biwak-Wochenende auch mit 20% Rabatt zu bekommen sind. Die nächste Stufe erreicht man übrigens nach dem Einlösen von 100 Lebensmittelmarken.
Ein guter Pfadfinder pirscht sich mit Geschick und List an seine Beute heran, sei es ein Opossum im Stadtpark oder die Tasche einer unkonzentrierten Rentnerin auf dem Erzeugermarkt. Zur Zeit mag ein Loch in der Vereinskasse klaffen, aber womöglich auch im Rucksack eines gutbetuchten Jamboree-Besuchers ...
Unerschrockene Troops wagen sich in die aufregendsten Gegenden vor, zum Beispiel in die Hinterhöfe leerstehender Videotheken oder das öffentliche WC des Busbahnhofs. Dort gibt es teils großzügige Spenden für good old fashioned Handarbeit. Nächstenliebe ist eine Tugend – und beschert dieses begehrte Abzeichen.
Dieses Symbol steht für die altehrwürdige Kulturtechnik des Prospecting. Zogen die Hosenträger-Haudegen des Gold-Rushs noch mit Spitzhacke und Waschsieb durch den Wilden Westen, geht die Spürnase von heute mit einem Metalldetektor auf die Jagd nach Elektronikschrott, Stahl-Feuerzeugen und allem, was Geld aufs Konto spült.
Mit Homosexuellen hat sich der Verband lange Zeit schwer getan. Damit soll jetzt Schluss sein. Das Mike-Pence-Memorial-Badge darf sich jeder annähen, der fünf Anwärter »vom anderen Ufer« rekrutieren konnte – natürlich nicht, ohne sie vorher zur Konversionstherapie geschickt zu haben.
Torsten Gaitzsch, Illustration: Leo Riegel