Inhalt der Printausgabe

»Eine hervorragende Idee – aber ist das denn legal?«

Wenn deutsche Maulhelden einen Marschbefehl erhalten

Mit wachsender Begeisterung beobachtete ein Oberst Sascha Bott vom Grenzschutzkommando Ost, wie in den letzten Wochen immer mehr ­Deutsche des gehobenen Bildungsbürgertums die sog. »Gemeinsame Erklärung 2018« unterzeich­neten. Sie bekundeten so ihre Solidarität mit all denen, die sich gegen eine Beschädigung Deutschlands »durch die illegale Masseneinwanderung« und für »die rechtsstaatliche Ordnung an den ­Grenzen unseres Landes« einsetzten.

Doch so real die bloß herbeischwadronierte ­Beschädigung Deutschlands und Unordnung an den deutschen Grenzen, so echt war auch jener Oberst Sascha Bott. Was ihn aber nicht daran hinderte, zwei Erstunterzeichner der Erklärung telefonisch mit einer »hervorragenden Idee« zu überraschen. Und dann noch ein paar andere aus dem akade­mischen Fußvolk anzurufen, um ihnen zu zeigen, wie leicht man sich von einem gratismutigen ­Unterschriftenleister in einen echten Grenzschützer verwandeln kann!

»Wenn es darum geht, einen Notstand zu beheben – wie bei einer Flutkatastrophe …«

Anruf von

Matthias Matussek,

Sechstplazierter auf der Liste der 31 Erstunterzeichner

Vielen Dank für den Rückruf, Herr Matussek. Es geht um die Erklärung 2018. Also, ich bin von Beruf Grenzer. Zwar nicht im operativen Geschäft direkt an der Grenze tätig, sondern im Innendienst, Fachbereich Personal. Uns obliegt es, die Überwachung der deutschen Außengrenzen personell zu stemmen, und da muß ich Ihnen ja nicht sagen, was da los ist. Wir müssen 7500 Kräfte heranschaffen, und das ist auf die Schnelle ein Problem. Ich hab die Erklärung ja auch unterschrieben – und da kam mir diese Idee: Könnte man nicht alle Unterzeichner dazu auffordern, unseren chronisch unterbesetzten Grenztruppen ganz konkret unter die Arme zu greifen?

Wie soll das funktionieren?

Indem ich alle Unterzeichner anrufe und sie darum bitte, für ein Wochenende, jetzt im Mai zum Beispiel, an der Grenze einen aktiven Hilfsdienst zu schieben. Oder zu Pfingsten oder zur Urlaubszeit. Wir würden dann alle Interessenten ausstatten mit den rudimentären Sachen, die ein Grenzer so braucht: also eine Dienstmütze, eine Armbinde, eine Kelle. Und dann würden die eben vor Ort auch mal jemanden rauswinken dürfen, einen Kofferraum durchsuchen, Pässe kontrollieren.

Ja, das ist eine charmante Idee. Aber ist das denn legal? Kann eine Privatperson für hoheitliche Aufgaben einfach so herangezogen werden?

Da bin ich nicht Jurist genug, das zu beantworten. Aber wir machen heute im Fachbereich einen Workshop dazu, und da werde ich meine Idee präsentieren. Ich wollte das nur vorher auch mit den Erstunterzeichnern der Erklärung abgeklärt haben.

Ich finde die Idee hervorragend. Und sie wäre auch sehr öffentlichkeitswirksam. Aber klären Sie das heute doch noch einmal mit Ihrem Workshop, ob da auch ein Jurist dabei ist. Ich glaube nicht, daß das so ohne weiteres geht.

Man kann die Leute ja auch Noteide leisten lassen. Dieses Instrument gibt es ja.

Ja klar, wenn Gefahr im Verzug ist und so. Aber das können, glaube ich, nicht einfach private Leute machen.

Nun, ich habe mir gedacht, daß gerade bei den Unterzeichnern grundsätzlich so bereite Leute sind, daß sie auch auf eigene Gefahr einrücken. Das heißt, daß wir da auf Versicherungsfragen zum Beispiel keine Rücksicht nehmen müssen – so wie jemand, der auf eine Demonstration geht, sich dafür ja auch nicht extra versichert.

Ich glaube, das stellen Sie sich zu einfach vor. Da sind alle möglichen juristischen Fragen tangiert. Klären Sie das doch noch einmal in Ihrer Gruppe, und ich werde das auch einmal mit einem Anwalt klären.

Wären denn auch Sie als – ich sage mal – prominentes Gesicht bereit…

… die deutsche Grenze zu schützen? (lacht)

Ja, es geht ja darum, Bilder zu liefern, um auch weitere Unterzeichner zu ermutigen.

Und der Personalstand bei Ihnen ist so, daß Sie allein die Grenzen gar nicht mehr kontrollieren können, oder wie?

Wie es weitergeht...

 ... lesen Sie nur in der aktuellen Mai-Ausgabe der TITANIC, die Sie am Kiosk oder online als Printheft oder PDF erstehen können. Und bitte nehmen Sie auch unser App- und Abo-Angebot zur Kenntnis!

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Heftrubriken

Briefe an die Leser

 LOL, Model Anna Ermakova!

Im Interview mit der Süddeutschen Zeitung verrieten Sie Ihre sprachlichen Ambitionen: »Ich möchte unbedingt lernen, Witze auf Deutsch zu machen. Ich will die Leute zum Lachen bringen, ohne dass sie nur über mich lachen«. In Deutschland fühlten Sie inzwischen »eine solche Wärme«.

Der war schon mal gut!

Loben die Witzeprofis von Titanic

 Standhaft, brandenburgischer CDU-Landesvorsitzender Jan Redmann!

Sie wurden mit 1,3 Promille Atemalkohol auf einem E-Scooter erwischt und entsprechend zu einer Strafe verdonnert. Daraufhin gaben Sie zu Protokoll, zu »diesem Fehler zu stehen« und die »Konsequenzen, insbesondere die Strafe« zu tragen. Das ist ja geradezu heldenhaft. Wir waren davon ausgegangen, dass Sie den Inhalt des Polizeiberichts leugnen, den Staat um die Strafzahlung prellen und sich ins Ausland absetzen würden.

Hätte dann vielleicht sogar Sympathie für Sie entwickelt: Titanic

 Mmmmmh, Iglo-Freibad-Pommes!

Ihr seid ein neues Tiefkühlprodukt, das in diesem Sommer vom grassierenden Retro- und Nostalgietrend profitieren möchte. Daher seid Ihr derzeit auf den großen Plakatwänden im Stadtbild vertreten, und zwar garniert mit dem knusprigen Claim: »Das schmeckt nach hitzefrei«.

Aber schmeckt Ihr, wenn wir uns recht erinnern, nicht ebenfalls nach einem kräftigen Hauch von Chlor, nach einem tüchtigen Spritzer Sonnenmilch und vor allem: nach den Gehwegplatten aus Beton und der vertrockneten Liegewiese, auf welchen Ihr regelmäßig zu Matsch getreten werdet?

In jedem Fall bleibt es Euch weiterhin verboten, vom Beckenrand zu springen, schimpft Eure Bademeisterin  Titanic

 Huhu, »Tagespost«, Würzburg!

Du bist die einzige überregionale katholische Wochenzeitung in Deutschland und freust Dich in einem Kommentar, dass die Deutsche Bischofskonferenz die spektakuläre Eröffnungszeremonie der Olympischen Spiele in Paris verurteilt, weil auch sie in dem dort veranstalteten Bacchanal eine Abendmahlparodie gesehen haben will. Du hältst es jedoch für überflüssig, dass die Bischöfe dabei meinen, »zur Rechtfertigung ihrer Kritik auf die religiösen Gefühle anderer Religionen Bezug nehmen zu müssen. Warum nicht einfach die blasphemische Verhöhnung Christi und jenes Abends, in der das Sakrament der Eucharistie eingesetzt wurde, in aller Deutlichkeit und Direktheit verurteilen?« Exakt!

In welcher Form soll dies geschehen, was schlägst Du vor? »Gefragt wäre freilich keine künstliche Empörung, kein moralisches Aufplustern, sondern der authentische Ausdruck der Überzeugung, dass Gott seiner nicht spotten lässt, und die wohl schlimmste Sünde, die ein Mensch begehen kann, die Gotteslästerung ist.«

Waaas, Tagespost? Gotteslästerung schlimmer als Hostiendiebstahl, Kreditkartenbetrug und Völkermord? Und sogar schlimmer als Unzucht, Abtreibung und Selbstbefleckung?

Wenn Du das so siehst, dann kündigt wutschnaubend das Abo: Titanic

 It’s us, hi, Kulturwissenschaftler Jörn Glasenapp!

Dass Sie als Verfasser einer Taylor-Swift-Monographie Ihren Gegenstand öffentlich verteidigen, etwa im Deutschlandfunk Nova oder bei Zeit Campus: geschenkt. Allein, die Argumente, derer Sie sich dafür bedienen, scheinen uns sanft fragwürdig: Kritik an Swift sei eine Sache »alter weißer Männer«, im Feuilleton herrsche immer noch König Adorno, weshalb dort Pop und »Kulturindustrie« unentwegt verdammt würden, und überhaupt sei die zelebrierte Verachtung des Massengeschmacks eine ausgesprochen wohlfeile Methode, Distinktion zu erzeugen, usw.

Je nun, Glasenapp: Wir sind in der privilegierten Position, dass es uns erst mal egal sein kann, ob Taylor Swift nun gute Kunst macht oder schlechte. Wir sind da pragmatisch: Manchmal macht das Lästern Spaß, manchmal der Applaus, je nachdem, wer sich gerade darüber ärgert. An Ihnen fällt uns bloß auf, dass Sie selbst so ein peinlicher Distinktionswicht sind! Denn wenn unter alten weißen Männern Swiftkritik tatsächlich Konsens und Massensport ist, dann sind Sie (*1970) wieder nur der eine nervige Quertreiber, der sich abheben will und dazwischenquäkt: Also ich find’s eigentlich ganz gut!

Finden das eigentlich auch ganz gut: Ihre Affirmations-Aficionados von Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Etwas Heißem auf der Spur

Jedes Mal, wenn ich mir im Hochsommer bei herabgelassenen Rollläden oder aufgespanntem Regenschirm vergegenwärtige, dass das Leben in unseren versiegelten Städten auf entsetzlich wechselhafte Weise öde und klimatisch vollkommen unerträglich geworden ist, frage ich mich unwillkürlich: TUI bono?

Mark-Stefan Tietze

 Abschied

Juckeljuckeljuckel,
Das Meer liegt hinterm Buckel,
Dort vorne, da ist Dover,
Da ist die Reise over.

Gunnar Homann

 Fachmann fürs Leben

Im Gegensatz zur Schule hat man im Zivildienst viele nützliche Dinge gelernt. Zum Beispiel, dass man die Körper von Menschen, die sich selbst nicht mehr bewegen können, regelmäßig umlagert, damit keine Seite wund wird. Um anhaltenden Druck auf die Haut zu minimieren, wende ich auch heute noch die Pfirsiche in der Obstschale alle paar Stunden.

Friedrich Krautzberger

 Hä?

Demenz kennt kein Alter.

Moppel Wehnemann

 Schock total

Wenn im Freibad dieser eine sehr alte Rentner, der sich beim Schwimmen kaum fortzubewegen scheint, der bei seinen zeitlupenartigen Zügen lange untertaucht und von dem man dachte, dass er das Becken schon vor langer Zeit verlassen hat, plötzlich direkt vor einem auftaucht.

Leo Riegel

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

  • 12.09.:

    "Heute detoxe ich im Manager-Retreat im Taunus": TITANIC-Chefredakteurin Julia Mateus im Interview mit dem Medieninsider.

Titanic unterwegs
13.09.2024 Stade, Schwedenspeicher Ella Carina Werner
14.09.2024 Frankfurt, Museum für Komische Kunst Bernd Pfarr: »Knochenzart«
16.09.2024 Wiedensahl, Wilhelm-Busch-Geburtshaus Hilke Raddatz mit Tillmann Prüfer
17.09.2024 Stadthagen, Wilhelm-Busch-Gymnasium Wilhelm-Busch-Preis Hilke Raddatz mit Bernd Eilert