Inhalt der Printausgabe

Staune, jauchze, Volk, frohlocke: Judensau und Hitlerglocke!

Au wie fein das Wandbild der »Judensau« an der Wittenberger Stadtkirche gearbeitet ist: »Es zeigt eine Sau, an deren Zitzen Menschenkinder säugen, die mit ihren Spitzhüten als Juden gekennzeichnet sind. Hinter dem Tier hockt ein Rabbiner und hebt dessen Schwanz und Hinterbein, um in den Anus zu schauen.« (FAZ) Und auch die Hitlerglocke in der Herxheimer Kirche (Pfalz) erfreut mit 240 Kilo Gewicht, Hakenkreuzprägung und der Aufschrift »Alles fuer’s Vaterland Adolf Hitler«. Doch beiden protestantischen Gemeinden droht nun Ungemach: Der Zentralrat der Juden – wer sonst? – möchte die Judensau abnehmen, und auch die Hitlerglocke wackelt nicht mehr nur zur vollen Stunde. Dabei möchten die evangelischen Landeskirchen beides als »Erinnerungs- und Mahnzeichen« wahren, damit kommende Generationen niemals vergessen und noch lange ihre Gaudi an der Judensau und dem Führer haben. Wie auch an den im folgenden dokumentierten Kunstwerken, die im ganzen Land gute – oder schlechte – Erinnerungen wachhalten, ja uns wachrütteln!

Das Negerspießrutenbajonett

Es ist unter den vielen dunklen Kapiteln deutscher Geschichte eines der helleren, aber freilich immer noch sehr, sehr dunkel, bzw. schwarz wie die Nacht: die Kolonialzeit. Verewigt findet sich die Schande von Togoland und Kamerun auf dieser penibel gearbeiteten Steintafel, die seit anno 1898 als massives Gehänge an der ehem. Kolonialschule im hessischen Witzenhausen prangt. Bismarck selbst soll kurz vor seinem Tod im Fieber noch eine der schwungvoll in Stein geklöppelten Negerruten beschrieben haben, heute setzt sich u.a. Margot Käßmann für die Pflege des Reliefs ein: »Jene, die dieses Bildnis der Scham runterholen wollen, greifen zu kurz. Fürwahr: Es muß gegenwärtig und tief in uns bleiben, uns in den wildesten Träume verfolgen.«

Der Seite-Vier-Brunnen

Im Juli 2014 war er auf einmal da, wie vom Herrgott persönlich installiert: Vor der Münchner Redaktion der »Süddeutschen Zeitung« plätschert ein umstrittener Brunnen friedlich vor sich hin. Eine schmucke emaillierte Blechplakette auf der Rückseite weist ihn als »ewige Kunstinstallation, inspiriert vom Kraken Zuckerberg, erbaut zur Erfrischung des Volkes« und »gestiftet vom Recherche-Netzwerk ›Logenjäger‹ (J. Augstein, F. Augstein, J. Todenhöfer)« aus. Der neuerlich aufgebrachte Zentralrat der Juden möchte dem Projekt nun dummerweise den Geld-, pardon: den Wasserhahn abdrehen.

Uschis Vordereingang in Bonn

In der ehemaligen Bundeshauptstadt soll nun ein scheuer Blick hinter, nein: vor die gespreizte Fassade der pflichtschlagenden Alten Breslauer Burschenschaft der Raczeks geworfen werden, die in letzter Zeit für Ärger an der Bonner Universität sorgte. »Unser Verbindungshaus von 1933 sei ein Skandal, ein inakzeptabler Auswuchs der Misogynie. Das keifen zumindest die Feminazis aus dem Ethnologie-Bachelor. Dabei kommen wir gut mit unseren Nachbarinnen aus, gegenüber ist ein Kindergarten. Übrigens: unser Keller ist feucht, hähähä!« erklärt ein ausnehmend sexistischer, rechtsradikaler Raczek-Vertreter mit stolzer Hasenscharte auf Nachfrage.

Frankfurter Teufelstanzfresko

Von Meister Michelangelo persönlich könnte es sein, in veritate wurde dies herrliche Deckenfresko aber 1973 vom Hauptschüler Michael Ziegelo als Erziehungsmaßregelung in die Kuppel des Sozialrathauses von Frankfurt-Höchst gesprayt. Auftraggeberin war die umtriebige Jugendamtsleiterin Matilda Werner, eine erklärte Gegnerin des fahrenden Volkes aus Sinti und Roma. Während die Stadt Frankfurt das brisante Vorzeigewerk des Jugendlichenstils gerne übermalen würde, blockiert die inzwischen greise Stifterin Werner den institutionalisierten Vandalismus wacker: Sie hat den für Streicharbeiten unabdingbaren Leiterwagen versteckt.

Speisung der fünfzehn Milliarden

Nicht nur die evangelische Kirche wird seit ehedem von sog. Weltverbesserern belästigt. Auch die Katholiken sehen sich nun aggressiver Kritik ausgesetzt. Der allzu lachhafte Anlaß: Im oberbayerischen Wildbrating erregen sich die zweifelhaften Tierliebhaber von Peta über ein Werk des seligen Bildhauers Nepomuk Pröbstl, der bereits 1705 die Explosion der Weltbevölkerung voraussah und auch die Antwort darauf kannte: Jesus (Christus). Die bizarren Unkenrufe der Krötenfreunde: »Genmanipulation«, »Pescetarier ersäufen!« usw.

Die Abschnittsgefährtinnen

Es ist eine monströse Gemeinheit, die Unkultur reitet hoch zu Roß durch – ­Dresden: Ausgerechnet in der ­Frauenkirche, einst »Kirche Unserer Lieben Frau«, gemeint ist naturgemäß die hl. Gottesmutter Maria, soll im Jahr 2018 – zwar nur ­temporär, aber dennoch – ein »gegendertes« (pfui!) Tafelrelief einer »Künstlerin« angebracht werden, die sich aufmüpfig Feministin und bürgerlich Charlotte Stokowski oder so nennt. Bezahlen tut es Vater und Esel Staat, aber natürlich! Die evangelische Kirche, gesegnet sei sie!, möchte, aber kann nichts gegen jene Mainstreamlobby tun, die ­permanent ­Perversitäten wie diese ausbrütet. So wird es die »Kirche Unserer Bösen Frau«, schade.

Die Schreckliche Erika

Wenn Kunst entartet: In Rumia, wie sich Rahmel im Reichsgau Danzig-Westpreußen heute schimpft, setzt man auf Provokation und Diffamierung verdienter deutscher Politikerinnen. Die klamme Stadt bezahlte im Jahr 1998 klammheimlich ein junges, frivoles Künstlerkollektiv dafür, ein offizielles Wappen mit einer ungeheuerlichen Karikatur Erika Steinbachs anzufertigen. Kein Zufall: Im gleichen Jahr wurde Steinbach Präsidentin des Bundes der Durchtriebenen. Die Gescholtene möchte nun auf Twitter gegen die »Niemals vergessen« getaufte Schmutzkampagne der Polen vorgehen. Mögen die Retweets mit ihr sein!

Moritz Hürtgen / Leo Riegel

ausgewähltes Heft

Aktuelle Cartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Ach, Scheuer-Andi,

wie der Spiegel meldet, wird niemand für Sie in den Bundestag nachrücken. Da scheinen die Fußstapfen wohl einfach zu groß zu sein.

Die Besten gehen immer zu früh …

Weiß Titanic

 Verehrte Joyce Carol Oates,

da Sie seit den Sechzigern beinah im Jahrestakt neue Bücher veröffentlichen, die auch noch in zahlreiche Sprachen übersetzt werden, kommen Sie vermutlich nicht dazu, jeden Verlagstext persönlich abzusegnen. Vielleicht können Sie uns dennoch mit ein paar Deutungsangeboten aushelfen, denn uns will ums Verrecken nicht einfallen, was der deutsche Ecco-Verlag im Sinn hatte, als er Ihren neuen Roman wie folgt bewarb: »›Babysitter‹ ist ein niederschmetternd beeindruckendes Buch, ein schonungsloses Porträt des Amerikas der oberen Mittelschicht sowie ein entlarvender Blick auf die etablierten Rollen der Frau. Oates gelingt es, all dies zu einem unglaublichen Pageturner zu formen. In den späten 1970ern treffen in Detroit und seinen Vorstädten verschiedene Leben aufeinander«, darunter »eine rätselhafte Figur an der Peripherie der Elite Detroits, der bisher jeglicher Vergeltung entkam«.

Bitte helfen Sie uns, Joyce Carol Oates – wer genau ist ›der Figur‹, dem es die elitären Peripherien angetan haben? Tragen die Leben beim Aufeinandertreffen Helme? Wie müssen wir uns ein Porträt vorstellen, das zugleich ein Blick ist? Wird das wehtun, wenn uns Ihr Buch erst niederschmettert, um dann noch Eindrücke auf uns zu hinterlassen? Und wie ist es Ihnen gelungen, aus dem unappetitlich plattgedrückten Matsch zu guter Letzt noch einen »Pageturner« zu formen?

Wartet lieber aufs nächste Buch: Titanic

 Hoppla, Berliner Gefängnischefs!

Drei von Euch haben laut Tagesspiegel wegen eines Fehlers der schwarz-roten Regierungskoalition statt einer Gehaltserhöhung weniger Geld bekommen. Aber der Ausbruch von Geldnöten soll durch einen Nachtragshaushalt verhindert werden. Da ja die Freundschaft bekanntlich beim Geld endet: Habt Ihr drei beim Blick auf Eure Kontoauszüge mal kurz über eine Ersatzfreiheitsstrafe für die nachgedacht, die das verbrochen haben?

Wollte diese Idee nur mal in den Raum stellen: Titanic

 Recht haben Sie, Uli Wickert (81)!

Recht haben Sie, Uli Wickert (81)!

Die Frage, weshalb Joe Biden in seinem hohen Alter noch mal für das Präsidentenamt kandidiert, anstatt sich zur Ruhe zu setzen, kommentieren Sie so: »Warum muss man eigentlich loslassen? Wenn man etwas gerne macht, wenn man für etwas lebt, dann macht man halt weiter, soweit man kann. Ich schreibe meine Bücher, weil es mir Spaß macht und weil ich nicht Golf spielen kann. Und irgendwie muss ich mich ja beschäftigen.«

Daran haben wir, Wickert, natürlich nicht gedacht, dass der sogenannte mächtigste Mann der Welt womöglich einfach keine Lust hat, aufzuhören, auch wenn er vielleicht nicht mehr ganz auf der Höhe ist. Dass ihn das Regieren schlicht bockt und ihm obendrein ein Hobby fehlt. Ja, warum sollte man einem alten Mann diese kleine Freude nehmen wollen!

Greifen Sie hin und wieder doch lieber zum Golfschläger statt zum Mikrofon, rät Titanic

 Könnte es sein, »ARD-Deutschlandtrend«,

dass Dein Umfrageergebnis »Mehrheit sieht den Frieden in Europa bedroht« damit zusammenhängt, dass seit über zwei Jahren ein Krieg in Europa stattfindet?

Nur so eine Vermutung von Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Immerhin

Für mich das einzig Tröstliche an komplexen und schwer zugänglichen Themen wie etwa Quantenmechanik, Theodizee oder den Hilbertschen Problemen: Letztlich ist das alles keine Raketenwissenschaft.

Michael Ziegelwagner

 Gute Nachricht:

Letzte Woche in der Therapie einen riesigen Durchbruch gehabt. Schlechte Nachricht: Blinddarm.

Laura Brinkmann

 Mitgehört im Zug

»Prostitution ist das älteste Gewerbe der Welt!« – »Ja, aber das muss es ja nicht bleiben.«

Karl Franz

 Vom Feeling her

Es hat keinen Sinn, vor seinen Gefühlen wegzulaufen. Man muss sich schon auch mal hinter einem Baum verstecken und warten, dass die das nicht merken und an einem vorbeiziehen, sonst bringt das ja alles nichts.

Loreen Bauer

 Gebt ihnen einen Lebenszyklus!

Künstliche Pflanzen täuschen mir immer gekonnter Natürlichkeit vor. Was ihnen da aber noch fehlt, ist die Fähigkeit zu verwelken. Mein Vorschlag: Plastikpflanzen in verschiedenen Welkstadien, damit man sich das Naserümpfen der Gäste erspart und weiterhin nur dafür belächelt wird, dass man alle seine Zöglinge sterben lässt.

Michael Höfler

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
27.04.2024 Schwerin, Zenit Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
28.04.2024 Lübeck, Kolosseum Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
29.04.2024 Berlin, Berliner Ensemble Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
30.04.2024 Hamburg, Kampnagel Martin Sonneborn mit Sibylle Berg