Inhalt der Printausgabe

Achtung, Storchenbefall!

Wenn es klappert, ist es meist zu spät. Störche gelten als anmutige, schöne Tiere. Doch immer öfter nisten sie sich als Schädlinge in Häuser und Wohnungen ein. Besonders in Großstädten haben Betroffene Schwierigkeiten, die Tiere wieder loszuwerden. Was tun, wenn der Storch kommt?

Von ihren Nachbarn wurde Hildegard P., 76, schon für verrückt erklärt. Monatelang konnte sie nicht mehr schlafen, kam nie zur Ruhe und klagte über unerklärliche Vorgänge in ihrem Bungalow im Berliner Szenestadtteil Kreuzberg. Rund um die Uhr hörte sie schreitendes Tapsen aus der Küche, Geklapper aus der Porzellanvitrine, Schwingenschläge aus dem Wintergarten. »Es war furchtbar«, jammert die Rentnerin, »aber keiner glaubte mir. Als mir selbst meine beste Freundin sagte, daß ich wohl einen großen Vogel habe, wußte ich: Ich brauche einen Fachmann.« Im Telefonbuch stieß sie auf Seite 997 auf den »Kammerjäger und Ghostbuster« Hektor Schnapp, 54, Spezialgebiet Storchenbeseitigung. »Nach fünf Minuten hatte ich die Ursache gefunden«, berichtet Schnapp heute. »Schon im Flur sah ich ein orangefarbenes Paar Beine unter einem Lampenschirm stehen – und packte zu! Es handelte sich natürlich um einen ausgewachsenen Weißstorch.« Das erste von über 70 Exemplaren, die Schnapp nach und nach in seinen Sack packte. »Sie waren überall: Nester auf den Schränken, als Deko getarnt auf dem Eßtisch, einzelne Tiere unter der Dunstabzugshaube und im Tiefkühlfach. Störche sind Meister der Tarnung! Ich kam gerade noch rechtzeitig«, erklärt der Storchenfänger, »und konnte noch knapp 200 Storcheneier zertreten. Wenn die geschlüpft wären, säße Frau P. wahrscheinlich längst in der Klappermühle!«

Gegen Sprays immun: Störche haben Kiemen
Vorsicht beim Einkauf: Oft steckt der Storch drin!

Die Storchenplage

Hildegard P. ist nur eine von vielen Betroffenen, Störche haben Küchenschabe und Hausmaus in deutschen Großstädten als Schädling Nr. 1 abgelöst. »Die Gründe dafür sind vielfältig«, weiß Dr. Rita Kümmerling, Biologin am Luft- und Raumfahrtinstitut der Universität Böblingen. »Der Mensch ist daran nicht ganz unschuldig! Wegen der beknackten ›Der Storch bringt die Kinder‹-Folklore hat man die Biester jahrhundertelang verhätschelt, sie ungestört auf den Dächern und Strommasten nisten lassen. Doch der Storch ist und bleibt ein gemeines, hinterlistiges Wesen!« Über viele Generationen hinweg habe der Storch so unseren Lebensstil beobachten und studieren können, und sei nun seit wenigen Jahren soweit, ein urbanes Leben zu führen. »U-Bahn-Schächte, Kneipen, Zweck-WGs – die Störche ziehen unsere Städte längst der Natur und dem ländlichen Raum vor«, reimt sich Dr. Kümmerling zusammen. Hier fänden die »Tauben der Lüfte« (Kümmerling) die Infrastruktur vor, die sie brauchen, um sich in Massen zu vermehren. »Das alles zum Leidwesen der Menschen, denn die Viecher sehen nicht nur eklig aus, wenn sie so affektiert durch die Gegend stolzieren mit ihren gemeingefährlichen Schnäbeln und alles, sondern die Pestvögel übertragen auch noch jede Menge Krankheiten! Etwa Storchenbeine, Zähneklappern und in der Folge auch starken Alkoholismus«, ätzt Kümmerling und schenkt nach. In einer gut geheizten Wohnung mit ausreichend Nahrung könnten sich Störche nach Kümmerlings Expertise quasi exponentiell vermehren. »Dann ist ruck zuck alles leergefressen und vollgeschissen. Außerdem könnte ein Storch einem schlafenden Menschen ohne Problem die Augen ausstechen! Na, wie finden Sie das?«

Störche – Meister der Tarnung
Wo es warm und trocken ist, kommt der Storch

»Man muß den Storch kennen, um ihn zu bekämpfen«

Begünstigende Faktoren für den massenhaften Befall sind laut Storch-Profiler Hektor Schnapp Halbwissen und Unvorsichtigkeit in der Bevölkerung. »Wußten Sie etwa, daß es paradoxerweise vor allem Kinder sind, die Störche vom Spielen an der frischen Luft mit in die Wohnräume bringen? Die Blagen deshalb immer auf die Plagevögel absuchen, gerade hinter den Ohren!« Wenn die eigenen vier Wände kontaminiert sind, versuchen laut Schnapp zu viele Menschen, der Situation ohne professionelle Unterstützung Herr zu werden. »Handelsübliche Storchenfallen, wie es sie in jedem Baumarkt gibt, sind wirkungslos«, rümpft Schnapp die Nase. Zudem gäben sich zu viele Betroffene der Illusion hin, daß sie die Schädlinge los wären, sobald sie zwei, drei Exemplare totgeschlagen hätten. »Ein wahnsinniger Irrglaube!« mahnt Schnapp. »Auf jeden Storch, den Sie in Ihrer Wohnung zu Gesicht bekommen, kommen nach alter Storchenjägerfaustregel gut zwei Dutzend weitere, die schamlos mit Ihnen Katz und Maus spielen. Am Ende sind Sie der Esel, und der Storch klappert munter weiter!« An einem Profi führe kein Weg vorbei. Er selber, Schnapp, sei bereits in dritter Generation Storchjäger: »Mein Großpapa und mein Vater haben das Handwerk noch als halblegales Hobby in der freien Natur betrieben.« Dank der aktuellen Storchenschwemme habe er die Leidenschaft zum Beruf machen können. »Ich bin sozusagen größter Profiteur dieses Schlamassels«, zwinkert Schnapp.

Süße Seuchenvögel
Storchenbisse können depressiv machen

Den Storch effizient und human töten

Die wirkungsvollste Methode der Storchenbeseitigung hat Hektor Schnapp selbst entwickelt. Sobald die (menschlichen) Bewohner ausgeflogen seien, versiegele er alle Fenster und Türen luftdicht und schalte dann den »Stork Remover 3000« ein. »Ein von mir modifizierter Großraumvaporizer, den ich mit klassischen K.o.-Tropfen befülle«, erklärt Schnapp. »Fragen Sie mich lieber nicht, wie ich auf die Idee dazu gekommen bin.« Anschließend könne er die bewußtlosen Tiere bequem einsammeln und sie durch Genickbruch erlösen. »Einfach den Hals drei-, viermal umdrehen – oder solange es eben Spaß macht. Die Tiere spüren davon in der Regel nichts.«

Heute ist Hildegard P. froh, sich mit Schnapp an einen Fachmann gewandt zu haben. »Endlich fühle ich mich wieder wohl in meinem Kiez! Na ja, von den ganzen Ausländern abgesehen. Aber dafür gibt es ja die Storch – Beatrix! Haha, ausgerechnet! Mein Kreuz bekommt sie jedenfalls«, lacht die lebenslustige Rentnerin zum Abschied und klappert mit ihrer Gehhilfe an einen Falafelstand.

Achtung! Störche übertragen Viren
Ab in die Storchenfalle

FAQ zum Schädlingsstorch

Was sind zuverlässige Indikatoren für einen Storchenbefall?

  1. Es klappert Tag und Nacht.
  2. Sie hatten ein Problem mit Fröschen, die dann aber schlagartig verschwunden sind? Störche sind Carnivoren!
  3. Sie erwachen mit Storchenbissen an Ihrem Körper (besonders gefährdet: Nacken und Pobacken).
  4. Wenn Sie jetzt vom Heft aufblicken und sich umdrehen, sehen Sie einen Storch, der Ihnen seinen Schnabel flink in die Augen …

Welche Storcharten fühlen sich in deutschen Behausungen besonders wohl?

Meist findet sich hierzulande der heimische Weißstorch (Ciconia ciconia). Ein Weißstorchbefall ist nicht erfreulich, aber zu ertragen, da das Tier relativ genügsam, still und nicht allzu fortpflanzungsfreudig ist. Doch auch Störche aus anderen Erdteilen lassen sich immer öfter in deutschen Eigenheimen nieder. Etwa der Schwarzstorch (Ciconia nigra, v.a. Osteuropa), der einiges mit der Elster gemein hat, oder der Nimmersatt (Mycteria ibis, Afrika), der als besonders hungrig gilt und sich durch eine Kombination aus Paarungswilligkeit und Familiennachzug während der Wintermonate rasend schnell vermehrt.

Was kann ich bei einem schweren Befall selber aktiv tun, um die Störche zu vertreiben?

Gar nichts, Sie Narr! Haben Sie den Text links denn nicht gelesen? Sie müssen einen Fachmann hinzuziehen.

Kann ich denn wenigstens Vorkehrungen treffen?

Achten Sie auf Hygiene. Störche haben es gerne gemütlich und schätzen Ordnung und Sauberkeit über alles. Eine saubere Wohnung ist eine gefährdete Wohnung. Im Zweifel gilt: Besser Ratten im Haus als Störche!

Darf ich Storcheneier essen?

Storcheneier gelten als Delikatesse und sind unheimlich lecker. Doch ein Storch, dessen Nest geplündert wurde, ist meist sehr wütend und beginnt, mit Vorsatz teure Einrichtungsgegenstände zu zerpicken. Lieber nicht!

Hürtgen / Lichter, Hintner / Werner

ausgewähltes Heft

Aktuelle Cartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Cafe Extrablatt (Bockenheimer Warte, Frankfurt)!

»… von früh bis Bier!« bewirbst Du auf zwei großflächigen Fassadentafeln einen Besuch in Deinen nahe unserer Redaktion gelegenen Gasträumlichkeiten. Geöffnet hast Du unter der Woche zwischen 8:00 und 0:00 bzw. 01:00 (freitags) Uhr. Bier allerdings wird – so interpretieren wir Deinen Slogan – bei Dir erst spät, äh, was denn überhaupt: angeboten, ausgeschenkt? Und was verstehst Du eigentlich unter spät? Spät in der Nacht, spät am Abend, am Spätnachmittag oder spätmorgens? Müssen wir bei Dir in der Früh (zur Frühschicht, am frühen Mittag, vor vier?) gar auf ein Bier verzichten?

Jetzt können wir in der Redaktion von früh bis Bier an nichts anderes mehr denken. Aber zum Glück gibt es ja die Flaschenpost!

Prost! Titanic

 Mmmh, Futterparadies Frankfurt a. M.!

Du spielst in einem Feinschmecker-Ranking, das die Dichte der Michelin-Sterne-Restaurants großer Städte verglichen hat, international ganz oben mit: »Laut einer Studie des renommierten Gourmet-Magazins Chef’s Pencil teilen sich in der hessischen Metropole 77 307 Einwohner ein Sterne-Restaurant.«

Aber, mal ehrlich, Frankfurt: Sind das dann überhaupt noch echte Gourmet-Tempel für uns anspruchsvolle Genießer/innen? Wird dort wirklich noch köstlichste Haute Cuisine der allerersten Kajüte serviert?

Uns klingt das nämlich viel eher nach monströsen Werkskantinen mit übelster Massenabfertigung!

Rümpft blasiert die Nase: die Kombüsenbesatzung der Titanic

 Hände hoch, Rheinmetall-Chef Armin Papperger!

Laut einem CNN-Bericht lagen deutschen und US-amerikanischen Geheimdiensten Hinweise zu russischen Plänen für einen Angriff auf Sie vor. So etwas nennt man dann wohl »jemanden mit seinen eigenen Waffen schlagen«!

Mörderpointe von Titanic

 Lieber Fritz Merz,

im Podcast »Hotel Matze« sagst Du, dass Du in Deutschland große Chancen bekommen hättest und etwas zurückgeben wolltest. Jawollo! Wir haben da direkt mal ein bisschen für Dich gebrainstormt: Wie wär’s mit Deinem Privatjet, dem ausgeliehenen vierten Star-Wars-Film oder dem Parteivorsitz? Das wäre doch ein guter Anfang!

Wartet schon ganz ungeduldig: Titanic

 Endlich, »ARD«!

Seit Jahren musst Du Dich rechtfertigen, weil Du immer wieder die NS-Enthusiast/innen von der AfD zu Kuschelkursinterviews einlädst und ihnen eine gebührenfinanzierte Plattform bietest, damit sie Dinge verbreiten können, die sich irgendwo zwischen Rassenlehre und Volksverhetzung befinden. Aber jetzt hast Du es den Hatern endlich gezeigt und AfD-Anführer Tino Chrupalla in das härteste Interviewformat ever eingeladen: »Frag selbst«, das freaky Social-Media-Format von der Tagesschau, das schon Olaf Scholz mit knallharten Fragen à la »Wann Döner wieder drei Euro?« niedergerungen hat. Wir sind uns sicher: Besser als mit einem Kartoffelranking auf dem Twitch-Kanal der Tagesschau kann die AfD gar nicht entlarvt werden!

Legt schon mal die Chips bereit: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Guesslighting

Um meine Seelenruhe ist es schlecht bestellt, seit mich ein erschütternder Bericht darüber informierte, dass in Hessen bei Kontrollen 70 Prozent der Gastronomiebetriebe widerlichste Hygienemängel aufweisen (s. Leo Riegel in TITANIC 07/2022). Neben allerhand Schimmel, Schleim und Schmodder herrscht allüberall ein ernsthaftes Schadnagerproblem, die Küchen sind mit Mäusekot nicht nur kontaminiert, sondern praktisch flächendeckend ausgekleidet. Vor lauter Ekel hab ich sofort Herpes bekommen. Nun gehe ich vorhin in meine Küche, und auf der Arbeitsplatte liegen grob geschätzt 30 kleine schwarze Kügelchen. Ich bin sofort komplett ausgerastet! Zehn hysterische Minuten hat es gedauert, bis mir klar wurde, dass der vermeintliche Kot die Samen eines dekorativen Zierlauchs waren, der einen Blumenstrauß krönte, den eine liebe Freundin mir geschenkt hat. Ich hätte ihn einfach nicht noch einmal anschneiden sollen … Hysterie off, Scham on.

Martina Werner

 Räpresentation

Als Legastheniker fühle ich mich immer etwas minderwertig und in der Gesellschaft nicht sehr gesehen. Deshalb habe ich mich gefreut, auf einem Spaziergang durch Darmstadt an einer Plakette mit der Aufschrift »Deutscher Legastheniker-Verband« vorbeizukommen. Nur um von meiner nichtlegasthenischen Begleitung aufgeklärt zu werden, dass es sich dabei um den »Deutschen Leichtathletik-Verband« handele und und umso teifer in mein Loch züruckzufalllen.

Björn Weirup

 Zeitsprung

Dem Premierenpublikum von Stanley Kubricks »2001: Odyssee im Weltraum« wird der Film 1968 ziemlich futuristisch II vorgekommen sein.

Daniel Sibbe

 Feuchte Träume

Träumen norddeutsche Comedians eigentlich davon, es irgendwann mal auf die ganz große Buhne zu schaffen?

Karl Franz

 Verabschiedungsrituale

Wie sich verabschieden in größerer Runde, ohne dass es ewig dauert? Ich halte es so: Anstatt einen unhöflichen »Polnischen« zu machen, klopfe ich auf den Tisch und sage: »Ich klopf mal, ne?«. Weil mir das dann doch etwas unwürdig erscheint, klopfe ich im Anschluss noch mal bei jeder Person einzeln. Dann umarme ich alle noch mal, zumindest die, die ich gut kenne. Den Rest küsse ich vor lauter Verunsicherung auf den Mund, manchmal auch mit Zunge. Nach gut zwanzig Minuten ist der Spuk dann endlich vorbei und ich verpasse meine Bahn.

Leo Riegel

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
03.08.2024 Kassel, Caricatura-Galerie Miriam Wurster: »Schrei mich bitte nicht so an!«
04.08.2024 Frankfurt/M., Museum für Komische Kunst Die Dünen der Dänen – Das Neueste von Hans Traxler
04.08.2024 Frankfurt/M., Museum für Komische Kunst »F. W. Bernstein – Postkarten vom ICH«
09.08.2024 Bremen, Logbuch Miriam Wurster