Inhalt der Printausgabe
Hurra, die Bettler kommen! (1/3)
Die Städte sind überfordert, Hans-Zeter Friedrich warnt, die Bevölkerung hat Angst! Und zwar vor »Armutseinwanderern« (FAZ, SZ, Welt, Bild, Trostberger Tagblatt ). Sie kommen aus Rumänien und Ungarn, haben es auf unser schönes Hartz IV abgesehen und verdrängen heimische Bettler.
Zum Glück gibt es jetzt das »Rote Kreuz ohne Grenzen«!
In den Redaktionsräumen der TITANIC hat sich das Büro des gerade erst gegründeten mobilen Hilfsvereins für eine Weile niedergelassen. Der Verein möchte die neuen osteuropäischen Elends-Trecks in geordnete Bahnen lenken, die Armutseinwanderer in die gewachsene deutsche Bettelkultur integrieren und den Bürgern die Sorgen nehmen. Leichter getan als gesagt! Eine Postwurfsendung in der typisch stümperhaften Anmutung eines Rotkreuz-Flyers ist schnell gebastelt und noch schneller von fleißigen Praktikanten verteilt. Für die Bürger des noblen Frankfurter Westends heißt es: »Der Bettler kommt zu Ihnen!« Und zwar am Mittwoch, den 13.3., um überflüssigen Hausrat wie Kleider, Schuhe, Altgold, Juwelen, Pelze oder Prothesen einzusammeln. Anlaß zur Sorge gibt es nicht, denn das »Rote Kreuz ohne Grenzen« wird vom Magistrat der Stadt Frankfurt unterstützt, wie Dr. Dragoslawa Staniewscu, Referatsleiterin für Armutsfinanzierung, nebst Agenturfoto-Rumänin auf dem Flyer garantiert. Gibt es dennoch Bedenken, werden sie am eigens eingerichteten »Roten Telefon« ausgeräumt; und ist das nicht besetzt, bittet auf dem Anrufbeantworter eine Herta-Müller-Imitatorin zu beruhigenden Zigeunerfidel-Klängen um Spenden sowie die Angabe von Adresse und Arbeitszeiten – damit ein passender Termin zur Abholung gefunden werden kann.
Anrufbeantworter
Frau Maier
»Okay, gut«
TITANIC »Rotes Kreuz ohne Grenzen«, König, guten Tag.
Frau Maier Schönen guten Tag, Maier. Ich habe eine Frage. Ich habe Ihren Flyer im Briefkasten gehabt. Wir haben einen Kühlschrank. Können wir den auch mit vor die Tür stellen?
TITANIC (erfreut) O ja, das wäre großartig. Können Sie mir Ihre Adresse sagen?
Frau Maier Das ist im Westend.
TITANIC Westend. In welcher Straße?
Frau Maier Moment – ich bin doch beim »Deutschen Roten Kreuz«, richtig?
TITANIC Ja, Sie sind in Deutschland.
Frau Maier (beruhigt) Okay, gut.
Hurra, der erste Kühlschrank ist im Sack. Und Zweifel am Organisationsnamen sind schnell beseitigt. So darf es weitergehen!
Frau Unbekannt
»Betteln und
Hausieren verboten!«
Frau Unbekannt (bestimmt) Ich möchte keinen Bettler haben. Betteln und Hausieren verboten!
TITANIC Ist das bei Ihnen verboten?
Frau Unbekannt Ja.
TITANIC (interessiert) Welche Adresse haben Sie?
Frau Unbekannt Das ist in der Fritz-Tarnow-Straße. Es war nur ein Zettel drin. Aber ich möchte keinen Bettler haben.
TITANIC Die Hausnummer?
Frau Unbekannt (verstimmt) Das interessiert nicht. Ich will keinen Bettler haben.
TITANIC Ja, wir müssen die Bettler dann an Ihnen vorbeileiten.
Frau Unbekannt Ja, egal. In der Fritz-Tarnow-Straße kein Bettler!
TITANIC Aber wir können nicht die ganze Straße sperren.
Frau Unbekannt Ja, das weiß ich nicht. Ich habe niemanden gebeten. Entschuldigung.
Oha! Ein Bettel- und Hausierverbot, das nur in der Fritz-Tarnow-Straße greift. In Deutschland gelten ganz eigene Gesetze, an die sich osteuropäische Armutseinwanderer wohl erst gewöhnen müssen. Hoffentlich bleibt diese Straße ein Einzelfall.
Herr Schmidt
»Dann weiß ich Bescheid«
Herr Schmidt Ja, ich habe hier gerade ein Flugblatt von Ihnen bekommen wegen einer Sammlung.
TITANIC Ah ja, ich verstehe. Werden Sie zu Hause sein?
Herr Schmidt (ausweichend) Na ja, das könnte passieren. Ich wollte wissen, was ist das denn für eine Organisation? Sind Sie das »Rote Kreuz« oder…
TITANIC »Rotes Kreuz ohne Grenzen«, das ist eine eigene Organisation.
Herr Schmidt (geringschätzig) So, hat die auch eine Geschäftsstelle?
TITANIC Wir versuchen, die Bettlerströme, die von Rumänien herüberkommen, zu kanalisieren sozusagen.
Herr Schmidt Haben Sie auch eine Geschäftsstelle oder so, wo man etwas abgeben kann?
TITANIC Das haben wir nicht. Wir kommen ja zu Ihnen, wir sind mobil, aus Tradition.
Herr Schmidt (abwimmelnd) Na okay, dann weiß ich am Mittwoch Bescheid.
TITANIC Das heißt, Sie werden da sein. Welche Adresse ist das?
Herr Schmidt Das sehen Sie dann schon. Okay, ich bedanke mich.
Die Namenswahl »Rotes Kreuz ohne Grenzen« scheint doch nicht die glücklichste gewesen zu sein; offenbar denken die Bürger dabei zuerst an eine zwielichtige Organisation ähnlichen Namens. Und was man alles haben muß: eine Geschäftsstelle! Was braucht es denn heutzutage, um ein paar hilfsbedürftige Müllschnorrer in besseren Vierteln auf Beutezug zu schicken?
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