Inhalt der Printausgabe

Eine wahre Freundschaftsgeschichte von
Oliver Maria Schmitt und Peter Uhnemann

Wie alle anderen war auch ich schockiert, als ich Stefan Mappus zum ersten Mal sah. Obwohl er nur im Fernseher war. Dem Schock folgte das Entsetzen, denn ich mußte erkennen, daß wir eine ganz besondere Beziehung haben, Stefan und ich. Er stammt nämlich aus meiner Heimat Baden-Württemberg und ist praktisch genauso alt wie ich. In ihm sah ich mich selbst, bzw. was aus mir hätte werden können, wenn ich im Süden geblieben, mit 17 in die Junge Union eingetreten und etwas rücksichtsloser beim Kalorienbunkern gewesen wäre.

Als sein Vorgänger im Amt des baden-württembergischen Ministerpräsidenten, der schwäbelnde Englischlehrer Günther Oettinger, nach Brüssel entsorgt wurde, schlug Stefans große Stunde. Der »Moschtkopf« (Die Zeit) rückte nach. Tauchte auf aus dem Dunkel der Hinterbank, stand plötzlich im Rampenlicht, groß, mächtig und unheilvoll wie ein Atompilz. Kaum im Amt, legte er los, gab den Rambo, das konservative Rhinozeros, seinem Vorbild Franz Josef Strauß wie aus dem Gesäß geschnitten.

Mit dieser seiner Unart, das war mir klar, würde es mein Gleichalter Ego nicht leicht haben. Nicht mal in der CDU. Wenn sogar die FAZ monierte, Mappus stehe unverhohlen für »das Breitbeinige, Kaltschnäuzige, Schwulenfeindliche. Den Christopher Street Day findet Mappus ›abstoßend‹, das Adoptionsrecht für homosexuelle Paare gefährlich« – und schlußfolgert, der Pfundskerl aus Pforzheim wirke »wie eine Inkarnation des verdrängten, bösen Unterbewußtseins dieser Partei«, dann stand es nicht gut um Stefan. Er tat mir irgendwie leid. Ich mußte ihm helfen.

Gut, natürlich finde auch ich den Christopher Street Day abstoßend, diesen nervtötenden Lärm- und Müllproduktionsauflauf mit aufgesetzter, spießiger Homofolklore. Ich bin ja auch nicht schwul. Aber noch mehr als den CSD hasse ich Schwulenhasser. Weil diese Haltung so dämlich, so überflüssig ist. Eigentlich sollte man nur noch Schwulenhasser zum CSD schicken, um sie mal so richtig zu ärgern.

Mit seiner Position hatte sich Stefan jedenfalls ins Abseits begeben. Bestimmt kannte er gar keine Homos. Das war sein Problem. Wenn er erst mal einen guten Homofreund hatte, würden sich seine Verkrampfungen bestimmt schnell lösen.

Ich schaute mir Stefans Facebook-Seite an und wollte was Tröstendes an seine Pinnwand schreiben. Ging aber nicht, weil ich gar keinen Facebook-Account hatte. Also erfand ich einen netten, harmlosen Homofreund für Stefan Mappus. Ich wählte einen Namen, den es im Internet noch nicht gab – Peter Uhnemann – und meldete ihn bei Facebook an. Um Peter ein Face zu booken, gab ich bei der Google-Bildersuche den Begriff »nerd« ein und schnitt das erstbeste Gesicht aus. Peters Geburtsdatum war natürlich der 17. 5., und seine Maxime erschütternd langweilig: »Ich lerne gerne interessante Menschen kennen.« Um noch mehr Mitleid zu erregen, siedelte ich ihn im Osten an, in Gera, und machte ihn 23 Jahre alt.

Um glaubwürdig und echt zu sein, mußte Peter ein paar Freunde haben. Wo kriegte ich die jetzt her? Gut, mit irgendeinem muß man ja mal anfangen. Ich wählte Thorsten Schäfergümbel, die Hoffnung der Hessen-SPD. Klar, daß ein solcher Mann dringend Freunde braucht. Schon am nächsten Tag bestätigt Schäfergümbel meine Freundschaftsanfrage. Hurra, mein erster Facebook-Freund!

Das gefällt mir. Ich klicke ein wenig herum, und schon dreißig Minuten später habe ich drei weitere Freunde: Melanie Nelles, Fabian Löffler und »Schlagersängerin Jasmin«. Ich kenne diese Leute nicht. Obwohl man eine Frau mit einem derart betörenden Namen wie »Schlagersängerin Jasmin« durchaus kennen sollte: Ihr neuer Song »Herzen haben Flügel« ist »JETZT ENDLICH« online, teilt sie mir mit, und ihren Fotos entnehme ich, daß sie 2006 mal im Big Brother-Container eingeknastet war und sich danach die Brüste hat aufpumpen lassen. Mein nächster Freund heißt Steffen und stellt sich gleich vor: »Hallo mein Name ist Steffen Osten der seriöse Inkassokontakt im Internet. :-) Mein Ziel ist es, bei Außenständen zu helfen und vor dubiosen Unternehmen zu warnen!« Und da! Eine Nachricht von meinem Freund Schäfergümbel: »Feierabend! Allen einen schoenen Abend!« Wahnsinn! Dieser Mann ist echt, so was kann man nicht erfinden.

Anderntags wollen schon vier Menschen meine Freunde sein: Holger, Mechthild, Michael und Sabine. Wahrscheinlich, weil wir schon vier gemeinsame Freunde haben. Wir sind eine Superclique aus Schlagersängern, Finanzdienstleistern, Politikern und Inkassobeauftragten. Der Auswurf der Menschheit, und Peter mittenmang. Mechthild ist in der SPD und hat es geschafft, nicht weniger als 280 Fotos von sich selbst ins Netz zu stellen. Zum Glück ist sie auf allen angezogen. Sabine ist, wie auch meine Freundin Jasmin, Schlagersängerin, sie hat gerade das Lied »Ein bißchen Sonne fürs Herz« aufgenommen. Das finde ich super, und noch besser finde ich, daß man Sabine »anstupsen« kann. Ich drücke den Button »Sabine anstupsen«. Die Meldung »Du hast Sabine angestupst« erscheint, aber nichts passiert. Ich stupse noch mal nach. »Sabine hat deinen letzten Anstupser noch nicht erhalten. Sie bekommt ihn, sobald sie sich das nächste Mal anmeldet.«

So klicke ich mich durch die Freundeslisten von Leuten, die ich nicht kenne. Jetzt will ich raus aus dem deutschen Muff – Facebook ist doch das Freundschaftsfenster zur Welt! Ich denke mir einfach einen finnischen Namen aus: Mätti Hääkäänen – sofort werden mir Facebooker vorgeschlagen, die so ähnlich heißen. Ich haue sie an und schicke wahllose Freundschaftsanfragen hinaus, ich frage irgendwelche Vietnamesen, Finnen und Amis. Durch meine neue Freundin Marshay, eine korpulente Schwarze aus Chicago, gerate ich in einen Freundeskreis von weiteren dicken, schwarzen Frauen, der sofort lawinenhaft über mich hinwegwalzt. Nach wenigen Stunden bin ich schon mit elf dicken Negerinnen befreundet – am Vortag kannte ich noch keine einzige.

Einen weißen Jungen nehme ich auch noch mit: Brandon aus New York. Sekunden nachdem ich ihn um seine Freundschaft angehauen habe, bestätigt er diese, dann macht es »Klack« und ein Chat-Fenster geht auf. Man kann auch chatten! Wußte ich gar nicht. Brandon schreibt: »Who r u« – und eine Minute später: »Who the fuck r u?« Wenn ich das nur wüßte. Ich schreibe: »I’m Peter from Germany. I wanna be ur friend!« Ich habe nie wieder was von meinem Freund Brandon gehört.

Da man Wiglaf Droste keine Freundschaftsanfragen schicken kann, nehme ich den ähnlich lautenden Wiglaf Dose, der außerdem mit einem beeindruckenden Muskelprotzbild für sich wirbt (Geburtsdatum 11.11.1911). Er wird mein Freund und fragt im Gegenzug, wen ich ihm aus dem Reservoir der eigenen Freunde als Freund anbieten würde. Ich schlage ihm wahllos einige meiner Freunde vor, die ich überhaupt nicht kenne. Eine sehr gute Funktion!

Ich merke, wie ich allmählich facebooksüchtig werde. Mehr und mehr Stunden verbringe ich vor der Maske mit dem blauen F. Jeden Morgen beim Hochfahren des Rechners fiebere ich mit, ob es dieser dämlich grinsende Nerd wieder geschafft hat, neue Freunde zu finden. Ich muß Gas geben, Lady Gaga hat, nach einem tagelangen Kopf-an-Kopf-Rennen mit Barack Obama, als erste lebende Person mehr als zehn Millionen Freunde bei Facebook. Bis dahin ist es noch ein weiter Weg. Doch ich bin fest entschlossen.

Als ich gerade eine Anfrage an Paris Hilton schreibe, erscheint eine

Warnung!

Dein Verhalten könnte von anderen Nutzern als lästig oder beleidigend empfunden werden! Die Systeme von Facebook haben festgestellt, daß du beim Hinzufügen von Freunden zu schnell vorgegangen bist. Du mußt deutlich langsamer handeln. Weiterer Mißbrauch der Funktionen der Seite kann zu einer zeitweisen Blockierung oder dauerhaften Sperrung deines Kontos führen.

Pff, dann mach ich eben langsamer. Es sind sowieso nicht alle kontaktfreudig. Fast schon pampig teilt die Internet-Publizistin Kathrin Passig auf ihrer FB-Seite mit: »Ich befacebookfreunde mich nur mit Menschen, die ich a) kenne und b) wiedererkennen kann. Bitte nicht persönlich nehmen, wenn es bis dahin manchmal etwas länger dauert.« Meine erste Freundschaftsanfrage wird nicht beantwortet. Ein paar Wochen später riskiere ich’s noch mal – und bin plötzlich ihr Freund. Sie hat mich wiedererkannt!

Als Peter Uhnemann frage ich auch etliche meiner echten Freunde. Viele, ja sehr viele akzeptieren die Freundschaftsanfrage sofort. Ich verliere ein wenig den Respekt vor ihnen. Soll ich meine echten Freundschaften jetzt aufkündigen? Offenbar ist denen ja jeder recht.

»Schreib etwas über dich!« bittet mich Facebook, damit meine neuen Freunde mehr über mich erfahren können. Kein Problem. Ich poste meine erste Mitteilung: »Jetzt ist es aber schon sehr spät, ich muß ins Bett.« Keine Reaktion, keiner drückt den »Gefällt mir«-Button. Na gut, ich kann auch anders: »Ich habe gerade ein sehr leckeres Glas Mineralwasser getrunken, um mich vor Austrocknung zu schützen.« Marshay aus Chicago reagiert sofort: »Say that again!« Na also. Es folgen weitere pikante News aus Peter Uhnemanns Leben, z. B. »Ich weiß noch nicht genau, was ich an Pfingsten mache!« Oder: »War heute mit meinen Eltern bei IKEA. Köttbullar sind echt voll lecker!« Und schließlich: »Habe gestern bei meinem Freund Detlef übernachtet. Zum ›Schlafen‹ sind wir gar nicht gekommen, hihi.«

Damit war die Basis für einen seriösen Account gelegt, jetzt kam Teil zwei meines Plans: Ich fing an, Ministerpräsidenten zu sammeln. Wenn ich im Kreise von befreundeten Länderchefs agierte, würde meine Freundschaftsanfrage an Stefan Mappus wie selbstverständlich, ja folgerichtig wirken.

Bei Horst Seehofer und Klaus Wowi konnte man nur »Gefällt mir« machen, doch Kurt Beck, der Bodenständige, antwortete schon am nächsten Tag und machte mich zu seinem Freund. Ebenso Hannelore Kraft. Dann machte ich Stefan Mappus ein Freundschaftsangebot, das er nicht ausschlagen konnte – und so geschah es: Stefan Mappus und der kleine Peter Uhnemann aus Gera waren Freunde.

Obwohl es mir schwerfiel, stupste ich Mappus erst mal freundschaftlich an.

»Du hast Stefan Mappus angestupst«, meldete Facebook. Klang eklig, aber auch irgendwie interessant. Wenn er jetzt zurückstupste und mein Profil anschaute, würde er staunen. Ich habe viele neue »Gefällt mir«-Einträge: »Peter Uhnemann gefällt Klaus Wowereit, Rosa von Praunheim, Volker Beck, Ole von Beust, Patrick Lindner, Guido Westerwelle, Jürgen Marcus, Rex Gildo, Jogi Löw, George Clooney.« Das war ja wohl eindeutig.

Am nächsten Tag ist der 17. Mai, Peters Geburtstag. Jede Menge dicke schwarze Damen gratulieren herzlich – ich bin beschämt. Und ein wenig enttäuscht, weil Stefan noch nicht zurückgestupst hat. Ich stupse ihn noch mal an.

»Stefan hat deinen letzten Anstupser noch nicht erhalten. Er bekommt ihn, sobald er sich das nächste Mal anmeldet.« Dann wird er auch lesen, was ich ihm an die Pinnwand geschrieben habe: »Hallo Stefan, hab in der Zeitung gelesen, daß du ein Schwulenhasser seist und den CSD ›abstoßend‹ findest – stimmt das? Kann ich ja gar nicht glauben…« Doch Stefan tut so, als habe er es nicht gelesen.

Als Ende Mai überraschend die Bundesnull Horst »Horschti« Köhler zurücktritt, schreibe ich an Stefans Pinnwand: »In dieser jetzigen Krisensituation, Stefan, solltest du die CDU auch für warme Wählerschichten öffnen und im Juli beim CSD in Stuttgart sprechen!« Ein anderer Mappusfreund namens Dominik Reual kommentiert meinen Eintrag: »Sonst hast du aber nichts zu tun? Geh arbeiten und schreib net son Schmarn hier hin!« Weshalb ich am nächsten Tag an Stefans Wand pinne: »Jetzt soll der Wulff Bundespräser werden. Er ist ja ganz süß, aber ich steh mehr auf Dicke, so wie den Stefan.«

Der reagiert noch einigermaßen gelassen, ja gar nicht. Am nächsten Tag pinne ich weiter: »Huhu, Stefan, sag mal, bist du wirklich aus Pforzheim? Nee, also echt jetzt: Pforzheim, hihihi.« Das wird Dominik Reual zu viel, er poltert los: »Sag mal, hast net kapiert. Laß den Scheiß und geh endlich was arbeiten.«

Als ich am nächsten Tag wieder an Stefans Pinnwand schreiben will, habe ich keinen Zugriff mehr. Aus meinem Freunde-Portfolio ist er verschwunden. Mein Freund Stefan hat mich einfach gekickt!

Vielleicht ja nur aus Versehen, hoffe ich, und schicke ihm sofort eine Freundschaftsanfrage – dann geht plötzlich gar nichts mehr. Ich bin blockiert! Ein Fenster geht auf:

Blockiert!

Du wurdest vom Hinzufügen von Freunden blockiert, weil du diese Funktion wiederholt mißbraucht hast. Diese Blockierung kann von ein paar Stunden bis hin zu ein paar Tagen andauern. Bitte sei vorsichtig, wenn du diese Funktion wieder verwenden kannst. Der Versuch, diese Funktion während der Blockierung zu verwenden, kann zur Verlängerung der Blockierung führen.

Wir können diese Blockierung nicht aufheben. Sei daher bitte geduldig und verwende diese Funktion für ein paar Tage nicht, bis die Blockierung beseitigt wurde.

Wenn du diese Funktion wieder verwenden darfst, mußt du dieses Verhalten deutlich verringern oder es gänzlich einstellen. Fortwährender Missbrauch der Funktionen der Seite kann zur zusätzlichen Blockierung oder dauerhaften Sperrung deines Kontos führen.

Leider kann dir Facebook keine genauen Informationen zu den geltenden Grenzwerten mitteilen. Der Grenzwert, bei dem du gewarnt wirst, ist keine konkrete Zahl, sondern wird von verschiedenen Faktoren bestimmt. Dazu zählen Geschwindigkeit, Zeit und Häufigkeit.

Was sollte ich jetzt tun? Den Account bei Ebay einstellen und verkaufen? 50 Freunde kosten bei Ebay 6,99 Euro mit der Sofort-kaufen-Funktion (»Natürlich handelt es sich um deutsche Freunde. Auf Wunsch sind auch andere Nationen möglich. Sie können auch gerne mehrere Angebote buchen, und so Ihre Freundeanzahl erhöhen. Stellen Sie sich vor, Sie haben über 1.000 Freunde!!!«).

Doch ohne meinen Freund Stefan verlor ich irgendwie das Interesse an Facebook. Und ohne seinen Freund Peter Uhnemann war der Abstieg des Stefan Mappus sicher.

So kam, was kam, was kommen mußte: Die Homos tanzten frech auf Stuttgarts frisch gekehrten Straßen, am Horizont zog das Langzeittief »Stuttgart 21« auf, die grünen Ritter des Todes machten sich bereit, Bagger schlugen, Bäume ächzten, Wasserwerfer wuschen Blut von den Straßen, die Erde bebte, Fukushima ging hoch, der Altmeiler Brüderle geriet außer Kontrolle, das Undenkbare geschah – und Stefan hatte weder Freunde noch Wähler. Schluß nach 58 Jahren CDU.

Einige Tage nach dem Wahldebakel – ich hatte ihn schon fast ein bißchen vergessen – kam, wie aus dem Nichts, ein Facebook-Hinweis. Aus der Heimat: »Stefan Mappus hat deine Freundschaftsanfrage bestätigt.«

Nach all den Monaten! Und noch bevor ich mich fragen konnte, ob ich ihm das nach seinem Verrat noch verzeihen sollte, kam schon die nächste Botschaft: »Stefan Mappus hat dich zu der Gruppe ›Wir halten zu Karl-Theodor zu Guttenberg‹ hinzugefügt.«

Nein, das war zuviel, jetzt war das Ende der Freundesstange erreicht. Ich tat, was ich noch nie auf Facebook gemacht hatte: Ich kündigte die Freundschaft. Ich kickte meinen Freund Stefan Mappus. Ich mach doch nicht jeden Scheiß mit.

ausgewähltes Heft

Aktuelle Cartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Also echt, Hollywood-Schauspieler Kevin Bacon!

»Wie wäre es eigentlich, wenn mich niemand kennen würde?« Unter diesem Motto verbrachten Sie mit falschen Zähnen, künstlicher Nase und fingerdicken Brillengläsern einen Tag in einem Einkaufszentrum nahe Los Angeles, um Ihre Erfahrungen als Nobody anschließend in der Vanity Fair breitzutreten.

Die Leute hätten sich einfach an Ihnen vorbeigedrängelt, und niemand habe »Ich liebe Dich!« zu Ihnen gesagt. Als Sie dann auch noch in der Schlange stehen mussten, um »einen verdammten Kaffee zu kaufen«, sei Ihnen schlagartig bewusst geworden: »Das ist scheiße. Ich will wieder berühmt sein.«

Das ist doch mal eine Erkenntnis, Bacon! Aber war der Grund für Ihre Aktion am Ende nicht doch ein anderer? Hatten Sie vielleicht einfach nur Angst, in die Mall zu gehen und als vermeintlicher Superstar von völlig gleichgültigen Kalifornier/innen nicht erkannt zu werden?

Fand Sie nicht umsonst in »Unsichtbare Gefahr« am besten: Titanic

 Grüß Gott, Markus Söder!

Weil der bayerische AfD-Chef Sie wiederholt »Södolf« genannt hat und Sie ihn daraufhin anzeigten, muss dieser Ihnen nun 12 000 Euro wegen Beleidigung zahlen. Genau genommen muss er den Betrag an den Freistaat Bayern überweisen, was aber wiederum Ihnen zugutekommt. Ebenjener zahlt Ihnen ja die Honorare für freie Fotograf/innen, von denen Sie sich bei öffentlichen Anlässen gern begleiten und ablichten lassen. Im Jahr 2022 sollen sich die Kosten auf stolze 180 000 Euro belaufen haben.

Vorschlag: Wenn es Ihnen gelingt, die Prasserei für Ihr Image komplett durch Klagen gegen AfD-Mitglieder querzufinanzieren, stoßen wir uns weniger an Ihrem lockeren Umgang mit öffentlichen Geldern.

Drückt vorauseilend schon mal beide Augen zu: Titanic

 Wie kommt’s, »Krautreporter«?

In einem Artikel zum Thema »Konkurrenz im Job« stellst Du die These auf: »Konkurrenz ist nicht so verpönt wie ihr Ruf.« Aber warum? Was hat der Ruf der Konkurrenz denn bitte verbrochen? Womit hat er seinem Renommee so geschadet, dass er jetzt sogar ein schlechteres Image hat als die Konkurrenz selbst? Und weshalb verteidigst Du in Deinem Artikel dann nur die Konkurrenz und nicht ihren Ruf, der es doch viel nötiger hätte?

Ruft Dir fragend zu:

Deine genau im gleichen Ausmaß wie ihr Ruf verpönte Titanic

 Diese Steilvorlage, Kristina Dunz (»Redaktionsnetzwerk Deutschland«),

wollten Sie nicht liegenlassen. Die Fußballnation hatte sich gerade mit der EM-Viertelfinalniederlage gegen Spanien angefreundet, der verlorene Titel schien durch kollektive Berauschtheit an der eigenen vermeintlich weltoffenen Gastgeberleistung sowie durch die Aussicht auf vier Jahre passiv-aggressives Gemecker über die selbstverständlich indiskutable Schiedsrichterleistung (»Klarer Handelfmeter!«) mehr als wiedergutgemacht, da wussten Sie einen draufzusetzen. Denn wie es Trainer Julian Nagelsmann verstanden habe, »eine sowohl fußballerisch als auch mental starke National-Elf zu bilden«, die »zupackt und verbindet«, hinter der sich »Menschen versammeln« können und der auch »ausländische Fans Respekt zollen«, und zwar »auf Deutsch« – das traf genau die richtige Mischung aus von sich selbst berauschter Pseudobescheidenheit und nationaler Erlösungsfantasie, die eigentlich bei bundespräsidialen Gratulationsreden fällig wird, auf die wir dank des Ausscheidens der Mannschaft aber sonst hätten verzichten müssen.

Versammelt sich lieber vorm Tresen als hinter elf Deppen: Titanic

 Endlich, »ARD«!

Seit Jahren musst Du Dich rechtfertigen, weil Du immer wieder die NS-Enthusiast/innen von der AfD zu Kuschelkursinterviews einlädst und ihnen eine gebührenfinanzierte Plattform bietest, damit sie Dinge verbreiten können, die sich irgendwo zwischen Rassenlehre und Volksverhetzung befinden. Aber jetzt hast Du es den Hatern endlich gezeigt und AfD-Anführer Tino Chrupalla in das härteste Interviewformat ever eingeladen: »Frag selbst«, das freaky Social-Media-Format von der Tagesschau, das schon Olaf Scholz mit knallharten Fragen à la »Wann Döner wieder drei Euro?« niedergerungen hat. Wir sind uns sicher: Besser als mit einem Kartoffelranking auf dem Twitch-Kanal der Tagesschau kann die AfD gar nicht entlarvt werden!

Legt schon mal die Chips bereit: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Zeitsprung

Dem Premierenpublikum von Stanley Kubricks »2001: Odyssee im Weltraum« wird der Film 1968 ziemlich futuristisch II vorgekommen sein.

Daniel Sibbe

 Claims texten, die im Kopf bleiben

Ist »Preissturz bei Treppenliften« wirklich eine gute Catchphrase?

Miriam Wurster

 Liebesgedicht

Du bist das Ästchen,
ich bin der Stamm.
Du bist der Golo,
ich Thomas Mann.
Du bist Borkum,
ich bin Hawaii.
Du bist die Wolke,
ich bin gleich drei.
Du bist das Würmchen,
ich bin das Watt.
Du bist die Klinke,
ich bin die Stadt.
Du bist das Blättchen,
ich jetzt der Ast.
Sei still und freu dich,
dass du mich hast.

Ella Carina Werner

 Verabschiedungsrituale

Wie sich verabschieden in größerer Runde, ohne dass es ewig dauert? Ich halte es so: Anstatt einen unhöflichen »Polnischen« zu machen, klopfe ich auf den Tisch und sage: »Ich klopf mal, ne?«. Weil mir das dann doch etwas unwürdig erscheint, klopfe ich im Anschluss noch mal bei jeder Person einzeln. Dann umarme ich alle noch mal, zumindest die, die ich gut kenne. Den Rest küsse ich vor lauter Verunsicherung auf den Mund, manchmal auch mit Zunge. Nach gut zwanzig Minuten ist der Spuk dann endlich vorbei und ich verpasse meine Bahn.

Leo Riegel

 Feuchte Träume

Träumen norddeutsche Comedians eigentlich davon, es irgendwann mal auf die ganz große Buhne zu schaffen?

Karl Franz

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
03.08.2024 Kassel, Caricatura-Galerie Miriam Wurster: »Schrei mich bitte nicht so an!«
04.08.2024 Frankfurt/M., Museum für Komische Kunst Die Dünen der Dänen – Das Neueste von Hans Traxler
04.08.2024 Frankfurt/M., Museum für Komische Kunst »F. W. Bernstein – Postkarten vom ICH«
09.08.2024 Bremen, Logbuch Miriam Wurster