Inhalt der Printausgabe

Der letzte Mensch

Stefan Mappus, Ministerpräsident von Baden-Württemberg

Das ist mein Büro

Mappus im Kreise seiner Mitarbeiterinnen

Es ist ein klarer Montagmorgen und ein fast ebenso klarer Schnaps, den uns Stefan Mappus anbietet, als wir an seinem Schreibtisch klingeln. »Da fragt sich’s gleich entspannter«, orgelt es aus dem sympathischen Landesfürsten, der uns als zusätzliche Begrüßung diskret je einen Umschlag in die Potasche schiebt.

Das Büro ist eher klein. Schwere Samtvorhänge lassen fast kein Tageslicht in den nach Moschus und edlem Whiskey duftenden Raum. Rote Laternen verbreiten wenig Licht, aber viel Atmosphäre. Hinter dem Tresen begrüßt uns die alte Margot mit einem unwirschen Nicken, ohne damit aufzuhören, die Biergläser mit einem Lappen schmutzig zu wischen. Mappus drückt ihr einen Schmatz auf die Wange, sie wedelt ihn müde mit dem Geschirrtuch fort. Der hochumstrittene Jungschlawiner zieht seine Schuhe aus, öffnet den Gürtel und läßt sich ächzend in seinen teigig glänzenden Chefsessel fallen. Der Schreibtisch ist wuchtig und braun, mit Beschlägen aus Meteoreisen. »Das ist ein historisches Möbel«, erklärt Mappus, »dafür hat die tausendjährige Eiche im Stuttgarter Schloßpark ihr Leben gelassen.« Die vielen Familienfotos verdecken die Arbeitsfläche fast vollständig. »Alles Familien, die bei den Stuttgart-21-Demos unter die Räder gekommen sind«, brummt er und zündet sich eine Zigarre mit einem der Fotos an. »Jedes dieser Bilder brennt sich wie eine unauslöschliche Tabakglut in meine Brax-Hose.« Seine perfekt manikürte Monsterpranke fährt in eine Schale mit knusprig gebratenen Schweinsohren.

Ein liebliches Zwitschern läßt uns herumfahren. Mappus zeigt auf den goldenen Vogelkäfig, in dem eine struppige Elster mit einem Fingerknöchelchen spielt. »Niedlich, oder? Sie heißt Mopsus – ein Name, der mir eingefallen ist, als ich mal an meinen eigenen Namen denken mußte, bei so ’ner Steuersache«, lacht er aus vollem Kinn. Irgendwo klingelt ein Handy. Mappus wühlt nervös in seinen Speckfalten, gibt aber schon nach zwei Sekunden erschöpft auf. »Die alle durchzuprobieren, ist mir jetzt zu blöd«, sagt er und weist auf eine offene Kiste voller Handys neben dem Schreibtisch. Dahinter stapeln sich DVDs in neutralen Hüllen bis zur Decke. »Ich bin noch nicht dazu gekommen, das alles zu sichten. Wenn Ihnen was gefällt, stecken Sie’s einfach ein. Mach’ ich ja auch immer so.« Margot hat inzwischen die Vorhänge aufgezogen, die goldenen Sonnenstrahlen spielen im nur flüchtig weggepusteten Kokainstaub auf dem Ledersofa, wo der Schweißabdruck zweier Körper zu sehen ist. Ein Mobile aus Schrumpfköpfen dreht sich in dem warmen Frühlingswind, der gerade mit Donnerhall aus Mappus fährt. Verschmitzt lächelt er uns an: »Tschulli, ein Fürzle. Wir in Bawü sind in solchen Sachen vielleicht unverkrampfter als die Homos in Berlin.«

Stefan Mappus ist 44, sieht aber durch seinen stechenden Blick, seine gedrungene, lauernde Haltung und seinen schwammigen, konturlosen Kopf deutlich reifer aus – die Souveränität eines Silberrückens, kombiniert mit dem frechen Lachen des ewigen Lausbuben und der grundehrlichen Gaunervisage eines geborenen Schurken. Diese Mischung gibt ihm etwas Schillerndes, wie ein Benzinfleck auf einer zu engen Bluse. Der Kampf gegen die Korruption im Land hat Mappus sichtlich Kraft gekostet, ihn vor der Zeit altern lassen: »Schließlich mußte ich mich dem Monster Korruption geschlagen geben. Aber dafür habe ich eine andere Schlacht gewonnen: gegen die Homosexualität!« sagt er und schlägt sich auf seine begeistert schlackernden Brüste. »Die gibt es hier im Ländle praktisch gar nicht mehr. Meine eigene habe ich aus mir rausgeprügelt, dafür darf sich keiner zu schade sein. Und wer was anderes behauptet, hat wohl selber zu warm gebadet.«

Plötzlich rumst etwas. Eine Prostituierte ist gerade aufgewacht und stolpert verwirrt aus dem Kleiderschrank. »Mensch Mutti, schön, daß du mal reinschneist«, begrüßt sie Mappus und drückt ihr einen gefälschten Tausend-Euro-Schein in die zitternde Hand, »ich muß noch ein Interview geben, aber danach helfe ich dir gerne beim Ausziehen. Ein Umzug ist in diesem Alter ja kein Fotzenschlecken«, wendet er sich wieder an uns. Margot tupft ihm mit dem Spüllappen den Speichel aus den Mundwinkeln, während wir ihn um eine Stellungnahme zur Landtagswahl bitten. »Das ist eine Entscheidungswahl. Die Grünen wollen uns das Geld wegnehmen und unsere Kinder in Schwulenpuffs unterrichten. Dagegen werde ich kämpfen«, weint der sichtlich erschöpfte Ministerpräsident und versucht vergeblich, die fetten Finger zur Faust zu ballen. Nachdem Margot sie wieder sortiert hat, erläutert er seine Strategie: »Wenn die Scheißgrünen gewinnen, gehe ich persönlich mit der Pumpgun auf den Schloßplatz, mähe alle nieder, die nicht bei drei auf dem Baum sind. Leider gibt’s da keinen Baum mehr, wohoho! Dann werden die Leute sehen, was sie an mir hatten.« Immer leiser wimmert es aus dem unendlich traurigen Fettkloß, als ihm Margot eine Morphiumspritze setzt. »Richtig wohl fühle ich mich ohnehin nur im Gefängnis. Da kann ich in Ruhe verleumderische Bücher schreiben und Drogen verticken. Tschüßle, ihr netten Schwuchteln! Und schreibt was Schönes.« Wird gemacht, Boß!

 

Leo Fischer / Michael Ziegelwagner

ausgewähltes Heft

Aktuelle Cartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Mahlzeit, Erling Haaland!

Mahlzeit, Erling Haaland!

Zur Fußballeuropameisterschaft der Herren machte erneut die Schlagzeile die Runde, dass Sie Ihren sportlichen Erfolg Ihrer Ernährung verdankten, die vor allem aus Kuhherzen und -lebern und einem »Getränk aus Milch, Grünkohl und Spinat« besteht.

»Würg!« mögen die meisten denken, wenn sie das hören. Doch kann ein Fußballer von Weltrang wie Sie sich gewiss einen persönlichen Spitzenkoch leisten, der die nötige Variation in den Speiseplan bringt: morgens Porridge aus Baby-Kuhherzen in Grünkohl-Spinat-Milch, mittags Burger aus einem Kuhleber-Patty und zwei Kuhherzenhälften und Spinat-Grünkohl-Eiscreme zum Nachtisch, abends Eintopf aus Kuhherzen, Kuhleber, Spi… na ja, Sie wissen schon!

Bon appétit wünscht Titanic

 Ach, welt.de!

Die Firma Samyang stellt offenbar recht pikante Instant-Ramen her. So pikant, dass Dänemark diese jetzt wegen Gesundheitsbedenken vom Markt genommen hat. Und was machst Du? Statt wie gewohnt gegen Verbotskultur und Ernährungsdiktatur zu hetzen, denunzierst Du Samyang beim Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit, wo Du fast schon hämisch nachfragst, ob das Produkt vielleicht auch hierzulande verboten werden könne.

Das Amt sekundiert dann auch sogleich bei der Chilifeindlichkeit und zählt als angebliche »Vergiftungssymptome« auf: »brennendes Gefühl im (oberen) Magen-Darm-Trakt, Sodbrennen, Reflux bis hin zu Übelkeit, Erbrechen und Schmerzen im Bauch- und Brustraum. Bei hohen Aufnahmemengen können zudem Kreislaufbeschwerden auftreten – beispielsweise Kaltschweißigkeit, Blutdruckveränderungen und Schwindel«. Hallo? Neun von zehn dieser »Nebenwirkungen« sind doch der erwünschte Effekt einer ordentlich scharfen Suppe! Erbrechen müssen wir höchstens bei so viel Hetze!

Feurig grüßt Titanic

 Du wiederum, »Spiegel«,

bleibst in der NBA, der Basketball-Profiliga der Männer in den USA, am Ball und berichtest über die Vertragsverlängerung des Superstars LeBron James. »Neuer Lakers-Vertrag – LeBron James verzichtet offenbar auf Spitzengehalt«, vermeldest Du aufgeregt.

Entsetzt, Spiegel, müssen wir feststellen, dass unsere Vorstellung von einem guten Einkommen offenbar um einiges weiter von der Deiner Redakteur/innen entfernt ist als bislang gedacht. Andere Angebote hin oder her: 93 Millionen Euro für zwei Jahre Bällewerfen hätten wir jetzt schon unter »Spitzengehalt« eingeordnet. Reichtum ist wohl tatsächlich eine Frage der Perspektive.

Arm, aber sexy: Titanic

 Grüß Gott, Markus Söder!

Weil der bayerische AfD-Chef Sie wiederholt »Södolf« genannt hat und Sie ihn daraufhin anzeigten, muss dieser Ihnen nun 12 000 Euro wegen Beleidigung zahlen. Genau genommen muss er den Betrag an den Freistaat Bayern überweisen, was aber wiederum Ihnen zugutekommt. Ebenjener zahlt Ihnen ja die Honorare für freie Fotograf/innen, von denen Sie sich bei öffentlichen Anlässen gern begleiten und ablichten lassen. Im Jahr 2022 sollen sich die Kosten auf stolze 180 000 Euro belaufen haben.

Vorschlag: Wenn es Ihnen gelingt, die Prasserei für Ihr Image komplett durch Klagen gegen AfD-Mitglieder querzufinanzieren, stoßen wir uns weniger an Ihrem lockeren Umgang mit öffentlichen Geldern.

Drückt vorauseilend schon mal beide Augen zu: Titanic

 Hi, Daniel Bayen!

Sie sind sehr jung und waren mit Ihrer Firma für Vintage-Klamotten namens Strike vorübergehend sehr erfolgreich. Die ist jetzt pleite, machte aber zeitweise 2,9 Millionen Euro Umsatz. Der Bedarf war so groß, dass Correctiv-Recherchen zufolge sogar massenhaft Neuware zwischen die Secondhand-Bekleidung gemischt wurde. Auch Sie räumten demnach ein, gefälschte Ware geordert zu haben. Allerdings, so behaupten Sie, nur, um Ihren »Mitarbeitern zu zeigen, wie man gefälschte Ware identifiziert und aussortiert«.

Aber Bayen, Ihre Expertise besteht doch darin, neue Sachen auf alt zu trimmen. Also versuchen Sie bitte nicht, uns solche uralten Tricks zu verkaufen!

Recycelt Witze immer nach allen Regeln der Kunst: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Räpresentation

Als Legastheniker fühle ich mich immer etwas minderwertig und in der Gesellschaft nicht sehr gesehen. Deshalb habe ich mich gefreut, auf einem Spaziergang durch Darmstadt an einer Plakette mit der Aufschrift »Deutscher Legastheniker-Verband« vorbeizukommen. Nur um von meiner nichtlegasthenischen Begleitung aufgeklärt zu werden, dass es sich dabei um den »Deutschen Leichtathletik-Verband« handele und und umso teifer in mein Loch züruckzufalllen.

Björn Weirup

 Verabschiedungsrituale

Wie sich verabschieden in größerer Runde, ohne dass es ewig dauert? Ich halte es so: Anstatt einen unhöflichen »Polnischen« zu machen, klopfe ich auf den Tisch und sage: »Ich klopf mal, ne?«. Weil mir das dann doch etwas unwürdig erscheint, klopfe ich im Anschluss noch mal bei jeder Person einzeln. Dann umarme ich alle noch mal, zumindest die, die ich gut kenne. Den Rest küsse ich vor lauter Verunsicherung auf den Mund, manchmal auch mit Zunge. Nach gut zwanzig Minuten ist der Spuk dann endlich vorbei und ich verpasse meine Bahn.

Leo Riegel

 Unübliche Gentrifizierung

Zu Beginn war ich sehr irritiert, als mich der Vermieter kurz vor meinem Auszug aufforderte, die Bohr- und Dübellöcher in den Wänden auf keinen Fall zu füllen bzw. zu schließen. Erst recht, als er mich zusätzlich darum bat, weitere Löcher zu bohren. Spätestens, als ein paar Tage darauf Handwerkerinnen begannen, kiloweise Holzschnitzel und Tannenzapfen auf meinen Böden zu verteilen, wurde mir jedoch klar: Aus meiner Wohnung wird ein Insektenhotel!

Ronnie Zumbühl

 Feuchte Träume

Träumen norddeutsche Comedians eigentlich davon, es irgendwann mal auf die ganz große Buhne zu schaffen?

Karl Franz

 Lifehack von unbekannt

Ein Mann, der mir im Zug gegenüber saß, griff in seine Tasche und holte einen Apfel heraus. Zu meinem Entsetzen zerriss er ihn mit bloßen Händen sauber in zwei Hälften und aß anschließend beide Hälften auf. Ich war schockiert ob dieser martialischen wie überflüssigen Handlung. Meinen empörten Blick missdeutete der Mann als Interesse und begann, mir die Technik des Apfelzerreißens zu erklären. Ich tat desinteressiert, folgte zu Hause aber seiner Anleitung und zerriss meinen ersten Apfel! Seitdem zerreiße ich fast alles: Kohlrabi, Kokosnüsse, anderer Leute Bluetoothboxen im Park, lästige Straßentauben, schwer zu öffnende Schmuckschatullen. Vielen Dank an den Mann im Zug, dafür, dass er mein Leben von Grund auf verbessert hat.

Clemens Kaltenbrunn

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
03.08.2024 Kassel, Caricatura-Galerie Miriam Wurster: »Schrei mich bitte nicht so an!«
04.08.2024 Frankfurt/M., Museum für Komische Kunst Die Dünen der Dänen – Das Neueste von Hans Traxler
04.08.2024 Frankfurt/M., Museum für Komische Kunst »F. W. Bernstein – Postkarten vom ICH«
09.08.2024 Bremen, Logbuch Miriam Wurster