Inhalt der Printausgabe

Das ist super: Unter der Schirmherrschaft von Bundespräsident Wulff (Deutsche Bank) prämiert die Standortinitiative »Deutschland – Land der Ideen« Projekte, die einen Beitrag zur Zukunftsfähigkeit Deutschlands leisten. Laut Presseinformation stehen die 365 Ausgewählten Orte »für Ideenreichtum, Zukunftsorientierung und Umsetzungsstärke«. TITANIC stellt die Kandidaten vor.

Kindermusikförderung

In Kassel entdecken arbeitslose Kinder die Macht der Töne

Unter der Aufsicht von Olli Ringwald ist hier in den vergangenen zwei Wochen ein beeindruckendes Förderprojekt entstanden: Vier Kasseler Arbeitslose führen eine Gruppe Kinder an das Geheimnis der Musik heran – ohne selbst einen Ton spielen zu können! Arbeitslose und Kinder bemalen zusammen Geigen mit Fingerfarben, lernen den Namen eines Instruments auswendig (»Harfe«, »Hupe«) und töpfern Klaviere. In der Schminkecke werden sie wie Beethoven oder Bruckner zurechtgemacht. Die Kinder gewinnen so einen spielerischen Zugang zu dem Gedanken, daß Musik im späteren Leben nützlich sein kann.

Golf trifft Naturschutz

Das Engagement einer rüstigen Geschäftsfrau verwandelt öde Natur in eine grüne Erholungsoase

Der Natur was Gutes tun und dabei entspannt einlochen: Eine Idee von Christa Ferstl aus Schwandorf macht es möglich. Die hundertjährige Eiche beherbergt einen Kiosk, das Eichhörnchen gibt den Caddy. Als Soundtrack erklingt das lustige Gezwitscher des vom Aussterben bedrohten Blaufußkehlchens, das fröhlich sein Revier verteidigt. »Der Golfsport ist untrennbar mit der Natur verbunden«, meint Frau Ferstl. Deswegen hat sie zusammen mit ihrem Mann Sepp in jahrelanger Rückbauarbeit das Naturschutzgebiet Seligenau in die »Grüne Golf-Lunge Schwandorf« verwandelt – Deutschlands ersten Golfclub auf ökologisch wertvollem Grund. Ein lärmreduziertes Parkhaus und Bio-Hörnchen aus Guatemala machen das Angebot besonders nachhaltig.

Gemütlichkeit und Energie

Wie ein einzelner Kamin Gemütlichkeit und Energie kombiniert

2005 wurde in Freising der inzwischen europaweit bekannte »Offene Kamin Freising« feierlich entzündet. Bundespräsident Wulff lobte in seiner Eröffnungsrede die Gemütlichkeit und Energie, die der Kamin heute in ganz Freising verteilt. Der Offene Kamin steht dabei symbolisch für Offenheit, für Wärme und für alle bereit, die was reintun wollen: Ob Hausmüll, Kabelbinder oder langweilige Haustiere, der offene Kamin ist für alle Bürger »offen«. Nach seiner Rede übergab Wulff sein Manuskript den Flammen, als knisterndes Beispiel der Verständigung zwischen Mensch und Feuer.

Spielende Demokratie

In dieser Skatrunde geht es nicht nur ums Gewinnen, sondern auch um unsere Zukunft

Jeden Freitagabend treffen sich Keno, Manni, Moppel und der Fred in der Garage von Kenos Mutter in Krefeld, um dort ein Zeichen gegen Extremismus zu setzen. Dabei steht die Runde immer unter einem anderen Motto: »Wir skaten gegen Nazis«, »Bei uns machen Rassisten keinen Stich«, »Karte oder ein Stück Holz – gegen das Vergessen!« Schon jetzt unterstützt die Europäische Union das Projekt mit 32 Millionen Euro. Für den Sommer haben die vier schon neue Ideen: »In den Urlaub fahren gegen rechts!« Die Extremisten bleiben in den Sommermonaten allein in Krefeld zurück und bekommen nur ganz wenige Postkarten.

Effizienz im Kleinen

Eine Hausfrau aus Berlin stellt ihr kleines Reich gehörig auf den Kopf

Britta Hustenmann sprudelt geradezu vor Ideen: Beim Hausputz steigt sie auf einen wackligen Stuhl, dessen Lehne sie vorher angesägt hat, um die auf dem Schrank stehende Ming-Vase abzustauben – mit einem Fön! Mit Courage und Eigensinn tüftelt die Berliner Hausfrau jeden Tag aufs neue aus, wie sie die dröge Arbeit effizienter und spannender gestalten kann. Während in der Mikrowelle gerade die Wäsche trocknet, hängt sie den Hund zum Gassigehen aus dem Fenster. Dabei raucht sie Zigarren, die sie aus alten Zigarettenstummeln herstellt. Ein längerer Krankenhausaufenthalt bremst derzeit Frau Hustenmanns Enthusiasmus – die Europäische Union versüßt ihn ihr mit 2 Millionen Euro.

Hannover im Glück

Ein ganz besonderes Affenhaus bedient den Tierfreund mit dem etwas anderen Geschmack

Uraltes indonesisches Brauchtum trifft deutsche Innovation:
In Hannover wurde vor zwei Jahren das erste europäische Affenbordell eröffnet. Der bekannte niedersächsische Unternehmer Carsten Maschmeyer lernte während eines Asienurlaubs diese Tradition kennen und schätzen. Zurück in Deutschland gründete er mit dem TV-Schimpansen Charly den »Banana-Club« am Steintor. Mittlerweile trifft sich dort die gesamte Hannoveraner Szene.

Ob eine stattliche Gorilla-Lady oder ein rassiges Pavian-Girl, ob rasiert oder nicht – jeder kommt hier auf seine Kosten. Für die schmale Nüßchenbörse gibt es Totenkopfäffchen und Koboldmakis, für den exotischen Genuß Bonobo-Warane. »Tierliebe bringt die Menschen zusammen – mit einem Tier«, meinte Stammgast Christian Wulff bei der Eröffnung, als er einen Scheck der Aktion Unmensch überreichte.

Diagnose – ganz ohne Arzt

Der Alzheimer-Notruf: 030 / 411 87 653 000 111 000 17 25 4 33 333

Wer kennt das nicht: Plötzlich vergißt man, die eigenen Kinder zu verwechseln oder die Pommes ins richtige Spülmaschinenfach zu sortieren. Ist das schon Alzheimer? Oder nur Altersblödheit? Wo bisher nur der Arztdoktor Rat wußte, gibt es jetzt ein einfaches, schmerzloses Diagnoseverfahren für zu Hause: Wer sich die Berliner Diagnose-Hotline 030 / 411 87 653 000 111 000 17 25 4 33 333 merken kann, hat sicher keinen Alzheimer. Statt dessen gratuliert eine automatische Ansage: »Herzlichen Glückwunsch, Sie sind gesund!« 50% der Einnahmen fließen direkt in ein anderes Projekt aus dieser Liste.

Schmalkaldener Grube

Hier wurde endlich das Loch gegraben, aus dem Deutschland pfeifen kann. »Außerdem könnten hier doch ein paar EU-Milliarden verschwinden«, meint Oberbürgermeister Harald Nagut.

Ein Segway mit Fuchsschwanz

»Ich hab den da oben draufmontiert! Ist doch auch ‘ne Idee, oder nicht?« Das sah die Bundesregierung genauso: Sie übergab Hermann L. Brezina aus Offenbach eine funkelnagelneue Hermes-Bürgschaft.

Shoppen am Sonntag

Eine clevere Idee des Einzelhandelsverbands Gütersloh!

So gewinnt der Einzelhandel einen Tag mehr, an dem er Sachen verkaufen kann. Und auch der Verbraucher profitiert von den günstigen Angeboten. Die Unesco fördert dieses Projekt mit 5000 Bonusmeilen.

Mut im Stuhl

Darmspiegelung für Kinder und Brustkrebsuntersuchungen für Neugeborene – es klingt sinnlos, aber Kinder können gar nicht früh genug anfangen, sich um ihre Gesundheit Sorgen zu machen. Unter der Schirmherrschaft von Michael Schanze entstehen derzeit in der Berliner Charité eine spanische Wand und eine Liege mit ein paar schwarzen Handschuhen darauf. Und natürlich jede Menge medizinische Geräte, die man in Kinder reinschieben kann.

Schüler gehen in die Schule

Um Geschlossenheit zu demonstrieren und den Bildungsgedanken zu stärken, verpflichtet sich die gesamte Schülerschaft des Gymnasiums Wismar, jeden zweiten Freitag im Monat für zwei Stunden ins Klassenzimmer zu gehen. So bereiten sie sich spielerisch auf das Leben an der Universität bzw. aufs Arbeitsamt vor – und haben außerdem Anspruch auf eine Fördermillion aus diversen Subventionstöpfen.

Bemerkenswert

Rita Messerschmitt aus Halle hat schon länger die Idee, daß ein Schwarzer Mann, der in der Küchenschublade wohnt, ihr Sparschwein stehlen will. Eine Idee, die sie schon seit Jahren verfolgt! Die Initiative »Schwarze Männer in Deutschland« fördert diese Idee mit 50 Millionen Euro und dem Versprechen: »Wir kriegen dich! Redrum!«

 

Leo Fischer / Michael Ziegelwagner

ausgewähltes Heft

Aktuelle Cartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Ach, welt.de!

Die Firma Samyang stellt offenbar recht pikante Instant-Ramen her. So pikant, dass Dänemark diese jetzt wegen Gesundheitsbedenken vom Markt genommen hat. Und was machst Du? Statt wie gewohnt gegen Verbotskultur und Ernährungsdiktatur zu hetzen, denunzierst Du Samyang beim Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit, wo Du fast schon hämisch nachfragst, ob das Produkt vielleicht auch hierzulande verboten werden könne.

Das Amt sekundiert dann auch sogleich bei der Chilifeindlichkeit und zählt als angebliche »Vergiftungssymptome« auf: »brennendes Gefühl im (oberen) Magen-Darm-Trakt, Sodbrennen, Reflux bis hin zu Übelkeit, Erbrechen und Schmerzen im Bauch- und Brustraum. Bei hohen Aufnahmemengen können zudem Kreislaufbeschwerden auftreten – beispielsweise Kaltschweißigkeit, Blutdruckveränderungen und Schwindel«. Hallo? Neun von zehn dieser »Nebenwirkungen« sind doch der erwünschte Effekt einer ordentlich scharfen Suppe! Erbrechen müssen wir höchstens bei so viel Hetze!

Feurig grüßt Titanic

 Hi, Daniel Bayen!

Sie sind sehr jung und waren mit Ihrer Firma für Vintage-Klamotten namens Strike vorübergehend sehr erfolgreich. Die ist jetzt pleite, machte aber zeitweise 2,9 Millionen Euro Umsatz. Der Bedarf war so groß, dass Correctiv-Recherchen zufolge sogar massenhaft Neuware zwischen die Secondhand-Bekleidung gemischt wurde. Auch Sie räumten demnach ein, gefälschte Ware geordert zu haben. Allerdings, so behaupten Sie, nur, um Ihren »Mitarbeitern zu zeigen, wie man gefälschte Ware identifiziert und aussortiert«.

Aber Bayen, Ihre Expertise besteht doch darin, neue Sachen auf alt zu trimmen. Also versuchen Sie bitte nicht, uns solche uralten Tricks zu verkaufen!

Recycelt Witze immer nach allen Regeln der Kunst: Titanic

 Gemischte Gefühle, Tiefkühlkosthersteller »Biopolar«,

kamen in uns auf, als wir nach dem Einkauf Deinen Firmennamen auf der Kühltüte lasen. Nun kann es ja sein, dass wir als notorisch depressive Satiriker/innen immer gleich an die kühlen Seiten des Lebens denken, aber die Marktforschungsergebnisse würden uns interessieren, die suggerieren, dass Dein Name positive und appetitanregende Assoziationen in der Kundschaft hervorruft!

Deine Flutschfinger von Titanic

 Mmmh, Futterparadies Frankfurt a. M.!

Du spielst in einem Feinschmecker-Ranking, das die Dichte der Michelin-Sterne-Restaurants großer Städte verglichen hat, international ganz oben mit: »Laut einer Studie des renommierten Gourmet-Magazins Chef’s Pencil teilen sich in der hessischen Metropole 77 307 Einwohner ein Sterne-Restaurant.«

Aber, mal ehrlich, Frankfurt: Sind das dann überhaupt noch echte Gourmet-Tempel für uns anspruchsvolle Genießer/innen? Wird dort wirklich noch köstlichste Haute Cuisine der allerersten Kajüte serviert?

Uns klingt das nämlich viel eher nach monströsen Werkskantinen mit übelster Massenabfertigung!

Rümpft blasiert die Nase: die Kombüsenbesatzung der Titanic

 Diese Steilvorlage, Kristina Dunz (»Redaktionsnetzwerk Deutschland«),

wollten Sie nicht liegenlassen. Die Fußballnation hatte sich gerade mit der EM-Viertelfinalniederlage gegen Spanien angefreundet, der verlorene Titel schien durch kollektive Berauschtheit an der eigenen vermeintlich weltoffenen Gastgeberleistung sowie durch die Aussicht auf vier Jahre passiv-aggressives Gemecker über die selbstverständlich indiskutable Schiedsrichterleistung (»Klarer Handelfmeter!«) mehr als wiedergutgemacht, da wussten Sie einen draufzusetzen. Denn wie es Trainer Julian Nagelsmann verstanden habe, »eine sowohl fußballerisch als auch mental starke National-Elf zu bilden«, die »zupackt und verbindet«, hinter der sich »Menschen versammeln« können und der auch »ausländische Fans Respekt zollen«, und zwar »auf Deutsch« – das traf genau die richtige Mischung aus von sich selbst berauschter Pseudobescheidenheit und nationaler Erlösungsfantasie, die eigentlich bei bundespräsidialen Gratulationsreden fällig wird, auf die wir dank des Ausscheidens der Mannschaft aber sonst hätten verzichten müssen.

Versammelt sich lieber vorm Tresen als hinter elf Deppen: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Lifehack von unbekannt

Ein Mann, der mir im Zug gegenüber saß, griff in seine Tasche und holte einen Apfel heraus. Zu meinem Entsetzen zerriss er ihn mit bloßen Händen sauber in zwei Hälften und aß anschließend beide Hälften auf. Ich war schockiert ob dieser martialischen wie überflüssigen Handlung. Meinen empörten Blick missdeutete der Mann als Interesse und begann, mir die Technik des Apfelzerreißens zu erklären. Ich tat desinteressiert, folgte zu Hause aber seiner Anleitung und zerriss meinen ersten Apfel! Seitdem zerreiße ich fast alles: Kohlrabi, Kokosnüsse, anderer Leute Bluetoothboxen im Park, lästige Straßentauben, schwer zu öffnende Schmuckschatullen. Vielen Dank an den Mann im Zug, dafür, dass er mein Leben von Grund auf verbessert hat.

Clemens Kaltenbrunn

 Ein Lächeln

Angesichts der freundlichen Begrüßung meinerseits und des sich daraus ergebenden netten Plausches mit der Nachbarin stellte diese mir die Frage, welches der kürzeste Weg zwischen zwei Menschen sei. Sie beantwortete glücklicherweise ihre Frage gleich darauf selbst, denn meine gottlob nicht geäußerte vage Vermutung (Geschlechtsverkehr?) erwies sich als ebenso falsch wie vulgär.

Tom Breitenfeldt

 Der kästnerlesende Bläser

Es gibt nichts Gutes
außer: Ich tut’ es.

Frank Jakubzik

 Feuchte Träume

Träumen norddeutsche Comedians eigentlich davon, es irgendwann mal auf die ganz große Buhne zu schaffen?

Karl Franz

 Zeitsprung

Dem Premierenpublikum von Stanley Kubricks »2001: Odyssee im Weltraum« wird der Film 1968 ziemlich futuristisch II vorgekommen sein.

Daniel Sibbe

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
03.08.2024 Kassel, Caricatura-Galerie Miriam Wurster: »Schrei mich bitte nicht so an!«
04.08.2024 Frankfurt/M., Museum für Komische Kunst Die Dünen der Dänen – Das Neueste von Hans Traxler
04.08.2024 Frankfurt/M., Museum für Komische Kunst »F. W. Bernstein – Postkarten vom ICH«
09.08.2024 Bremen, Logbuch Miriam Wurster