Inhalt der Printausgabe

Weltliteratur

Hammer pur!

Noch mehr Enthüllungen!

Outings vom Feinsten!

 

Alle Geheimnisse gelüftet

Die Fachwelt steht kopf: Wie der Abenteuerschriftsteller Raoul Schrott herausfand, war Homer gar kein griechischer Reisefreak, sondern assyrischer Schreib­be­amter. Und sein Troja lag nicht am Hellespont, sondern an der heutigen türkisch-syrischen Grenze! Nach dieser Entdeckung muß die Geschichte der Literatur, ja des Abendlandes neu ge­schrieben werden – die Versöhnung von Orient und Okzident liegt in greifbarer Nähe. Und anschließend kann alles wieder um- und nochmals neu ge­schrieben werden, denn schon wartet der Bücherfrühling mit den letzten sensa­tionellen Enthüllungen der Weltliteratur auf. Aber staunen Sie selbst.

Über Cervantes weiß man nicht viel, und das wenige, was man weiß, ist falsch – so ermittelte jetzt Slamromancieuse Juli Zeh. Zum Quellenstudium flog sie eigens nach Spanien, dorthin, wo die Flüsse Tajo, Ebro und Duero ­entspringen. Ergebnis: Niemand kennt dort einen ­Cervantes, geschweige einen Don ­Quijote, denn die berühmten Windmühlen, die bisher in La Mancha verortet wurden, ­liegen in Wahrheit in – Holland. Beweis laut Zeh: Sancho Pansa sieht nicht nur so aus, sondern wird im Niederländischen auch exakt so ausgesprochen wie Harry Wijnvoord. Zwar ist noch unklar, ob Cervantes selber Halbholländer war oder vielleicht nur Holländer. In jedem Fall aber rückt das unbegreifliche Land der deichbauenden Erdnußbutteresser wieder ein Stück näher an Europa heran.

Wer genau Shakespeare eigentlich war, weiß ebenfalls immer noch keiner. Bzw. doch, einer schon. Poesie-Mogul Durs Grünbein nämlich sagt: Der ­weltberühmte Stratford-upon-Avoner war in Wirklichkeit ein unterbeschäftigter Diplommeteo­rologe aus Regensburg. Eines der unzähligen Indizien: Dauernd taucht bei Shakes­peare Wetter auf (»When shall we three meet again? In thunder, lightning, or in rain?«, »Shall I compare thee to a Summer’s day?«, »The Tempest« etc.) – der Dichtersmann war von Witterung regelrecht besessen. Da es in Regensburg, ganz wie in England, davon nur eine ­Sorte gibt, spann sich Shakespeare sein je­weiliges Traumwetter in Hunderten von Stücken und Millionen von Gedichten zurecht. Den Rest (Prinzen, Weiber, ­Zwerge) erfand er übrigens einfach dazu; vermutlich, so Grünbein, um uns Heutige an unsere gemeinsame Verantwortung für das ­Wetter zu erinnern.

Karl Marx war hinter den wallenden Haaren und dem Rauschebart ein ganz anderer, so das Ergebnis neuer sensationeller Studien des Ostheimat-Autors ­Thomas Brussig: nämlich ein wasch­echter Prolet. Kein Wunder, daß er so ein großes Herz für Unterschichtler hatte! Der Begründer des wissenschaftlichen Sozialismus bewohnte sein tonnenschweres Haar­ensemble nur stundenweise; in der restlichen Zeit lebte er unerkannt unter dem Decknamen Friedrich Engels in einem Trainingsanzug und ging regelmäßig genau in jenen Puff, in dem Brussig seine akribischen Nachforschungen betrieb.

Auch B. Traven war in Wirklichkeit ein anderer, wie Bestsellerfabrikant Daniel Kehlmann behauptet: nämlich A. ­Traven. Der stets öffentlichkeitsgeile Fernseh­moderator und Werbestar hatte bloß ­keine Lust, als Intellektueller zu gelten, legte sich den raffinierten Tarnnamen zu, um die Nachwelt zu täuschen. Aber ­Pustekuchen!

Eines der einflußreichsten Werke der ­deutschen Literatur entstand hinter verschlossenen Festungstüren, über seine rätselhafte Entstehungsgeschichte hatte sich Adolf Hitler stets ausgeschwiegen. Doch Erfolgsautor und Prädikatsjurist Bernhard Schlink gelangte nun an die Kassiber, mit denen der gebürtige ­Braunauer seine Arbeit an »Mein Kampf« begleitete. Schlink ist sicher: Hitler wollte den Deutschen den Spiegel vorhalten, wollte vor einem wie ihm nur warnen. ­Ironie der Geschichte: Er schrieb schlecht, ­wurde völlig falsch verstanden. Trotzdem hat ­Hitler bis heute zahlreiche Fans, zu seinem Grab pilgern jährlich Zehntausende.

Und was Zonen-Grufti Wolf Biermann jetzt aufgedeckt hat, sprengt jede Vorstellungskraft: Auflagenmilliardär Stephen King war früher ein ostdeutscher Dis­si­dent! Für diese These spricht nicht nur das dicke Kassengestell, sondern auch die beklemmende Atmosphäre und die grausigen Gewalt­eruptionen in Kings Büchern, die, so Biermann, das wahre Gesicht des SED-Unrechtsstaates entlarvten und ­zudem »wohl nicht zufällig an mein reges Geschlechts­leben erinnern«. Mit dem Wort vom »Friedhof der Kuscheltiere« habe King jedenfalls eine zeitlos gültige Metapher für den Zwangscharakter des Stasi-­Regimes gefun­den – als stete Mahnung, die vielen Millio­nen Mauer-Untoten nie zu vergessen.

 

Mark-Stefan Tietze

ausgewähltes Heft

Aktuelle Cartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Hi, Daniel Bayen!

Sie sind sehr jung und waren mit Ihrer Firma für Vintage-Klamotten namens Strike vorübergehend sehr erfolgreich. Die ist jetzt pleite, machte aber zeitweise 2,9 Millionen Euro Umsatz. Der Bedarf war so groß, dass Correctiv-Recherchen zufolge sogar massenhaft Neuware zwischen die Secondhand-Bekleidung gemischt wurde. Auch Sie räumten demnach ein, gefälschte Ware geordert zu haben. Allerdings, so behaupten Sie, nur, um Ihren »Mitarbeitern zu zeigen, wie man gefälschte Ware identifiziert und aussortiert«.

Aber Bayen, Ihre Expertise besteht doch darin, neue Sachen auf alt zu trimmen. Also versuchen Sie bitte nicht, uns solche uralten Tricks zu verkaufen!

Recycelt Witze immer nach allen Regeln der Kunst: Titanic

 Wenn, Sepp Müller (CDU),

Bundeskanzler Olaf Scholz, wie Sie ihm vorwerfen, in einem »Paralleluniversum« lebt – wer hat dann seinen Platz in den Bundestagsdebatten, den Haushaltsstreitgesprächen der Ampelkoalition, beim ZDF-Sommerinterview usw. eingenommen?

Fragt die Fringe-Division der Titanic

 Mahlzeit, Erling Haaland!

Mahlzeit, Erling Haaland!

Zur Fußballeuropameisterschaft der Herren machte erneut die Schlagzeile die Runde, dass Sie Ihren sportlichen Erfolg Ihrer Ernährung verdankten, die vor allem aus Kuhherzen und -lebern und einem »Getränk aus Milch, Grünkohl und Spinat« besteht.

»Würg!« mögen die meisten denken, wenn sie das hören. Doch kann ein Fußballer von Weltrang wie Sie sich gewiss einen persönlichen Spitzenkoch leisten, der die nötige Variation in den Speiseplan bringt: morgens Porridge aus Baby-Kuhherzen in Grünkohl-Spinat-Milch, mittags Burger aus einem Kuhleber-Patty und zwei Kuhherzenhälften und Spinat-Grünkohl-Eiscreme zum Nachtisch, abends Eintopf aus Kuhherzen, Kuhleber, Spi… na ja, Sie wissen schon!

Bon appétit wünscht Titanic

 Oha, »Siegessäule«!

Als queeres und »Berlins meistgelesenes Stadtmagazin« interviewtest Du anlässlich der Ausstellung »Sex. Jüdische Positionen« im Jüdischen Museum Berlin die Museumsleiterin und die Kuratorin und behelligtest die beiden unter anderem mit dieser Frage: »Linke, queere Aktivist*innen werfen dem Staat Israel vor, eine liberale Haltung gegenüber Homosexualität zu benutzen, um arabische und muslimische Menschen zu dämonisieren. Diese Aktivist*innen würden Ihnen wahrscheinlich Pinkwashing mit der Ausstellung unterstellen.«

Nun ist das Jüdische Museum Berlin weder eine Außenstelle des Staates Israel, noch muss man als Journalist/in irgendwelchen »Aktivist*innen« ihre antisemitischen Klischees, dass letztlich doch alle Jüdinnen und Juden dieser Welt unter einer Decke stecken, im Interview nachbeten. So können wir uns aber schon mal Deine nächsten Interviewfragen ausmalen: »Frau Pastorin Müller, Sie bieten einen Gottesdienst zum Christopher Street Day an. Betreiben Sie damit Pinkwashing für den Vatikanstaat?« oder »Hallo Jungs, ihr engagiert euch in einem schwulen Verein für American Football. Betreibt ihr damit nicht Pinkwashing für Donald Trump?«

Wird diese Artikel allerdings nicht mehr lesen: Titanic

 Deine Fans, Taylor Swift,

Deine Fans, Taylor Swift,

sind bekannt dafür, Dir restlos ergeben zu sein. Sie machen alle, die auch nur die leiseste Kritik an Dir äußern, erbarmungslos nieder und nennen sich bedingt originell »Swifties«. So weit ist das alles gelernt und bekannt. Was uns aber besorgt, ist, dass sie nun auch noch geschafft haben, dass eine der deutschen Stationen Deiner Eras-Tour (Gelsenkirchen) ähnlich einfallslos in »Swiftkirchen« umbenannt wird. Mit Unterstützung der dortigen Bürgermeisterin und allem Drum und Dran. Da fragen wir uns schon: Wie soll das weitergehen? Wird bald alles, was Du berührst, nach Dir benannt? Heißen nach Deiner Abreise die Swiffer-Staubtücher »Swiffties«, 50-Euro-Scheine »Sfifties«, Fische »Sfischties«, Schwimmhallen »Swimmties«, Restaurants »Swubway« bzw. »SwiftDonald’s«, die Wildecker Herzbuben »Swildecker Herzbuben«, Albärt »Swiftbärt« und die Modekette Tom Tailor »Swift Tailor«?

Wenn das so ist, dann traut sich auf keinen Fall, etwas dagegen zu sagen:

Deine swanatische Tayltanic

Vom Fachmann für Kenner

 Räpresentation

Als Legastheniker fühle ich mich immer etwas minderwertig und in der Gesellschaft nicht sehr gesehen. Deshalb habe ich mich gefreut, auf einem Spaziergang durch Darmstadt an einer Plakette mit der Aufschrift »Deutscher Legastheniker-Verband« vorbeizukommen. Nur um von meiner nichtlegasthenischen Begleitung aufgeklärt zu werden, dass es sich dabei um den »Deutschen Leichtathletik-Verband« handele und und umso teifer in mein Loch züruckzufalllen.

Björn Weirup

 Verabschiedungsrituale

Wie sich verabschieden in größerer Runde, ohne dass es ewig dauert? Ich halte es so: Anstatt einen unhöflichen »Polnischen« zu machen, klopfe ich auf den Tisch und sage: »Ich klopf mal, ne?«. Weil mir das dann doch etwas unwürdig erscheint, klopfe ich im Anschluss noch mal bei jeder Person einzeln. Dann umarme ich alle noch mal, zumindest die, die ich gut kenne. Den Rest küsse ich vor lauter Verunsicherung auf den Mund, manchmal auch mit Zunge. Nach gut zwanzig Minuten ist der Spuk dann endlich vorbei und ich verpasse meine Bahn.

Leo Riegel

 Reifeprozess

Musste feststellen, dass ich zum einen langsam vergesslich werde und mir zum anderen Gedanken über die Endlichkeit allen Lebens mache. Vor meiner Abreise in den Urlaub vergaß ich zum Beispiel, dass noch Bananen in meiner Obstschale liegen, und dann dachte ich zwei Wochen darüber nach, wie lange es wohl dauert, bis die Nachbarn wegen des Geruchs und der Fliegen aus meiner Wohnung die Kripo alarmieren.

Loreen Bauer

 Zeitsprung

Dem Premierenpublikum von Stanley Kubricks »2001: Odyssee im Weltraum« wird der Film 1968 ziemlich futuristisch II vorgekommen sein.

Daniel Sibbe

 Lifehack von unbekannt

Ein Mann, der mir im Zug gegenüber saß, griff in seine Tasche und holte einen Apfel heraus. Zu meinem Entsetzen zerriss er ihn mit bloßen Händen sauber in zwei Hälften und aß anschließend beide Hälften auf. Ich war schockiert ob dieser martialischen wie überflüssigen Handlung. Meinen empörten Blick missdeutete der Mann als Interesse und begann, mir die Technik des Apfelzerreißens zu erklären. Ich tat desinteressiert, folgte zu Hause aber seiner Anleitung und zerriss meinen ersten Apfel! Seitdem zerreiße ich fast alles: Kohlrabi, Kokosnüsse, anderer Leute Bluetoothboxen im Park, lästige Straßentauben, schwer zu öffnende Schmuckschatullen. Vielen Dank an den Mann im Zug, dafür, dass er mein Leben von Grund auf verbessert hat.

Clemens Kaltenbrunn

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
03.08.2024 Kassel, Caricatura-Galerie Miriam Wurster: »Schrei mich bitte nicht so an!«
04.08.2024 Frankfurt/M., Museum für Komische Kunst Die Dünen der Dänen – Das Neueste von Hans Traxler
04.08.2024 Frankfurt/M., Museum für Komische Kunst »F. W. Bernstein – Postkarten vom ICH«
09.08.2024 Bremen, Logbuch Miriam Wurster