Inhalt der Printausgabe
Her mit den neuen Wählern!
Einfach nur geil: SPD und CDU basteln an neuen Grundsatzprogrammen
Der Großen Koalition sei Dank! Endlich bewegt sich etwas in Deutschland, nämlich die Bürger weg von den Parteien. Eine Riesenchance für SPD und CDU: Mit neuen Grundsatzprogrammen kommen die vormaligen Volksparteien nicht nur mal wieder ins Fernsehen – sie können sich auch endlich wieder aussuchen, wen sie als Wähler wollen.
SPD: »Die Aktiven«
Schon die ersten Programmentwürfe zeigen: Passivität, Apathie und Stumpfsinn haben bei den Sozialdemokraten ausgedient. Damit werden 95 Prozent ihrer Wähler unbrauchbar und müssen ausgewechselt werden. Die neuen Schwerpunktthemen der ehrgeizigen Aufsteiger Beck und Müntefering heißen Mode, Freizeit und Angst vor Arbeitslosen. Mit ihnen will die SPD ein erheblich attraktiveres Zielpublikum ansprechen, z.B. hübsche junge Dinger, die gern shoppen gehen, oder mittelalte Schmierlappen, die dafür ihre Kreditkarten zücken.
Mode
Die Programmstrategen der SPD haben erkannt: Mode ist längst in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Moderne sozialdemokratische Politik bedeutet deshalb tragbare Qualität und attraktive Designs zu fairen Preisen! Wöchentlich neue Kollektionen sollen Wechselwähler an die Partei binden. Erstwähler bekommen die Zweitstimme gratis dazu. Viele funktionale Details wenden sich direkt an die Leistungsbereitschaft der Kundschaft, z.B. Ärmel zum Hochkrempeln und Hosen zum Runterlassen. Robuste Wanderstiefel vermitteln nicht nur Bodenständigkeit, sondern garantieren auch einen sicheren Aufstieg.
Freizeit
Wer viel arbeitet, soll auch gut essen. Mit diesem Leitsatz zielen die Sozialdemokraten auf diejenigen, die in unserer Gesellschaft täglich Werte schaffen, speziell auf den Feldern Leber, Blutzucker und Cholesterin. Von einem gesetzlich vorgeschriebenen Body-Mass-Index (35 plus X) erhofft sich die Partei mehr politisches Gewicht. Mit diesem neuen Menschenbild wirbt die SPD um die Körpermitte der Gesellschaft und will den neuen Wählern selbst drastische Einschnitte schmackhaft machen, z.B. in saftiges Roastbeef oder knusprige Schweinshaxen.
Angst vor Arbeitslosen
Jahrelang war die SPD die Partei der Arbeitslosen. Je mehr es gab, desto besser – nur so mogelte sich die Partei 1998 an die Regierung. Seit die Friedrich-Ebert-Stiftung jedoch herausfand, daß die er-werbslosen Massen volkswirtschaftlich vollkommen nutzlos sind, hat die SPD-Führung eine Heidenangst vor ihnen entwickelt. In einem radikalen Schwenk fordert sie deshalb die Abschaffung der Arbeitslosigkeit – vor allem durch mehr Zivilcourage, also daß man denen auch mal die Schnaps-flasche wegnimmt und dafür etwas Sinnvolles gibt, z.B. einen Tritt in den Hintern.
CDU: »Die Lifestyle-Partei«
Selbst in die CDU-Programmkommission ist mittlerweile durchgesickert, daß der alte konservative Muff bei jungen modernen Wählern keine Chance mehr hat und daher ein neuer frischer Muff hermuß. Hin- und hergerissen zwischen Ursozialismus (Rüttgers) und Klerikalfaschismus mit menschlichem Antlitz (Koch) sucht die Partei ihr Heil nicht länger in einem komplizierten Spagat zwischen Freiheit und Gerechtigkeit, sondern legt ihre programmatischen Schwerpunkte künftig auf Mobiltelefone, Lifestyle und Terrorangst.
Mobiltelefone
Über Mobiltelefone hoffen die Christdemokraten bald schon 99 Prozent der Bevölkerung erreichen zu können, vor allem jüngere Wähler, die sich mit der Partei bislang schwertun. Darum kämpft die CDU nun gegen eine GEZ-Pflicht für Kurznachrichten aufs Handy, zudem soll der Kündigungsschutz für teure Telefonverträge abgeschafft werden. Statt dessen fordert die Partei möglichst lange Probezeiten für ihre neue Klientel und für ihre alte lautere Klingeltöne, größere Tasten und Fliegeralarm. Empfänger staatlicher Sozialleistungen müssen mit einem Festnetzzwang rechnen, außerdem werden alle Auslandsvorwahlen gesperrt.
Lifestyle
Einbildung statt Ausbildung: Da das alte Bildungsbürgertum langsam ausstirbt, setzt die CDU künftig -komplett auf Lifestyle. Damit sind aber nicht kurzlebige Moden wie »Denglisch« oder dreieckige Designermöbel gemeint, sondern ein ausschweifend langer Lebensstil, der sich irgendwie über 80 bis 90 Jahre hinüberrettet oder wenigstens so riecht. Willkommen sind auch jüngere Leute, sofern sie die Tradition schätzen und auf das Erbe ihrer -Eltern spekulieren – und sofern sie stets das wählen, was sie auch ihre Eltern im Altersheim wählen lassen, nämlich CDU.
Terrorangst
Die übertriebene Freiheit, für die die CDU zuletzt warb, hat ihr nicht gutgetan und den weltweiten Terrorismus befördert, vielleicht sogar bis nach Berlin. Darum soll jetzt Schluß sein mit Reise-, Meinungs- und Beinfreiheit. Da die flächendeckende Video-überwachung zur Abwehr innerer Gefahren nicht ausreicht, fordert die Partei die sofortige flächendeckende Computertomographie für alle -Bürger. Um zudem Terrorakte ein für alle Mal auszuschließen, werden die deutschen Bahnhöfe, Flughäfen und Gebetsteppiche vermint und alle Koffer, Hand- und Hosentaschen aus dem Land oder in die Luft gejagt.