TITANIC Gold-Artikel

Zum Erntehilfekurs gezwungen

Es ist das teuerste Gemüse der Welt: Marihuana. Doch das gibt es nur im Ausland und außerdem ist es verboten, weil man davon gute Laune bekommt. In Deutschland gilt nach wie vor der Spargel als edelstes Gewächs der Natur, noch vor Dinkel und Hämorrhoiden. So sehr lieben die Deutschen ihren Spargel, dass sie pro Pfund den Preis für zwei Tiefkühlpizzen hinlatzen. Doch das Coronavirus, von dem hier hoffentlich alle schon gehört haben (wenn nicht: unbedingt googeln), macht den Bauern heuer einen Strich durch den Stich. Die sonst problemlos von unterbezahlten Arbeitskräften aus Osteuropa erledigte Ernte wird durch die Quarantänemaßnahmen zu einem Unterfangen, das nur mit Hilfe unterbezahlter Arbeitskräfte aus Osteuropa zu bewältigen wäre – ließen sich derer denn genügend ins Land schaffen. Doch erstens ist das a) nicht so einfach, und zwotens sterben b) die Herbeigetriebenen auch noch an irgendeinem komischen Husten weg. Was also tun? Abhilfe soll eine Aktion des Bundes schaffen: Wer immer dieser Tage überflüssig und entbehrlich wirkt, kann vom SEK (Spargel-Ernte-Kommando) zum Erntehilfekurs verpflichtet und sodann ins Feld geschickt werden.___STEADY_PAYWALL___

Morgens um halb sieben beginnt die erste Schulung des Tages. Eine Gruppe von 24 Männern hat sich in Degerloch, einem kleinen Dreckloch in der Nähe des schönen Stuttgart, versammelt, um sich in der Kunst des Spargelstechens unterweisen zu lassen. Es ist der gesellschaftliche Abschaum, wie diese Menschen im Beamtendeutsch genannt werden, der hier zu früher Stunde herumoxidiert. Typen, die keiner freiwillig bei sich wohnen lassen, deren frühen Tod jeder insgeheim sehr begrüßen würde. Armin Laschet ist dabei, ein paar von der Leopoldina, Lothar Matthäus, Lanz und Plasberg und weitere Kasper aus der Medienbranche – kurzum, eine extrem unmuntere Gurkentruppe, denn es ist ja wie gesagt erst halb sieben, und viele haben ihren Rausch noch nicht mal an- geschweige denn ausschlafen können.

Kursleiter Herr Tarzan will schon beginnen, da kommt ein Nachzügler durchs Tor getorkelt. Minutenlang übergibt sich der salopp gekleidete Herr in die mitgebrachte Alditüte, fingert dann Bierdosen aus seinem Kotzbeutel, stellt sie sorgfältig vor sich hin und pinkelt alle mit routiniertem Hüftschwung sauber. Es ist "Bild"-Herausgeber Kai Diekmann, der hier versonnen strahlend strullt. Anschließend klatscht er seinen Buddy Julian Reichelt ab, dass es nur so spritzt, und watschelt mit noch immer heruntergelassener Hose zwischen die anderen. Herr Tarzan wird derweil ungeduldig. Diese Disziplinlosigkeit kann er unmöglich hinnehmen! Scharf zitiert er Diekmann zu sich und lässt ihn zur Strafe ein Pfund Spargel mit Mayonnaise und Kartoffelbrei essen. Damit es nicht so lange dauert, bekommt Diekmann die Mahlzeit püriert und durch einen Trichter serviert. Wenig später brilliert die Alditüte neuerlich in ihrer Paraderolle als Speisack.

Das Exempel hat gewirkt. Die anzulernenden Erntegehilfen stehen nun gleichmäßigen Abstands voneinander aufgereiht und recken die lilaweißen Köpfe ängstlich in die Höh. "Das Wichtigste beim Spargelstechen", brüllt Tarzan, "ist der Spargel! Es ist mir egal, ob ihr verheiratet seid, ob ihr einen krummen Rücken habt oder an einer lebensgefährlichen und hochansteckenden Krankheit leidet." Ausbilder Tarzan greift einen Schuhlöffel und fuchtelt damit dem sichtlich betrunkenen Carsten Maschmeyer vor der Saufnase herum. "Am Ende des Tages will ich nämlich Spargel verkaufen, keine Menschen! Und jetzt herschauen!" Mit dem Schuhlöffel demonstriert Herr Tarzan das Spargelstechen an einem abgesägten Besenstiel, der aus dem Acker ragt. Im Nu hat Herr Tarzan das Pflöckchen aus der Erde geholt. "Jetzt ihr!" befiehlt er. "Dort liegen Spargelstecher, hier ist das Übungsfeld!" Tarzan deutet auf ein mit Stacheldraht umgrenztes Areal, in dem Spargelköpfe aus dem Boden lugen. "Für die erste Runde werde ich mit dem MG über Eure Köpfe zielen, damit ihr lernt, die richtige Höhe beim Stechen einzuhalten, und Euch nicht zu schnell ausruht. Rührt euch!"

Geduckt unter dem Rattern von Tarzans Salven, versuchen die Männer nun mit unterschiedlichem Geschick, den Spargel aus der Erde zu ziehen: Hans Georg Maaßen etwa hält den Stecher verkehrt herum und rammt ihn sich durch die Hand. Als er das Missgeschick bemerkt, schlägt er das demolierte Patscherchen vors Gesicht und trifft zu allem Übel mit der Klinge sein rechtes Auge. "Macht nichts", lacht Maaßen. "Auf dem war ich eh blind!" Veganpatron Attila Hildmann hingegen verzichtet gleich aufs Ernteeisen und buddelt statt dessen wie ein amphetaminsüchtiger Gossenköter nach den weißen Stangen. Akkurat beißt er sie am Fuß ab und trägt die Spargel stolz schwanzwedelnd auf einen Haufen, den er, Hildmann, mit Harn als eigenen markiert. Auf einmal richtet sich der Gymnasialkabarettist Vince Ebert auf. Er glaubt, einen Schuss gehört zu haben, zum ersten Mal überhaupt in seinem Leben. Zack! da trifft ihn ein Gummigeschoss voll in den Gehörgang und fliegt ungebremst auf der anderen Seite wieder heraus. Seltsam, denkt sich Ebert und erntet weiter. Jetzt bemerkt er es: Er hatte Ton am Ohr, nicht im Ohr! Laut lachend bekommt er einen Hustenanfall und erstickt an seiner eigenen Doofheit. Er wird nicht der letzte Todesfall im Grabenkrieg 2020 sein.

Valentin Witt

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Lustiger Zufall, »Tagesspiegel«!

»Bett, Bücher, Bargeld – wie es in der Kreuzberger Wohnung von Ex-RAF-Terroristin Daniela Klette aussah«. Mit dieser Schlagzeile überschreibst Du Deine Homestory aus Berlin. Ha, exakt so sieht es in unseren Wohnungen auch aus! Komm doch gern mal vorbei und schreib drüber. Aber bitte nicht vorher die Polizei vorbeischicken!

Dankend: Titanic

 Und übrigens, Weltgeist …

Adam Driver in der Rolle des Enzo Ferrari – das ist mal wieder großes Kino!

Grazie mille von Titanic

 Wussten wir’s doch, »Heute-Journal«!

Deinen Bericht über die Ausstellung »Kunst und Fälschung« im Kurpfälzischen Museum in Heidelberg beendetest Du so: »Es gibt keine perfekte Fälschung. Die hängen weiterhin als Originale in den Museen.«

Haben Originale auch schon immer für die besseren Fälschungen gehalten:

Deine Kunsthistoriker/innen von der Titanic

 Ciao, Luisa Neubauer!

»Massendemonstrationen sind kein Pizza-Lieferant«, lasen wir in Ihrem Gastartikel auf Zeit online. »Man wird nicht einmal laut und bekommt alles, was man will.«

Was bei uns massenhaft Fragen aufwirft. Etwa die, wie Sie eigentlich Pizza bestellen. Oder was Sie von einem Pizzalieferanten noch »alles« wollen außer – nun ja – Pizza. Ganz zu schweigen von der Frage, wer in Ihrem Bild denn nun eigentlich etwas bestellt und wer etwas liefert bzw. eben gerade nicht. Sicher, in der Masse kann man schon mal den Überblick verlieren. Aber kann es sein, dass Ihre Aussage einfach mindestens vierfacher Käse ist?

Fragt hungrig: Titanic

 Sie, Victoria Beckham,

Sie, Victoria Beckham,

behaupteten in der Netflix-Doku »Beckham«, Sie seien »working class« aufgewachsen. Auf die Frage Ihres Ehemanns, mit welchem Auto Sie zur Schule gefahren worden seien, gaben Sie nach einigem Herumdrucksen zu, es habe sich um einen Rolls-Royce gehandelt. Nun verkaufen Sie T-Shirts mit dem Aufdruck »My Dad had a Rolls-Royce« für um die 130 Euro und werden für Ihre Selbstironie gelobt. Wir persönlich fänden es sogar noch mutiger und erfrischender, wenn Sie augenzwinkernd Shirts mit der Aufschrift »My Husband was the Ambassador for the World Cup in Qatar« anbieten würden, um den Kritiker/innen so richtig den Wind aus den Segeln zu nehmen.

In der Selbstkritik ausschließlich ironisch: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 No pain, no gain

Wem platte Motivationssprüche helfen, der soll mit ihnen glücklich werden. »There ain’t no lift to the top« in meinem Fitnessstudio zu lesen, das sich im ersten Stock befindet und trotzdem nur per Fahrstuhl zu erreichen ist, ist aber wirklich zu viel.

Karl Franz

 Kapitaler Kalauer

Da man mit billigen Wortspielen ja nicht geizen soll, möchte ich hier an ein großes deutsches Geldinstitut erinnern, das exakt von 1830 bis 1848 existierte: die Vormärzbank.

Andreas Maier

 Teigiger Selfcaretipp

Wenn du etwas wirklich liebst, lass es gehen. Zum Beispiel dich selbst.

Sebastian Maschuw

 Wenn beim Delegieren

schon wieder was schiefgeht, bin ich mit meinen Lakaien am Ende.

Fabio Kühnemuth

 Pendlerpauschale

Meine Fahrt zur Arbeit führt mich täglich an der Frankfurt School of Finance & Management vorbei. Dass ich letztens einen Studenten beim Aussteigen an der dortigen Bushaltestelle mit Blick auf sein I-Phone laut habe fluchen hören: »Scheiße, nur noch 9 Prozent!« hat mich nachdenklich gemacht. Vielleicht wäre meine eigene Zinsstrategie selbst bei angehenden Investmentbankern besser aufgehoben.

Daniel Sibbe

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
20.04.2024 Eberswalde, Märchenvilla Max Goldt
20.04.2024 Itzehoe, Lauschbar Ella Carina Werner
24.04.2024 Trier, Tuchfabrik Max Goldt
25.04.2024 Köln, Comedia Max Goldt