Es ist zu einfach!

Es ist zu einfach!

Wie TITANIC dem deutschen Medienbetrieb (und Beatrix von Storch) das Ende der Union unterjubelte
von Moritz Hürtgen

Am Donnerstag, den 15. Juni, hat sich das Zerwürfnis zwischen Kanzlerin Merkel und Bayernochse Seehofer so so weit entwickelt, dass viele Medien schon von einem Ende der Fraktionsgemeinschaft aus CDU und CSU orakeln. Ja, es drängt sich der Eindruck auf, dass die Leute regelrecht auf den maximalen Knall in der Union gieren. Verständlich: Die Fußball-WM beginnt langweilig, vom „Asylchaos“ merkt man eh nur im Internet was – nicht auf der Straße.

Doch zur Aufspaltung der Union wird es natürlich nicht kommen, soweit sind Seehofer (alle ab- und ausweisen) und Merkel (alle ein bisschen später ab- und ausweisen) gar nicht auseinander. Bei TITANIC gönnen wir unseren News-süchtigen Landsleuten jedoch den ultimativen Kick, und beschließen, wenigstens die gewünschte Meldung in Umlauf zu bringen. Das hat vor nicht allzu langer Zeit schon einmal geklappt beim #miomiogate mit Julian Reichelts „Bild“, als Kevin Kühnert mit einem Russenhacker namens Juri im Bunde war.

Weil es diesmal schwieriger werden dürfte – schließlich soll nicht nur die „Bild“ reingelegt werden – nehme ich mir für die Vorbereitung Zeit. Nach 20 Minuten Photoshop und Brainstorming ist eigentlich alles erledigt: ___STEADY_PAYWALL___ Mein Twitteraccount @hrtgn soll morgen vom Profilnamen „Moritz Hürtgen“ auf „hr Tagesgeschehen“ geschaltet werden, natürlich mit passendem Profilbild der fiktiven Sendung versehen. Bevor mein Account umgewidmet wird, fange ich am Abend an hessische Lokalmeldungen zu twittern, damit kritische Journalisten morgen, wenn sie meinen Account prüfen, mindestens drei mal scrollen müssen, bis sie auf meine zahllosen TITANIC-Tweets stoßen. Viel Freude macht mir das: Der Rasen im Eintracht-Stadion kommt im nächsten Jahr aus Japan, twittere ich, auf der Strecke Kassel-Frankfurt verkehren Züge künftig mit Bordbistros und im „Hessenquiz“ des HR hat ein E. Hauck einen neuen Punkterekord aufgestellt. Da ich ja noch „Moritz Hürtgen“ und nicht das „Tagesgeschehen“ bin, gehen mir durch den Regionalquatsch einige Follower flöten.

Auch am Freitagmorgen gibt es auf dem Profil @hrtgn hessische Nachrichten zu lesen. Punkt 12 mittags jedoch nenne ich mich in „hr Tagesgeschehen“ um, ändere Profil- und Titelbild und die Accountbeschreibung in „Politik-/Kulturnews aus Hessen und Deutschland“. Um 12:04 Uhr mittags twittere ich:

Auch das Volker-Bouffier-Zitat musste ich mühselig fünf Minuten lang zusammenbasteln – für einen Twitter-Junkie wie mich eine irrsinnig lange Zeit. Nur eine Minute nach Veröffentlichung hat der Tweet nämlich 10 Retweets – das ist nicht wenig. Nach zwei Minuten sind es 30, nach drei 100 – Powertweet nennt man das. Weil auch einige Journalisten schon retweeten und die ersten Antworten auf meinen Tweet den Fake nicht aufdecken, setze ich noch schnell meine TITANIC-Telefondurchwahl als „heißer Draht in die Redaktion“ in die Beschreibung meines Profils.

Kurze Zeit später klingelt das Telefon. „Redaktion HR Tagesgeschehen, Meier am Apparat!“ improvisiere ich. Mein Gesprächspartner, Herr L. von der CDU-Landtagsfraktion in Berlin, klingt seriös, aber etwas aufgerieben: ob ich die Mail von Bouffier weitergeben könne. Ich verneine und gebe an, nur Social-media-Volontär ohne derart weitreichende Kompetenzen zu sein. Ich verspreche Herrn L. Jedoch, meine Kollegen, „die gerade auf dem Weg zu Bouffier nach Wiesbaden sind“, anzurufen und dort eine Freigabe der verhängnisvollen Mail zu erbitten. Herr L. gibt mir seine Kontaktdaten, bedankt sich und legt auf. Sofort klingelt wieder das Telefon und hört für die nächsten 60 Minuten nicht mehr auf. Drei verschiedene Herren vom Hessischen Rundfunk rufen an, zwei davon sind sehr nett, einer sehr erbost. Keiner von ihnen kennt die Redaktion des „hr Tagesgeschehen“, alle möchten sie gerne kennenlernen. Ich rede mich wieder auf meine kleine Rolle als Volontär heraus. Es folgen Anrufe der FAZ, der „Rheinischen Post“, des ZDF, der ARD u.v.m. Die meisten scheinen mir meine HR-Rolle abzukaufen. Einer spricht davon, dass „die Meldung gerade über Reuters ging“. Huch!

Vor lauter Telefoniererei bekomme ich erstmal nichts davon mit, dass die „Bild“ (na klar!) die Meldung übernimmt, wie auch der „Focus“ und N-TV und zahlreiche andere. Ich gucke bei Twitter rein und sehe, dass die Accounts zahlreicher Journalist/innen „durchdrehen“, „Gänsehaut bekommen“ von diesem Erdbeben einer Politmeldung. CDU und CSU – getrennt! Wahnsinn.

Die „Süddeutsche“ wird eine Stunde später, als der Fake aufgedeckt wurde, berichten, dass der Dax nach der Meldung um 50 Punkte abgestürzt. Das habe ich wiederum nicht gewollt, gerade als Frankfurter. Kommen gleich Banker, um mich zu verprügeln?

Das Schönste aber passiert in Berlin, im Deutschen Bundestag. Alternativ-Eule Beatrix von Storch klappt selbstbewusst ihr Platzmikrofon hoch und stellt einem Unionsabgeordneten eine Zwischenfrage:

Von Storch verbreitet im Bundestag eine „Bild“-Eilmeldung, die über den „Reuters“-Ticker ging, der seine Informationen wiederum von dem 15 Minuten vorher (!) ins Leben gerufenen Kanal „hr Tagesgeschehen“ bezieht. Das geht uns bei TITANIC alles zu schnell. Wer soll denn da noch mitkommen? Was kann da überhaupt noch die Lehre sein? Sicher wird jetzt wieder über Medien, Verantwortung, Twitter und Satire diskutiert. Wie immer. Was für ein Glück, dass diese Diskussionen auch immer schnell wieder vorbei sind. Bis Seehofer tatsächlich die Union aufspaltet. Gleich mehr auf Twitter …

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Du, »Deutsche Welle«,

betiteltest einen Beitrag mit den Worten: »Europäer arbeiten immer weniger – muss das sein?« Nun, wir haben es uns wirklich nicht leicht gemacht, ewig und drei Tage überlegt, langjährige Vertraute um Rat gebeten und nach einem durchgearbeiteten Wochenende schließlich die einzig plausible Antwort gefunden. Sie lautet: ja.

Dass Du jetzt bitte nicht zu enttäuscht bist, hoffen die Workaholics auf

Deiner Titanic

 Mmmmh, Thomas de Maizière,

Mmmmh, Thomas de Maizière,

über den Beschluss der CDU vom Dezember 2018, nicht mit der Linkspartei oder der AfD zusammenzuarbeiten, an dem Sie selbst mitgewirkt hatten, sagten Sie bei Caren Miosga: »Mit einem Abgrenzungsbeschluss gegen zwei Parteien ist keine Gleichsetzung verbunden! Wenn ich Eisbein nicht mag und Kohlroulade nicht mag, dann sind doch nicht Eisbein und Kohlroulade dasselbe!«

Danke für diese Veranschaulichung, de Maizière, ohne die wir die vorausgegangene Aussage sicher nicht verstanden hätten! Aber wenn Sie schon Parteien mit Essen vergleichen, welches der beiden deutschen Traditionsgerichte ist dann die AfD und welches die Linke? Sollte Letztere nicht eher – zumindest in den urbanen Zentren – ein Sellerieschnitzel oder eine »Beyond Kohlroulade«-Kohlroulade sein? Und wenn das die Alternative zu einem deftigen Eisbein ist – was speist man bei Ihnen in der vermeintlichen Mitte dann wohl lieber?

Guten Appo!

Wünscht Titanic

 Wie bitte, Extremismusforscher Matthias Quent?

Im Interview mit der Tagesschau vertraten Sie die Meinung, Deutschland habe »viel gelernt im Umgang mit Hanau«. Anlass war der Jahrestag des rassistischen Anschlags dort. Das wüssten wir jetzt aber doch gern genauer: Vertuschung von schrecklichem Polizeiverhalten und institutionellem Rassismus konnte Deutschland doch vorher auch schon ganz gut, oder?

Hat aus Ihren Aussagen leider wenig gelernt: Titanic

 Erwischt, Bischofskonferenz!

In Spanien haben sich Kriminelle als hochrangige Geistliche ausgegeben und mithilfe künstlicher Intelligenz die Stimmen bekannter Bischöfe, Generalvikare und Priester nachgeahmt. Einige Ordensfrauen fielen auf den Trick herein und überwiesen auf Bitten der Betrüger/innen hohe Geldbeträge.

In einer Mitteilung an alle kirchlichen Institutionen warntest Du nun vor dieser Variante des Enkeltricks: »Äußerste Vorsicht ist geboten. Die Diözesen verlangen kein Geld – oder zumindest tun sie es nicht auf diese Weise.« Bon, Bischofskonferenz, aber weißt Du, wie der Enkeltrick weitergeht? Genau: Betrüger/innen geben sich als Bischofskonferenz aus, raten zur Vorsicht und fordern kurz darauf selbst zur Geldüberweisung auf!

Hat Dich sofort durchschaut: Titanic

 Apropos: ¡Hola bzw. holla, spanischer Priester!

Du hast Dir die Worte aus dem Matthäusevangelium »Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach« zu sehr zu Herzen genommen und in Deiner Gemeinde in der Kleinstadt Don Benito einen regen Handel mit Potenzmitteln betrieben. Für diesen nach weltlichem Ermessen offensichtlichen Sündenfall musst Du Dich nun vor einem irdischen Gericht verantworten.

Uns ist zwar nicht bekannt, ob Du Dich gegenüber Polizei und Justiz bereits bußfertig gegeben hast oder weiterhin auf das Beichtgeheimnis berufst. Angesichts der laut Zeugenaussagen freudigen Erregung Deiner überalterten Gemeindemitglieder beim Geläut der Glocken sowie ihres Durchhaltevermögens bei den nicht enden wollenden Eucharistiefeiern inklusive Rumgeorgel, Stoßgebeten und orgiastischer Gottesanrufungen sprechen alle Indizien aber ohnehin gegen Dich!

Bleibt auch ganz ohne künstliche Stimulanzien weiter standfest im Nichtglauben: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Pendlerpauschale

Meine Fahrt zur Arbeit führt mich täglich an der Frankfurt School of Finance & Management vorbei. Dass ich letztens einen Studenten beim Aussteigen an der dortigen Bushaltestelle mit Blick auf sein I-Phone laut habe fluchen hören: »Scheiße, nur noch 9 Prozent!« hat mich nachdenklich gemacht. Vielleicht wäre meine eigene Zinsstrategie selbst bei angehenden Investmentbankern besser aufgehoben.

Daniel Sibbe

 Einmal und nie wieder

Kugelfisch wurde falsch zubereitet. Das war definitiv meine letzte Bestellung.

Fabian Lichter

 Kapitaler Kalauer

Da man mit billigen Wortspielen ja nicht geizen soll, möchte ich hier an ein großes deutsches Geldinstitut erinnern, das exakt von 1830 bis 1848 existierte: die Vormärzbank.

Andreas Maier

 Neulich

erwartete ich in der Zeit unter dem Titel »Glückwunsch, Braunlage!« eigentlich eine Ode auf den beschaulichen Luftkurort im Oberharz. Die kam aber nicht. Kein Wunder, wenn die Überschrift des Artikels eigentlich »Glückwunsch, Braunalge!« lautet!

Axel Schwacke

 Wenn beim Delegieren

schon wieder was schiefgeht, bin ich mit meinen Lakaien am Ende.

Fabio Kühnemuth

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

  • 27.03.:

    Bernd Eilert denkt in der FAZ über Satire gestern und heute nach.

Titanic unterwegs
31.03.2024 Göttingen, Rathaus Greser & Lenz: »Evolution? Karikaturen …«
04.04.2024 Bremen, Buchladen Ostertor Miriam Wurster
06.04.2024 Lübeck, Kammerspiele Max Goldt
08.04.2024 Oldenburg, Theater Laboratorium Bernd Eilert mit Klaus Modick