TITANIC Gold-Artikel

 "Ich bin für Härte, nur für Härte!"


Obwohl der Bremer Bamf-Skandal letztlich keiner war (vgl. das Kleingedruckte auf Tagesschau.de), hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge verstanden: Gefühle sind wichtiger als Fakten. Deswegen hat es sich neu aufgestellt und eine Sprache gefunden, die wirklich alle erreicht. Auch dank Bamfi, dem Esel.

Das Thema Asyl bewegt die Menschen – bevorzugt aus Deutschland heraus. Das Bamf hingegen bewegt sich in die Fußgängerzone. Eine kleine PR-Abteilung, bestehend aus fünf Beamten, der echten Josefa Schmid im Dirndl und dem neuen Eselmaskottchen Bamfi. Einfach mal Sorry sagen für das Chaos will die Truppe und versprechen: "Wir haben verstanden (diesmal)!" Und die Stimmung heben, mit dem Kultsong "Mein Lied" von der falschen Josefa Schmid, das in Dauerschleife aus einer Bluetooth-Box jodelt.
Kein Wunder, dass schon bald die ersten Passanten antanzen. Eine Frau freut sich: "Oh, wenn ich nur 'Bamf' höre, schwillt mir der Kamm!" – was ihre Turmfrisur auch gleich bestätigt, während ein älterer Herr sich als Experte zu erkennen gibt: "Ach, hört mir auf, ich war '45 selber Flüchtling, ich will nix mehr von dem Thema hören!"
Eine Mittvierzigerin zeigt dagegen Verständnis: "Die Situation hat das Bamf einfach überrollt. In Deutschland wird nur rumgemeckert. Man soll doch einfach mal das arme Bamf in Ruhe lassen!" Sie tätschelt Abteilungsleiterin Werner mitfühlend die Schulter. ___STEADY_PAYWALL___ Beim Ausfüllen des mitgebrachten Fragebogens ist schon bei Punkt 4 ("In welchem Bereich muss sich das Bamf besonders verbessern?") das Mitgefühl aufgebraucht, sie rät: "Keine falsche Nachsicht!" Zum Dank wird sie von Bamfi dem Esel ans Asyl-Glücksrad gestellt. Bei "Abgelehnt" bleibt es stehen. Bamfi reibt sich traurig die Plüschaugen: "Na ja, geht den meisten so!" Das Glücksrad ist überhaupt der Renner. Nach kurzen Zeit schart sich eine Kindergruppe, teils mit Migrationshintergrund, um das Gerät. Als bei einem Jungen das Rad bei "Familiennachzug" hält, ruft die erwachsene Begleiterin: "Juhu, du darfst deinen Papa sehen!"


"Der Seehofer ist der richtige Mann, weil er durchgreift."

Viel Freude macht den Leuten gleichfalls das Asylverfahren-Labyrinth, auch wenn niemand den Weg auch nur bis zur "Persönlichen Anhörung" schafft. Nicht wenig Kopfzerbrechen bereitet den Frankfurter Bürgerinnen und Bürger das Antragsstellermemory: "Die sehen ja alle gleich aus! Ich habe aber in der FAZ gelesen, dass das denen umgekehrt auch so geht." Als eine fein gekleidete Dame jedoch Barbara Becker und Oprah Winfrey gleichzeitig aufdeckt, jubelt sie: "Jippie, ein Pärchen!" Na gut, das gilt. Zur Belohnung erhält sie ein Kaffeelikörchen. "Trinken Sie immer bei der Arbeit?" will Sie wissen. Eine unverhohlene Kritik an den überforderten und unterfinanzierten Beamten, das schmerzt.
Zum Glück sind die meisten anderen Fußgänger dem Bamf wohlgesonnen: "Sie wurden da von der Regierung im Regen stehengelassen", fühlt ein Herr bei Abteilungsleiter Lichter mit. "Sie brauchen mehr Personal!" Und mehr IT? "Ja, Computer sollen Sie auch bekommen!" Spendabel schmeißt er mit Steuergeldern und weiteren Tips um sich: "Man kann nicht automatisch aufnehmen, nur weil Kinder dabei sind. Kinder sind oft Deckmäntel!" Äh, was? "Die schicken die Kinder vor und kommen dann nach!"

Der nächste Interessent tritt mit großer Geste an den Stand. Was er wohl von der Arbeit des Bamf hält? "Na ja, was soll ich davon halten. Ich meine, Sie wurden ja vergewaltigt von der Bundesregierung." Bamfi klappert mit den Eselszähnen. "Wenn Sie mich fragen, war das was die Merkel gemacht hat nicht rechtens. Da können Sie ja nichts dafür, dass die alle jetzt hier her kommen", fährt er fort. Busfahrer eines 19 Meter langen Reisebusses sei er, seine Touren gingen durch ganz Europa, er kenne sich aus. "Es gibt eben Neger und Schwarze. Das ist nicht das gleiche." "Aha", atmet Abteilungsleiter Gaitzsch durch." Ja, der Schwarze, der war ja früher hier stationiert. Der Neger, der ist noch mal anders." Wie anders? "Der ist Afrikaner. Noch schwerer zu integrieren." Uff, harter Stoff! Vielleicht kann dieser Herr künftig Schulungen für Bamf-Mitarbeiter geben?
Ein Businesstyp, der gerade am Memory gescheitert ist, gewährt dem Bundesamt einen Einblick in seine Lebensrealität: "Ich wohne im Taunus. Da sind in der Schule null Ausländer. Das sieht hier in Frankfurt bestimmt anders aus." Die Arbeit der Behörde will er nicht bewerten, "aber jetzt mal ganz unter uns und aus der hohlen Hand gesprochen: Algerier, Marokkaner, diese Nichtsnutze, die hier in der Fußgängerzone herumliegen, die braucht kein Mensch. Syrische Bürgerkriegsflüchtlinge: nur her damit. Für die ist das Asylrecht da, für die anderen nicht". Ob er gern volontieren möchte, will Abteilungsleiter Hürtgen wissen. "Neee. Bei uns sagt man: If you don’t know when to say no, you don’t have a strategy!" That’s it, wird notiert.


"Krieg haben die keinen. Die wollen nur ein Luxusleben führen."

Eine Studentin versucht sich derweil gemeinsam mit Abteilungsleiter Burmeier ehrgeizig am Labyrinth, muss aber aufgeben. "Ich seh das auch bei mir in der Uni. Das ist alles kompliziert mit den Flüchtlingen." Inwiefern kompliziert? "Na ja, die kriegen die Wohnung bezahlt, glaube ich, und auch noch Taschengeld. Und dann haben sie alle Apple-Telefone. Ich kriege ja auch kein Taschengeld und habe kein Apple-Telefon." Wäre sie eine Flüchtende, wüsste sie, dass es korrekt "I-Phone" heißt. "Ich will nur sagen, die sollten nicht noch Taschengeld bekommen. Wenn man hier herkommt, sollte man dankbar sein. Das heißt, sein Geld selber verdienen." Die Leitung des Bamf traut sie auf Nachfrage Horst Seehofer zu. Und als sie auf dem Fragebogen das Gesicht Thilo Sarrazins erblickt, ruft sie: "Thilo Sarrazin! Finde ich auch ganz in Ordnung. Der hat mal ein Buch geschrieben, da hat er sich auch nur solche Fragen gestellt und dann wurde das diskutiert wie verrückt. Dabei hat er nur seine Meinung zum Thema gesagt. Da frage ich mich auch, was das mit freier Meinungsäußerung zu tun hat." Auch das Bamf stellt nur Fragen, z.B. wie viele Menschen Deutschland jährlich maximal aufnehmen sollte. "Also die Millionen da, das waren schon viel." Also eher weniger? "Auf jeden Fall, ja. Vielleicht erst mal gar keine." Wie lange denn gar keine? "Mhm, so fünf Jahre vielleicht. Und dann erst mal beobachten, was passiert." Im besten Falle geht in fünf Jahren ein Studium an der Frankfurter Goethe-Uni vorüber.

Es wird spät am Stand, bald schon halb vier, die Abteilungsleiter werden müde. Auch Bamfi will heute kein "Iaah!" mehr machen, nicht mehr mit und zu Josefa Schmid tanzen. Ein Best-Ager-Doppelgespann aus zwei lebensfrohen Bummlerinnen springt zwischen die zusammenpackenden Beamten und verteilt Lob: "Gut ist, dass Sie Ihre Führungsleute ausgetauscht haben!" Ist das wirklich passiert? "Stand doch in der Zeitung!" In welcher? "Warum?" In der "Bild"? "Na hören Sie mal!" Auf die Frage, ob Afghanistan als sicheres Herkunftsland eingestuft werden könne, weiß die eine: "Ja, teilweise." Welches ist denn der sichere Teil? "Das müssen Sie doch wissen!" Aber das Bamf weiß es nicht, das ist doch gerade das Problem! "Dann holen Sie sich Fachleute!" Die andere will nicht darüber reden, wie viele Menschen Deutschland aufnehmen kann. "Egal! Aber alle befristet. Nach dem Krieg müssen die zurück. Ich würde auch zurück wollen." Wo war sie denn vor dem Krieg? "Wie bitte?!" Doch zu spät für weitere Erläuterungen, Feierabend. Das Glücksrad wird eingerollt, Bamfi schlüpft aus seiner Eselshaut, der Pavillon zusammengefaltet wie eine provisorische Flüchtlingsunterkunft.

Die Behörde, diese Lehre ziehen die Beamten aus dem heutigen Tag, muss sich keine Sorgen und Vorwürfe machen: Der überwältigende Teil der Bevölkerung sieht das Bamf in positivem Licht. Die Kritik der kleinen Leute gilt der großen Berliner Politik, die einfach keine Mittel locker macht, genau wie den Flüchtenden mit ihren Deckmantelkindern, Apple-Handys und ihrer generellen Nutzlosigkeit. Asyl darf kein Selbstzweck sein. Oder wie es Josefa Schmid in "Mein Lied" singt: "Vom Pizzabäcker bis zur Bürgermeisterin, du musst kein Sänger sein, um dieses Lied zu singen." Aber richtig richtig deutsch halt schon.

Hürtgen/Wolff, Fotos: Thomas Hintner

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Hallihallo, Michael Maar!

In unserem Märzheft 2010 mahnte ein »Brief an die Leser«: »Spannend ist ein Krimi oder ein Sportwettkampf.« Alles andere sei eben nicht »spannend«, der schlimmen dummen Sprachpraxis zum Trotz.

Der Literatur- ist ja immer auch Sprachkritiker, und 14 Jahre später haben Sie im SZ-Feuilleton eine »Warnung vor dem S-Wort« veröffentlicht und per Gastbeitrag »zur inflationären Verwendung eines Wörtchens« Stellung bezogen: »Nein, liebe Radiosprecher und Moderatorinnen. Es ist nicht S, wenn eine Regisseurin ein Bachmann-Stück mit drei Schauspielerinnen besetzt. Eine Diskussionsrunde über postmoderne Lyrik ist nicht S. Ein neu eingespieltes Oboenkonzert aus dem Barock ist nicht S.«

Super-S wird dagegen Ihr nächster fresher Beitrag im Jahr 2038: Das M-Wort ist ja man auch ganz schön dumm!

Massiv grüßt Sie Titanic

 Chillax, Friedrich Merz!

Sie sind Gegner der Cannabislegalisierung, insbesondere sorgen Sie sich um den Kinder- und Jugendschutz. Dennoch gaben Sie zu Protokoll, Sie hätten »einmal während der Schulzeit mal einen Zug dran getan«.

Das sollte Ihnen zu denken geben. Nicht wegen etwaiger Spätfolgen, sondern: Wenn ein Erzkonservativer aus dem Sauerland, der fürs Kiffen die Formulierung »einen Zug dran tun« wählt, schon in der Schulzeit – und trotz sehr wahrscheinlichem Mangel an coolen Freund/innen – an Gras kam, muss dann nicht so ziemlich jedes andere System besseren Jugendschutz garantieren?

Sinniert

Ihre Titanic

 Rrrrr, Jesus von Nazareth!

Rrrrr, Jesus von Nazareth!

Im andalusischen Sevilla hast Du eine Kontroverse ausgelöst, der Grund: Auf dem Plakat für das Spektakel »Semana Santa« (Karwoche) habest Du zu freizügig ausgesehen, zu erotisch, ja zu hot!

Tja, und wie wir das besagte Motiv anschauen, verschlägt es uns glatt die Sprache. Dieser sehnsüchtige Blick, der kaum bedeckte anmutige Körper! Da können wir nur flehentlich bitten: Jesus, führe uns nicht in Versuchung!

Deine Dir nur schwer widerstehenden Ungläubigen von der Titanic

 Ah, »Galileo«!

Über die Arbeit von Türsteher/innen berichtest Du: »Viele Frauen arbeiten sogar als Türsteherinnen«. Wir setzen noch einen drauf und behaupten: In dieser Branche sogar alle!

Schmeißen diese Erkenntnis einfach mal raus:

Deine Pointen-Bouncer von Titanic

 Ein Vorschlag, Clemens Tönnies …

Ein Vorschlag, Clemens Tönnies …

Während Ihrer Zeit im Aufsichtsrat bei Schalke 04 sollen Sie in der Halbzeitpause einmal wutentbrannt in die Kabine gestürmt sein und als Kommentar zur miserablen Mannschaftsleistung ein Trikot zerrissen haben. Dabei hätten Sie das Trikot viel eindrücklicher schänden können, als es bloß zu zerfetzen, Tönnies!

Sie hätten es, wie Sie es aus Ihrem Job kennen, pökeln, durch den verschmutzten Fleischwolf drehen und schließlich von unterbezahlten Hilfskräften in minderwertige Kunstdärme pressen lassen können.

Aber hinterher ist man immer schlauer, gell?

Dreht Sie gern durch den Satirewolf: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 In Würde altern

Früher hätte mich der riesige Pickel mitten auf meinem Hals stark gestört. Heute trage ich den wohl niedlichsten ausgeprägten Adamsapfel, den die Welt je gesehen hat, mit großem Stolz ein paar Tage vor mir her.

Ronnie Zumbühl

 Finanz-Blues

Wenn ich bei meiner langjährigen Hausbank anrufe, meldet sich immer und ausnahmslos eine Raiffeisenstimme.

Theobald Fuchs

 Konsequent

Die Welt steckt in der Spermakrise. Anzahl und Qualität der wuseligen Eileiter-Flitzer nehmen rapide ab. Schon in wenigen Jahren könnten Männer ihre Zeugungsfähigkeit vollständig verlieren. Grund hierfür sind die Verkaufsschlager aus den Laboren westlicher Großkonzerne. Diese Produkte machen den Schädling platt, das Plastik weich und das Braterlebnis fettfrei und wundersam. Erfunden wurden diese chemischen Erfolgsverbindungen von – Überraschung – Y-Chromosom-Trägern. Toll, dass sich Männer am Ende doch an der Empfängnisverhütung beteiligen.

Teresa Habild

 Frage an die Brutschmarotzer-Ornithologie

Gibt es Kuckucke, die derart hinterhältig sind, dass sie ihre Eier anderen Kuckucken unterjubeln, damit die dann fremde Eier in fremde Nester legen?

Jürgen Miedl

 Nicht lustig, bloß komisch

Während ich früher schon ein kleines bisschen stolz darauf war, aus einer Nation zu stammen, die mit Loriot und Heinz Erhardt wahre Zen-Meister der Selbstironie hervorgebracht hat, hinterfrage ich meine humoristische Herkunft aufgrund diverser Alltagserfahrungen jetzt immer öfter mit Gedanken wie diesem: Möchte ich den Rest meines Lebens wirklich in einem Land verbringen, in dem man während seiner Mittagspause in ein Café geht, das vor der Tür vollmundig mit »leckerem Hunde-Eis« wirbt, und auf seine Bestellung »Zwei Kugeln Labrador und eine Kugel Schnauzer« statt des fest eingeplanten Lachers ein »RAUS HIER!« entgegengebrüllt bekommt?

Patric Hemgesberg

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
27.04.2024 Schwerin, Zenit Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
28.04.2024 Lübeck, Kolosseum Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
29.04.2024 Berlin, Berliner Ensemble Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
30.04.2024 Hamburg, Kampnagel Martin Sonneborn mit Sibylle Berg