TITANIC Gold-Artikel

Scheiße im Getriebemotor – Menschen ersetzen Maschinen

Es war eine kurze Meldung diesen November, eine kurze Meldung von epochaler Wucht: Das US-Unternehmen Boeing will die Rumpfmontage seines Modells 777X nicht mehr wie seit jeher durch Industrieroboter ausführen lassen, sondern durch menschliche Mitarbeiter. Boeing-Geschäftsführer Dennis Muilenburg begründet diesen progressiven Schritt: Menschen seien langfristig billiger, weniger reparaturanfällig und liefen nicht alle naselang auf die Betriebstoilette, um dort heimlich zu rauchen. 

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Immer mehr intelligente Menschen ersetzen Maschinen, aber auch unintelligente dürfen wieder ran: Dieser Trend wird unter Personalern "Rehumanisierung" genannt und grassiert nicht nur bei Boeing, sondern auch in anderen Arbeitswelten. Vor allem dort, wo technisch längst alles möglich ist, sind humane Werkzeuge wieder ein beliebtes Mittel zur sozialen Distinktion. Insbesondere die Asiaten sind da längst einen menschlichen Fußtapser weiter. So wie Ranja Prince, 37 Jahre alt, Werbechefin in Singapur. Wenn sie abends aus dem gläsernen Büro-Tower kommt, sitzt auf dem Beifahrersitz ihres champagnerfarbenen Minis devot lächelnd ein Typ namens Tuan. "Mein neuer Navi", freut sich die High Performerin. Tuan ist ein arbeitsloser Taxifahrer, kennt die Gegend im Umkreis von sieben Meilen in- und auswendig und hat eine samtweiche Stimme. "Nur manchmal stöhnt er so altklug auf und rollt mit den Augen, wenn ich mich trotz Ansage verfahre, aber das treibe ich dem Burschen schon noch aus."

Auslaufmodell: Androider Pianoroboter Lang Lang.

In Seoul wiederum boomt derzeit nicht nur der K-Pop, sondern auch der Markt für menschliche Simultan-Dolmetscher, die Crazy Rich Asian Women untergehakt tragen wie eine neue Handtasche. Algorithmenbasierte Übersetzungsprogramme wie "Google Translate" gelten dort als Arme-Leute-Apps. Ein paar kichernde Schülerinnen gestehen, bei den Englisch-Klausuren ihre fleischlichen Übersetzer sogar auf der Schultoilette zu verstecken und heimlich zu konsultieren, wenn sie mal nicht weiterwissen.  

Auch im wohlhabenden Inselstaat Bahrain gibt sich die Oberschicht inzwischen wieder menschlich. Auf der Wunschliste ganz oben: humane TV-Umschalter für den neuen Retro-Röhrenfernseher. "Diese seelenlosen Fernbedienungen sind einfach nicht so mein Ding", argumentiert Ölscheich Quasim der Siebente und tätschelt seinem philippinischen Umschalter die wund gedrückten Finger. Im Bahrain gilt es schon lange als Statussymbol, sich möglichst viele Hilfskräfte leisten zu können, sind menschliche Helferlein ein Zeichen von Reichtum und Kultiviertheit. Quasims neueste Idee: ein menschlicher Türstopper für die ganze Familie.

"Tolle Elektrowurst, und was wird aus uns?" Viele einst geschätzte Fertigungsmaschinen hängen nur noch herum.

Doch auch in Europa findet die Entautomatisierung im Alltag ihren Niederschlag, etwa im Hause von Hedi Steinberger aus Chur in der Schweiz. Die 73jährige besitzt seit kurzem einen menschlichen Dildo. Mit den handelsüblichen Hightech-Vibratoren kam die pensionierte Rätoromanik-Lehrerin nicht so gut klar. "Mit der Feinmotorik hat es dauernd gehapert, und nach viereinhalb Stunden war immer schon der Akku leer", erinnert sich Hedi Steinberger, die auch eine namhafte Technikkritikerin ist: "Ist es nicht gruselig, wenn wir uns immer und überall von der Technik abhängig machen? Wo soll das noch hinführen?" Jetzt hat sie Bartek aus Hinterpolen und alle sind zufrieden, auch Ehegatte Rudi. Im nahen Allgäu hingegen florieren menschliche Boxsäcke. Einer von ihnen heißt Bernd und wohnt im Trainingskeller einer fünfköpfigen Familie. "Super Job! Klar, man muss auch einstecken können", urteilt Bernd salomonisch, "aber in welchem Job muss man das nicht?"

Auch Zukunfts-Guru Matthias Horx bestätigt: Menschliche Laufschrittmesser und wandelnde Enzyklopädien mit Wikipedia-Weltwissen sind Berufe mit Zukunft und der Beginn einer neuen Ära. Einer Ära, in der es viele Gewinner geben wird, zum Beispiel Kopisten, die mit Federkiel Dokumente abschreiben und einst durch die Erfindung des Buchdrucks ins Hintertreffen gerieten, in Zeiten lahmer Canon-Bürokopierer aber wieder gefragt sein könnten. 

Andere Akteure haben hingegen das Nachsehen. Zum Beispiel die Hersteller von Industrierobotern. Oder die Industrieroboter. Viele werden in den nächsten Jahrzehnten arbeitslos werden. Einige sind es schon jetzt. Drei ausrangierte Boeing-Roboter wurden bereits in der vergangenen Woche in einem düsteren Viertel von Chicago gesichtet, in den  Greifarmen je eine Dose Billigbier, lautstark diskutierend über Anarchie in der Tradition Michail Bakunins und die französische Gelbwesten-Bewegung. Drohen bald soziale Unruhen, ein Aufstand der schlesischen Webmaschinen oder gewaltbereite Aufmärsche freier Blechkameradschaften? Mit dem jüngsten Sprengstoffanschlag auf das nahe Boeing-Werk wollen die drei Ex-Mitarbeiter auf Anfrage nichts zu tun haben.

Ella Carina Werner

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Wow, Instagram-Kanal der »ZDF«-Mediathek!

In Deinem gepfefferten Beitrag »5 spicy Fakten über Kim Kardashian« erfahren wir zum Beispiel: »Die 43-Jährige verdient Schätzungen zufolge: Pro Tag über 190 300 US-Dollar« oder »Die 40-Jährige trinkt kaum Alkohol und nimmt keine Drogen«.

Weitergelesen haben wir dann nicht mehr, da wir uns die restlichen Beiträge selbst ausmalen wollten: »Die 35-Jährige wohnt nicht zur Miete, sondern besitzt ein Eigenheim«, »Die 20-Jährige verzichtet bewusst auf Gluten, Laktose und Pfälzer Saumagen« und »Die 3-Jährige nimmt Schätzungen zufolge gerne das Hollandrad, um von der Gartenterrasse zum Poolhaus zu gelangen«.

Stimmt so?

Fragen Dich Deine Low-Society-Reporter/innen von Titanic

 Ach, Taube,

Ach, Taube,

die Du in Indien wegen chinesischer Schriftzeichen auf Deinen Flügeln acht Monate in Polizeigewahrsam verbracht hast: Deine Geschichte ging um die Welt und führte uns vor Augen, wozu die indische Fashion-Polizei fähig ist. Aufgrund Deiner doch sehr klischeehaften Modetattoos (chinesische Schriftzeichen, Flügel) fragen wir uns aber, ob Du das nicht alles inszeniert hast, damit Du nun ganz authentisch eine Träne unter dem Auge oder ein Spinnennetz auf Deinem Ellenbogen (?) tragen kannst!

Hat Dein Motiv durchschaut: Titanic

 Eine Frage, Miriam Meckel …

Im Spiegel-Interview sprechen Sie über mögliche Auswirkungen künstlicher Intelligenz auf die Arbeitswelt. Auf die Frage, ob die Leute in Zukunft noch ihr Leben lang im gleichen Beruf arbeiten werden, antworten Sie: »Das ist ja heute schon eher die Ausnahme. Ich zum Beispiel habe als Journalistin angefangen. Jetzt bin ich Professorin und Unternehmerin. Ich finde das toll, ich liebe die Abwechslung.« Ja, manchmal braucht es einfach einen beruflichen Tapetenwechsel, zum Beispiel vom Journalismus in den Fachbereich Professorin! Aber gibt es auch Berufe, die trotz KI Bestand haben werden? »Klempner zum Beispiel. Es gibt bislang keinen Roboter mit noch so ausgefeilter KI auf der Welt, der Klos reparieren kann.«

Das mag sein, Meckel. Aber was, wenn die Klempner/innen irgendwann keine Lust mehr auf den Handwerkeralltag haben und flugs eine Umschulung zum Professor machen? Wer repariert dann die Klos? Sie?

Bittet jetzt schon mal um einen Termin: Titanic

 Boah ey, Natur!

»Mit der Anpflanzung von Bäumen im großen Stil soll das Klima geschützt werden«, schreibt der Spiegel. »Jetzt zeigen drei Wissenschaftlerinnen in einer Studie: Die Projekte können unter Umständen mehr schaden als nützen.« Konkret sei das Ökosystem Savanne von der Aufforstung bedroht. Mal ganz unverblümt gefragt: Kann es sein, liebe Natur, dass man es Dir einfach nicht recht machen kann? Wir Menschen bemühen uns hier wirklich um Dich, Du Diva, und am Ende ist es doch wieder falsch!

Wird mit Dir einfach nicht grün: Titanic

 Anpfiff, Max Eberl!

Sie sind seit Anfang März neuer Sportvorstand des FC Bayern München und treten als solcher in die Fußstapfen heikler Personen wie Matthias Sammer. Bei der Pressekonferenz zu Ihrer Vorstellung bekundeten Sie, dass Sie sich vor allem auf die Vertragsgespräche mit den Spielern freuten, aber auch einfach darauf, »die Jungs kennenzulernen«, »Denn genau das ist Fußball. Fußball ist Kommunikation miteinander, ist ein Stück weit, das hört sich jetzt vielleicht pathetisch an, aber es ist Liebe miteinander! Wir müssen alle was gemeinsam aufbauen, wo wir alle in diesem gleichen Boot sitzen.«

Und dieser schräge Liebesschwur, Herr Eberl, hat uns sogleich ungemein beruhigt und für Sie eingenommen, denn wer derart selbstverständlich heucheln, lügen und die Metaphern verdrehen kann, dass sich die Torpfosten biegen, ist im Vorstand der Bayern genau richtig.

Von Anfang an verliebt für immer: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Parabel

Gib einem Mann einen Fisch, und du gibst ihm zu essen für einen Tag. Zeig ihm außerdem, wie man die Gräten entfernt, und er wird auch den folgenden Morgen erleben.

Wieland Schwanebeck

 Wenn beim Delegieren

schon wieder was schiefgeht, bin ich mit meinen Lakaien am Ende.

Fabio Kühnemuth

 Dünnes Eis

Zwei Männer in Funktionsjacken draußen vor den Gemüsestiegen des türkischen Supermarkts. Der eine zeigt auf die Peperoni und kichert: »Hähä, willst du die nicht kaufen?« Der andere, begeistert: »Ja, hähä! Wenn der Esel dich juckt – oder nee, wie heißt noch mal der Spruch?«

Mark-Stefan Tietze

 Kehrwoche kompakt

Beim Frühjahrsputz verfahre ich gemäß dem Motto »quick and dirty«.

Michael Höfler

 Frühlingsgefühle

Wenn am Himmel Vögel flattern,
wenn in Parks Familien schnattern,
wenn Paare sich mit Zunge küssen,
weil sie das im Frühling müssen,
wenn überall Narzissen blühen,
selbst Zyniker vor Frohsinn glühen,
Schwalben »Coco Jamboo« singen
und Senioren Seilchen springen,
sehne ich mich derbst
nach Herbst.

Ella Carina Werner

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

  • 27.03.:

    Bernd Eilert denkt in der FAZ über Satire gestern und heute nach.

Titanic unterwegs
31.03.2024 Göttingen, Rathaus Greser & Lenz: »Evolution? Karikaturen …«
04.04.2024 Bremen, Buchladen Ostertor Miriam Wurster
06.04.2024 Lübeck, Kammerspiele Max Goldt
08.04.2024 Oldenburg, Theater Laboratorium Bernd Eilert mit Klaus Modick