TITANIC Gold-Artikel

Schatz, wir müssen kneten: Eine Paartherapie erobert die Welt

Riechen Sie das auch? Ja, ja, das sind die rauchigen Noten von Beziehungskrach. Und sagen wir es mal so: Der Lockdown hat leider auch nichts abgekühlt. Doch zum Glück gibt es einen neuen paartherapeutischen Ansatz, der die Welt der liebeserhaltenden Maßnahmen zu revolutionieren verspricht. Gemeinsames Backen soll dafür sorgen, dass Sie und Ihr Schatz in Ihrer Beziehung nie wieder etwas anbrennen lassen. TITANIC bietet einen exklusiven Einblick in einige der mehligen Methoden – und macht Appetit auf mehr.

Die Backstube einrichten

Geräte platzieren, alles einmal abwischen, eine Wandfarbe aussuchen: Wird das Brot ein Junge oder ein Mädchen? ___STEADY_PAYWALL___Was auch immer, machen Sie es sich gemütlich, denn hier werden Sie noch viel Zeit verbringen. Alles, was ein gutes Liebesnest braucht, ist eine Küchenmaschine, genügend Platz für ausgiebige Kneteinheiten und natürlich tiefgründige Gespräche über einem sich auflösenden Würfel frischer Hefe. Wenn Ihre Beziehung die heiße Hölle der Backküche überlebt, dann kann Sie wirklich nichts auseinanderbringen. Hier wird aus Ihnen beiden wieder die Liebes-Emulsion von früher, die wie Fett und Wasser durch Magie zusammengehalten wird. Es fehlt nur noch Mehl, Ihr Schatz, Butter und das ein oder andere Ei. Dann kann es auch schon losgehen mit dem Intim-Building – und das alles mit der Kraft von Gluten und Glucose.

Kneten, bis der Bäcker kommt

Die Massage als Methode der gepflegten Beziehungspflege findet ihr natürliches Pendant – und ihren Ursprung, wie viele Kulturanthropologen inzwischen vermuten – in der Küche. Denn bei beidem heißt es: Die Butter auf Zimmertemperatur bringen und gut unterkneten! Anstatt sich vorzustellen, Ihr Partner sei ein durchzuarbeitendes Stück Teig, wie jede gute Ehefrau bei der abendlichen Massage, drehen Sie den Spieß um und performen Sie den Walk an einem frischen Stück Mürbeteig, und zwar gemeinsam. Wenn der Teigklumpen nicht saftig genug ist, fügen Sie einfach etwas Feuchtigkeit hinzu. Hoffnungsschimmer: Genauso wie bei einem bröckeligen Mürbeteig gibt es auch bei der zerfallenden Zweisamkeit nichts, was eine gute Portion weiche Butter nicht wieder richten kann. Richtig – das gemeinsame Backen ist eine Metapher für Ihre Beziehung. Wer hätte das ahnen können? Aber Achtung! Beim Massieren, egal ob in der Küche oder im Schlafzimmer, gilt: Bloß das Mehl nicht vergessen! Mmmhhh… knusprig!

Jetzt geht es an die Eier

Ja, Sie haben richtig gehört. Holen Sie die Eier aus dem Kühlschrank und schaukeln Sie sie gut durch. Schauen Sie gemeinsam dabei zu, wie das Eiweiß in der Schüssel ersteift, und heben Sie es Hand in Hand unter. Sexy! Oder versuchen Sie sich an einem perfekten Biskuitteig. Die Lösung Ihrer Beziehungsprobleme erscheint nur noch halb so kompliziert, wenn Sie einmal einen perfekten Biskuitteig gemacht haben. Einen perfekten Biskuitteig zu machen, ist nämlich schwierig. Also wirklich schwierig. Haben Sie wegen des ganzen Stresses während des Eierschlagens, Mehleinsiebens und Unterhebens gar nicht über Ihre tiefgehenden und grundlegenden zwischenmenschlichen Probleme gesprochen? Egal! Dafür haben Sie jetzt einen perfekten Biskuitteig. Und das war wirklich schwierig. Aber zusammen haben Sie es geschafft. Seien Sie einfach mal dankbar für das, was Sie haben, und nicht immer, für das, was Ihnen fehlt (Gemeinsamkeiten, Respekt füreinander, guter Sex).

Wer ist die bessere Hälfte?

So, genug von gemeinsamen Backliebesspielen und beziehungsbekräftigenden Knet-Aktionen. Denn was ist eine gesunde Beziehung ohne ein ungesundes Stück Wettbewerb? Genau: langweilig! Also: drei, zwei, eins, an die Schürze, fertig, los! Wer macht die bessere Baiser-Torte? Wer kann das Geburtsdatum der anderen Person in Zuckerguss festhalten? Kurz: Wer ist das Einhorn-Mehl und wer nur Typ 550?  Falls Sie das Bedürfnis verspüren, sich gegenseitig anzuschreien, und es bisher noch nicht getan haben: Nun wäre der Moment. Vielleicht sind Sie jetzt wütend aufeinander, aber hey, Sie haben sich gegenseitig etwas gebacken. Und das ist doch schon mal mehr, als Sie in den letzten vier Jahren füreinander getan haben, oder?

Antonia Stille

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Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Verehrte Joyce Carol Oates,

da Sie seit den Sechzigern beinah im Jahrestakt neue Bücher veröffentlichen, die auch noch in zahlreiche Sprachen übersetzt werden, kommen Sie vermutlich nicht dazu, jeden Verlagstext persönlich abzusegnen. Vielleicht können Sie uns dennoch mit ein paar Deutungsangeboten aushelfen, denn uns will ums Verrecken nicht einfallen, was der deutsche Ecco-Verlag im Sinn hatte, als er Ihren neuen Roman wie folgt bewarb: »›Babysitter‹ ist ein niederschmetternd beeindruckendes Buch, ein schonungsloses Porträt des Amerikas der oberen Mittelschicht sowie ein entlarvender Blick auf die etablierten Rollen der Frau. Oates gelingt es, all dies zu einem unglaublichen Pageturner zu formen. In den späten 1970ern treffen in Detroit und seinen Vorstädten verschiedene Leben aufeinander«, darunter »eine rätselhafte Figur an der Peripherie der Elite Detroits, der bisher jeglicher Vergeltung entkam«.

Bitte helfen Sie uns, Joyce Carol Oates – wer genau ist ›der Figur‹, dem es die elitären Peripherien angetan haben? Tragen die Leben beim Aufeinandertreffen Helme? Wie müssen wir uns ein Porträt vorstellen, das zugleich ein Blick ist? Wird das wehtun, wenn uns Ihr Buch erst niederschmettert, um dann noch Eindrücke auf uns zu hinterlassen? Und wie ist es Ihnen gelungen, aus dem unappetitlich plattgedrückten Matsch zu guter Letzt noch einen »Pageturner« zu formen?

Wartet lieber aufs nächste Buch: Titanic

 Rrrrr, Jesus von Nazareth!

Rrrrr, Jesus von Nazareth!

Im andalusischen Sevilla hast Du eine Kontroverse ausgelöst, der Grund: Auf dem Plakat für das Spektakel »Semana Santa« (Karwoche) habest Du zu freizügig ausgesehen, zu erotisch, ja zu hot!

Tja, und wie wir das besagte Motiv anschauen, verschlägt es uns glatt die Sprache. Dieser sehnsüchtige Blick, der kaum bedeckte anmutige Körper! Da können wir nur flehentlich bitten: Jesus, führe uns nicht in Versuchung!

Deine Dir nur schwer widerstehenden Ungläubigen von der Titanic

 Eher unglaubwürdig, »dpa«,

erschien uns zunächst Deine Meldung, Volker Wissing habe nach dem tödlichen Busunglück auf der A9 bei Leipzig »den Opfern und Hinterbliebenen sein Beileid ausgesprochen«. Andererseits: Wer könnte die Verstorbenen auf ihrem Weg ins Jenseits noch erreichen, wenn nicht der Bundesverkehrsminister?

Tippt aufs Flugtaxi: Titanic

 Ganz schön unentspannt, Giorgia Meloni!

Ganz schön unentspannt, Giorgia Meloni!

Nachdem Sie eine Klage wegen Rufschädigung eingereicht haben, wird nun voraussichtlich ein Prozess gegen den britischen Rockstar Brian Molko eingeleitet. Dieser hatte Sie bei einem Konzert seiner Band Placebo in Turin als Nazi und Faschistin bezeichnet.

Wir finden, da könnten Sie sich mal etwas lockermachen. Wer soll denn bitte noch durchblicken, ob Sie gerade »Post-«, »Proto-« oder »Feelgood-« als Präfix vor »Faschistin« bevorzugen? Und: Wegen solcher Empflichkeiten gleich vor Gericht zu gehen, kostet die Justiz so viel wertvolle Zeit. Die könnte sie doch auch nutzen, um Seenotretter/innen dingfest zu machen oder kritische Presse auszuschalten. Haben Sie darüber schon mal nachgedacht, Sie Snowflake?

Schlägt ganz gelassen vor: Titanic

 Hallihallo, Michael Maar!

In unserem Märzheft 2010 mahnte ein »Brief an die Leser«: »Spannend ist ein Krimi oder ein Sportwettkampf.« Alles andere sei eben nicht »spannend«, der schlimmen dummen Sprachpraxis zum Trotz.

Der Literatur- ist ja immer auch Sprachkritiker, und 14 Jahre später haben Sie im SZ-Feuilleton eine »Warnung vor dem S-Wort« veröffentlicht und per Gastbeitrag »zur inflationären Verwendung eines Wörtchens« Stellung bezogen: »Nein, liebe Radiosprecher und Moderatorinnen. Es ist nicht S, wenn eine Regisseurin ein Bachmann-Stück mit drei Schauspielerinnen besetzt. Eine Diskussionsrunde über postmoderne Lyrik ist nicht S. Ein neu eingespieltes Oboenkonzert aus dem Barock ist nicht S.«

Super-S wird dagegen Ihr nächster fresher Beitrag im Jahr 2038: Das M-Wort ist ja man auch ganz schön dumm!

Massiv grüßt Sie Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Dual Use

Seit ich meine In-Ear-Kopfhörer zugleich zum Musikhören und als Wattestäbchen verwende, stört es mich gar nicht mehr, wenn beim Herausnehmen der Ohrstöpsel in der Bahn getrocknete Schmalzbröckelchen rauspurzeln.

Ingo Krämer

 Immerhin

Für mich das einzig Tröstliche an komplexen und schwer zugänglichen Themen wie etwa Quantenmechanik, Theodizee oder den Hilbertschen Problemen: Letztlich ist das alles keine Raketenwissenschaft.

Michael Ziegelwagner

 Tödliche Pilzgerichte (1/1)

Gefühlte Champignons.

Lukas Haberland

 Nicht lustig, bloß komisch

Während ich früher schon ein kleines bisschen stolz darauf war, aus einer Nation zu stammen, die mit Loriot und Heinz Erhardt wahre Zen-Meister der Selbstironie hervorgebracht hat, hinterfrage ich meine humoristische Herkunft aufgrund diverser Alltagserfahrungen jetzt immer öfter mit Gedanken wie diesem: Möchte ich den Rest meines Lebens wirklich in einem Land verbringen, in dem man während seiner Mittagspause in ein Café geht, das vor der Tür vollmundig mit »leckerem Hunde-Eis« wirbt, und auf seine Bestellung »Zwei Kugeln Labrador und eine Kugel Schnauzer« statt des fest eingeplanten Lachers ein »RAUS HIER!« entgegengebrüllt bekommt?

Patric Hemgesberg

 Finanz-Blues

Wenn ich bei meiner langjährigen Hausbank anrufe, meldet sich immer und ausnahmslos eine Raiffeisenstimme.

Theobald Fuchs

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
27.04.2024 Schwerin, Zenit Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
28.04.2024 Lübeck, Kolosseum Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
29.04.2024 Berlin, Berliner Ensemble Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
30.04.2024 Hamburg, Kampnagel Martin Sonneborn mit Sibylle Berg