TITANIC Gold-Artikel

Auf Visite bei Doktor Doof

Reformationsbotschafter, ein nach ihm benanntes Druckerzeugnis und jetzt auch noch die eigene App zur Fastenzeit: Eckart von Hirschhausen kann wirklich von sich behaupten, es geschafft zu haben – was auch immer dieses "es" sein mag. Die Omnipräsenz von Deutschlands größtem Grinsebäckchen lädt zumindest zu einem Hausbesuch bei dem jung gebliebenen Humoritis-Infizierten ein. TITANIC hat sich nicht zweimal einladen lassen und macht sich auf die Suche nach dem Menschen hinter der Clownsnase. 

"I’m gonna be (500 Miles)" von The Proclaimers scheppert aus der Bose-Box im Keller von Eckart von Hirschhausens Elternhaus. Dort bewohnt Deutschlands lustigster Oberarzt (51) seine bescheidene, etwas zu lang nicht stoßgelüftete Junggesellenbude. Hier, im Halbdunkel des brandenburgischen Vorortuntergrunds, steht unser Gastgeber fröhlich im Takt wippend unter der niedrigen Zimmerdecke. Für uns habe er sich seine Zuhauseweste übergeschmissen, gibt er eitel grinsend an, streicht sich den Frottee glatt und das verdächtig volle Haar aus der Stirn. Um ihn herum liegen leere Cola-Zero-Dosen und Pinot-Grigio-Flaschen, an der Wand ein Poster der Karl-May-Festspiele aus dem Jahr 1986 mit Klaus-Hagen Latwesen als Winnetou (oberkörperfrei). "Der Mann ist übrigens in Hagen geboren und heißt selber Hagen. Ulkig, oder?" fragt Hirschhausen, der offensichtlich nach all der Zeit noch immer ehrlich amüsiert über diesen Fakt zu sein scheint. Hat er das Poster nur aus diesem Grund hängen lassen? Ulkig, ja, stammeln wir pflichtbewusst.

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Der arztgewordene Zwinkersmiley

Kurze Zwischendiagnose: Hier lebt ein dynamischer Mediziner, Magier und Mensch, der nicht selten an den späten Gilderoy Lockhart (Harry Potter, Teil 5) erinnert. Dieser Mann, der in Talkshows gerne als "Allround-Talent" vorgestellt wird, hat auch bei unserem Treffen immer ein Zwinkern in den Augenwinkeln, wobei nicht ganz klar ist, ob das nicht doch pathologisch und ein Fall für einen, pardon, richtigen Arzt ist. Er ist der Erfinder brillanter Titel wie "Musik und Nebenwirkungen", "Die Leber wächst mit ihren Aufgaben" und "Wunder wirken Wunder – wie Medizin und Magie uns heilen" und macht das alles unironisch. "Viele behaupten ja, ich hätte es als Arzt nicht gebracht und würde deshalb mittelmäßige Komik auf deutschen Bühnen präsentieren, aber das wäre ja zu offensichtlich – und nichts ist im Leben offensichtlich, meine Lieben", sagt der Zauberkünstler und zieht sich ein Stethoskop aus dem linken Nasenloch. "Fump, hihi!" Dieses kecke Lachen! Dieser Mann ist jung geblieben, in Herz und Hirn.

Jetzt fastet er auch noch

Oft ist er wochenlang auf deutschen Bühnen und Intensivstationen (für Fernsehbeiträge) unterwegs, da sei ein festes Zuhause, ein Ort zum Ankommen und Ausruhen, besonders wichtig: "Reiner Körper, reine Seele", grinst er altklug. Genau in dem Moment kommt seine Mutter mit Frischkäse-Schnittchen und Karottenspalten herein. Mit den Worten "Für dich und deine Freunde von der Zeitung" und einem Schmatzer auf die Wange ihres Sohns stellt die patente Dame das Tablett auf einem Stapel von Hirschhausens eigenen Magazinen ab. "Manchmal sollte man auch einfach mal aufs Bauchgefühl hören – gerade, wenn es um Hunger geht", lacht er und klopft sich auf die eigene, zurechtgefastete Wampe. Gerade hat er sein nächstes Projekt, die eigene Fasten-App, gelauncht. Neben Intervallfasten und Reformationsmusicals schafft er es auch noch, bei Scientists4Future-Pressekonferenzen zwischen echten Wissenschaftlern herumzuhocken als lebender Beweis, dass nicht jeder Mensch mit Doktortitel Ahnung von Dingen haben muss. "Arzt – Deutsch, Deutsch – Arzt": Manchmal fragt man sich, ob von Hirschhausen dieses Buch primär für die Welt oder doch eher für den Eigengebrauch geschrieben hat.

"'Onkel Doktor'? Ich habe doch gar keine Neffen!" 

Doch wer kann diesen naiven Äuglein böse sein, wenn sie einem von der Bushaltestellenreklame oder aus Kioskauslagen entgegenglitzern? "Ich bin ein Comedy-Revolutionär: Dick und Doof gleichzeitig, haha. Soll ich Ihnen alle meine Bücher signieren?" bietet der Peer Steinbrück der deutschen Satireszene selbstlos an. Und weiter geht es mit schonungslos komischen Selbstbeobachtungen, während Eckart (er zwingt uns, ihn zu duzen) an den Schnittchen mümmelt: "Manchmal nennen mich die Kinder auf Station Onkel Doktor. Aber ich habe ja gar keine Neffen!" Wort- und Witzgefühl – das ist wohl eine der bestechendsten Eigenschaften dieses dauermoderierenden Dad-Jokes, der es sich jetzt auf seiner ausgewaschenen Pumuckl-Bettwäsche bequem macht.

Pinsel und Stethoskope

Bevor wir uns wieder auf den Weg machen, müssen wir natürlich noch die Frage aller Fragen stellen: Was hat Eckart "Ich hatte nur in Sport eine 3" von Hirschhausen noch vor in seinem Leben? Kann es nach "Frag doch mal die Maus" überhaupt weiter bergauf gehen? Auf dieses Thema scheint Luther-Ultra und Nagelkauer Hirschhausen nur gewartet zu haben – vor Freude färben sich seine Wangen noch röter. "Was viele ja nicht wissen", haucht er uns geheimnistuerisch entgegen, "ist ja, [Kunstpause] dass ich auch noch Maler bin." Nach dieser Bombshell schaut er uns erwartungsvoll an, doch wir wissen nicht, ob wir lachen oder weinen (oder der Sache ein Ende bereiten) sollen. Offensichtlich enttäuscht von unserer verhaltenen Reaktion spricht er weiter, jetzt etwas lauter: Der Schuppen im Garten sei zu einem kleinen Atelier umfunktioniert. "Momentan male ich viel mit Kreide, aber am liebsten mag ich Tusche." Ob wir eins seiner Werke sehen wollen? Doch ehe er uns das Bild sowie das dazugehörige ARD-Primetime-Sendungskonzept (irgendwas mit Malen, Kindern und Bernhard Hoëcker) präsentieren kann, sind wir schon die enge Stiege aus dem Keller nach oben in den Flur, ins Freie, an die frische Luft geflüchtet. Manchmal muss man wissen, wann jemand keine Aufmerksamkeit mehr bekommen sollte. Auch, um ihn vor sich selbst zu schützen.

Antonia Stille

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Nicht zu fassen, »Spiegel TV«!

Als uns der Youtube-Algorithmus Dein Enthüllungsvideo »Rechtsextreme in der Wikingerszene« vorschlug, wären wir fast rückwärts vom Bärenfell gefallen: In der Wikingerszene gibt es wirklich Rechte? Diese mit Runen tätowierten Outdoorenthusiast/innen, die sich am Wochenende einfach mal unter sich auf ihren Mittelaltermärkten treffen, um einer im Nationalsozialismus erdichteten Geschichtsfantasie zu frönen, und die ihre Hakenkreuzketten und -tattoos gar nicht nazimäßig meinen, sondern halt irgendwie so, wie die Nazis gesagt haben, dass Hakenkreuze vor dem Nationalsozialismus benutzt wurden, die sollen wirklich anschlussfähig für Rechte sein? Als Nächstes erzählst Du uns noch, dass Spielplätze von Kindern unterwandert werden, dass auf Wacken ein paar Metalfans gesichtet wurden oder dass in Flugzeugcockpits häufig Pilot/innen anzutreffen sind!

Nur wenn Du versuchst, uns einzureden, dass die Spiegel-Büros von Redakteur/innen unterwandert sind, glauben Dir kein Wort mehr:

Deine Blauzähne von Titanic

 Persönlich, Ex-Bundespräsident Joachim Gauck,

nehmen Sie inzwischen offenbar alles. Über den russischen Präsidenten sagten Sie im Spiegel: »Putin war in den Achtzigerjahren die Stütze meiner Unterdrücker.« Meinen Sie, dass der Ex-KGBler Putin und die DDR es wirklich allein auf Sie abgesehen hatten, exklusiv? In dem Gespräch betonten Sie weiter, dass Sie »diesen Typus« Putin »lesen« könnten: »Ich kann deren Herrschaftstechnik nachts auswendig aufsagen«.

Allerdings hielten Sie sich bei dessen Antrittsbesuch im Schloss Bellevue dann »natürlich« doch an die »diplomatischen Gepflogenheiten«, hätten ihm aber »schon zu verstehen gegeben, was ich von ihm halte«. Das hat Putin wahrscheinlich sehr erschreckt. So richtig Wirkung entfaltet hat es aber nicht, wenn wir das richtig lesen können. Wie wär’s also, Gauck, wenn Sie es jetzt noch mal versuchen würden? Lassen Sie andere Rentner/innen mit dem Spiegel reden, schauen Sie persönlich in Moskau vorbei und quatschen Sie Putin total undiplomatisch unter seinen langen Tisch.

Würden als Dank auf die Gepflogenheit verzichten, Ihr Gerede zu kommentieren:

die Diplomat/innen von der Titanic

 Du, »Deutsche Welle«,

betiteltest einen Beitrag mit den Worten: »Europäer arbeiten immer weniger – muss das sein?« Nun, wir haben es uns wirklich nicht leicht gemacht, ewig und drei Tage überlegt, langjährige Vertraute um Rat gebeten und nach einem durchgearbeiteten Wochenende schließlich die einzig plausible Antwort gefunden. Sie lautet: ja.

Dass Du jetzt bitte nicht zu enttäuscht bist, hoffen die Workaholics auf

Deiner Titanic

 Grunz, Pigcasso,

malendes Schwein aus Südafrika! Du warst die erfolgreichste nicht-menschliche Künstlerin der Welt, nun bist Du verendet. Aber tröste Dich: Aus Dir wird neue Kunst entstehen. Oder was glaubst Du, was mit Deinen Borsten geschieht?

Grüße auch an Francis Bacon: Titanic

 Kurz hattet Ihr uns, liebe Lobos,

Kurz hattet Ihr uns, liebe Lobos,

als Ihr eine Folge Eures Pärchenpodcasts »Feel the News« mit »Das Geld reicht nicht!« betiteltet. Da fragten wir uns, was Ihr wohl noch haben wollt: mehr Talkshowauftritte? Eine Homestory in der InTouch? Doch dann hörten wir die ersten zwei Minuten und erfuhren, dass es ausnahmsweise nicht um Euch ging. Ganz im Sinne Eures Formats wolltet Ihr erfühlen, wie es ist, Geldsorgen zu haben, und über diese Gefühle dann diskutieren. Im Disclaimer hieß es dann noch, dass Ihr ganz bewusst über ein Thema sprechen wolltet, das Euch nicht selbst betrifft, um dem eine Bühne zu bieten.

Ihr als Besserverdienerpärchen mit Loft in Prenzlauer Berg könnt ja auch viel neutraler und besser beurteilen, ob diese Armutsängste der jammernden Low Performer wirklich angebracht sind. Leider haben wir dann nicht mehr mitbekommen, ob unser Gefühl, Geldnöte zu haben, berechtigt ist, da wir gleichzeitig Regungen der Wohlstandsverwahrlosung und Realitätsflucht wahrnahmen, die wir nur durch das Abschalten Eures Podcasts loswerden konnten.

Beweint deshalb munter weiter den eigenen Kontostand: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Kapitaler Kalauer

Da man mit billigen Wortspielen ja nicht geizen soll, möchte ich hier an ein großes deutsches Geldinstitut erinnern, das exakt von 1830 bis 1848 existierte: die Vormärzbank.

Andreas Maier

 Treffer, versenkt

Neulich Jugendliche in der U-Bahn belauscht, Diskussion und gegenseitiges Überbieten in der Frage, wer von ihnen einen gemeinsamen Kumpel am längsten kennt, Siegerin: etwa 15jähriges Mädchen, Zitat: »Ey, ich kenn den schon, seit ich mir in die Hosen scheiße!«

Julia Mateus

 Dünnes Eis

Zwei Männer in Funktionsjacken draußen vor den Gemüsestiegen des türkischen Supermarkts. Der eine zeigt auf die Peperoni und kichert: »Hähä, willst du die nicht kaufen?« Der andere, begeistert: »Ja, hähä! Wenn der Esel dich juckt – oder nee, wie heißt noch mal der Spruch?«

Mark-Stefan Tietze

 Frühlingsgefühle

Wenn am Himmel Vögel flattern,
wenn in Parks Familien schnattern,
wenn Paare sich mit Zunge küssen,
weil sie das im Frühling müssen,
wenn überall Narzissen blühen,
selbst Zyniker vor Frohsinn glühen,
Schwalben »Coco Jamboo« singen
und Senioren Seilchen springen,
sehne ich mich derbst
nach Herbst.

Ella Carina Werner

 Parabel

Gib einem Mann einen Fisch, und du gibst ihm zu essen für einen Tag. Zeig ihm außerdem, wie man die Gräten entfernt, und er wird auch den folgenden Morgen erleben.

Wieland Schwanebeck

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
25.04.2024 Köln, Comedia Max Goldt
27.04.2024 Schwerin, Zenit Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
28.04.2024 Lübeck, Kolosseum Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
29.04.2024 Berlin, Berliner Ensemble Martin Sonneborn mit Sibylle Berg