Vom Fachmann für Kenner | August 2015


Hoffnungsschimmer

Ich hatte gerade den Veranstaltungskalender unseres Dorfes, der als eher gutbürgerlich angehaucht beschrieben werden kann, überflogen. Angenehm überrascht, dort zwischen Kabarett und Kirchenchorkonzert die Abendexkursion »Reinhauen« zu entdecken, stellte ich mir eine ausführliche Kneipentour darunter vor: wild feiernde, sich kaum kennende Menschen, guten Rock, derbe Sprüche, ein Schnäpschen oder zwei. Auch wenn ich ein gutes Theaterstück durchaus schätze – das wäre ja mal etwas ganz anderes und ich freute mich direkt sehr. Und es würde bestimmt besonders lustig werden! Doch ich hatte mich leider verlesen: Es wurde lediglich eine abendliche Wanderung in die »Rheinauen« angekündigt. Schade!

Christina Hahn

Redewendungen, die es zum Glück nicht gibt

Einen über den Durst gewichst.

Cornelius Knutsen

Nunc est bibendum

Ausgerechnet auf dem Platz direkt vor der Alkohol- und Drogenberatungstelle stand gestern eine Gruppe junger Männer und trank Billigbier aus Dosen. Heute dasgleiche Bild, allerdings steht diesmal eine Kiste Premiumpils in der Mitte. Da hat am gestrigen Tage offenbar noch ein erfolgreiches Beratungsgespräch stattgefunden.

Thorsten Mausehund

Man soll sich kein Ei legen

Mit genialen Geschäftsideen ist es doch wie mit scheuen Hühnervögeln: Zuallererst muß man sich geduldig und mucksmäuschenstill an sie heranpirschen, um dann – im rechten Moment! – einen pantherhaften Satz in die Mitte des Geschehens zu wagen, wobei man mit wilden Greifbewegungen im auseinanderstiebenden, gackernden Schwarm wahllos herumfuchtelnd einen »Vogel« zu erwischen hofft, welchem dann ruck, zuck der Hals umgedreht wird; anschließend werden die Federn fachgerecht gerupft, die Gedärme entfernt und Klauen sowie Kopf abgehackt. Die schön geschnittenen Filets werden dann in einer Pfanne angebraten und mit einer schmackhaften Soße serviert; ein Stückchen Petersilie zur Garnierung: FERTIG! Macht dann bitte 17,80 Euro. Gedeck kostet aber noch mal extra.

Sebastian Klug

Die neue Kassiererin

O Gott, ein Frischling, denke ich mir, als ich mich der Kasse nähere. Sie ist jung und lächelt so abartig. So fröhlich. Einer der Alten vor mir beginnt eine Debatte mit ihr, ob er 9,57 Euro Rückgeld bekommen hat oder 9,27 Euro. Die übliche Leier, aber anstatt ihm das Baguette um die Ohren zu hauen, erläutert sie ihm geduldig, daß er 9,27 Euro zurückerhalten hat. »Das ist doch scheißegal«, rufe ich von hinten. »Verpiß dich endlich und stirb zu Hause!« Ich höre zustimmendes Gemurmel. Der Alte ist verwirrt und gibt sich zufrieden. Eine junge Frau will sich mit dem Hinweis, sie habe nur drei Sachen, an mir vorbeidrängen, aber ich stoße sie zurück. Als sie es erneut probiert, ramme ich ihr die Faust in den Magen. Sie fällt zurück, und die anderen Wartenden reichen sie durch, bis sie wieder am Ende der Schlange steht. »Und ich habe nur Bier«, lasse ich sie wissen. Dann bin ich dran. »Einen schönen guten Tag wünsche ich Ihnen«, ruft die neue Kassiererin, als ich ihr den Pfandbon reiche. Ihre Freundlichkeit bringt mich durcheinander. »Halt die …«, will ich schon rufen und verbessere mich zu einem unsinnigen Satz, »… übliche Pfandmenge.« Sie lächelt mich an und stellt die Einkäufe sogar in den Wagen. Eine Woche gebe ich ihr, dann hat sie entweder gekündigt oder ist normal geworden.

Robert Rescue

Schönster erster Satz

»Ilsebill salzte nach.« Kein Wunder: Das tut eigentlich jeder, der schon mal in Danzig essen war.

Kim-Oliver Tietze

Dramaturgentip

Man könnte sich mühselig an der Schreibmaschine die Hornhaut von den Kuppen tippen. Oder aber morgens eine am Arbeitsplatz bislang unbeachtete Schönheit im Fahrstuhl ansprechen, sie nach Feierabend auf entgegengesetztem Elevatorenwege in ein adrettes Hochhausrestaurant einladen, sich in dessen Lift gen Turmspitze direktemang in die fast Fremde verlieben, noch am Abend auf der Hebewerksfahrt nach unten von ihr zum Teufel gejagt werden aufgrund eines Mißverständnisses, dieses am Folgetag begreifen, schließlich liebewitternd zu ihr nach Hause rasen, überhastet in den Paternoster ihres Wohnkomplexes hechten und dabei genickbrüchig stürzen, um eine Tragödie in fünf Aufzügen zu schöpfen.

Cornelius Oettle

Kunstgeschichtliche Anekdoten (2)

Georges Seurat erreichte den Gipfel seines künstlerischen Schaffens stets dann, wenn er einen Streit mit seiner Frau hatte. Sich dessen bewußt, provozierte Seurat seine Muse gerne aus den nichtigsten Anlässen. Mal war zu wenig Suzette im Crêpe, mal die Foie zu gras, und Seurat nörgelte und nörgelte, bis ihr schließlich der Kragen platzte und sie die magischen Worte »Jetzt mach’ aber mal ’nen Punkt!« ausstieß. Er markierte daraufhin den Schwerhörigen und brüllte zurück: »Einen was?« Worauf sie, selbstredend das Crescendo fortführend, wiederum »Einen Punkt!« zurückgab. Daraus entwickelte sich, sehr zur Freude der Nachbarn, ein stundenlanges Gekeife, das sich bis in den späten Abend hinziehen konnte – wenn dann endlich ein weiteres Meisterwerk des Pointillismus fertig war.

Helge Möhn

Hegeltrinker

Ein guter Bekannter von mir redet sich seinen stetigen Alkoholkonsum schön, indem er kurze Phasen der Abstinenz als »streng dialektische Antithese zugunsten einer gelungenen Synthese« bezeichnet. Somit sei er mitnichten eine Suffnase, sondern ein durch und durch hegelmäßiger Trinker.

Esther Horn

Post-Etikette

»Die Briefmarke mit Katzen- oder Eichhörnchenbabys?« – »Eichhörnchen. Ist was Offizielles.«

Katharina Greve

Deutschland, deine Erzieher

Die Kindergärtnerin im Hof singt »Backe, backe Kuchen«, kommt bei den sieben Sachen, die man zum Backen guten Kuchens brauche, aber nur auf »Eier und Schmalz, Milch und Mehl« sowie Safran. Das wird nicht nur ein sehr fader Kuchen, so wird bei den Kindern auch die Grundlage für eine lebenslange Matheschwäche gelegt. Die Folgen lassen sich leicht ausmalen: Schulabbruch, Bäckerlehre, Entlassung wegen fader Backwerke, schließlich zweiter Bildungsweg und Ausbildung zum Erzieher. Zukünftigen Generationen bleibt nur die Hoffnung auf den endgültigen Sieg der Aufbackwarenketten, um diesen Teufelkreis zu durchbrechen. Oder die auf das Ende der Mathematik als Schulfach. O tempora, o mores!

Valentin Witt

Hitlerwitz

Eine gute Freundin schrieb mir im Facebookchat etwas genervt, daß sie Hitlerwitzen äußerst kritisch gegenüberstehe. Ich überlegte mir kurz einen und stimmte ihr empört zu: »Sitzt Hitler im Restaurant und sagt: ›Herr Ober, da ist ein Schnurrbart in meiner Suppe‹« – so was geht natürlich gar nicht!

Mark-Stefan Tietze

Aus der Welt der Bankgeschäfte

Wie sagt der Franzose, wenn er den IBAN-Code seines Kontos nicht weiß? »Je ne SEPA …«

Theobald Fuchs

Der Super Nanny

Wie sehr man sich doch auf den Volksmund verlassen kann, erfuhr ich erst unlängst wieder am sprichwörtlich eigenen Leib. Als frischgebackener Vater überkam mich nach einer langen, harten Nacht ohne Schlaf das plötzliche Bedürfnis, meine Zerschlagenheit durch körperliche Arbeit abzuschütteln. Flugs hatte ich Stehleiter, Kabeltrommel und Elektroschere parat, um die auf über drei Meter hochgewucherte Hecke unseres Gartens auf Gardemaß zurechtzustutzen. Verantwortungsbewußt positionierte ich den Kinderwagen mit meinem mich neugierig betrachtenden Filius in ausreichendem Sicherheitsabstand zur Leiter. Kaum hatte ich die oberste Sprosse erklommen, das anfängliche Schwindelgefühl abgeschüttelt und den ersten schwungvollen Schnitt getätigt, passierte das Malheur. Mein Fuß verhedderte sich unglücklich in einer Schlaufe des Verlängerungskabels. Die, um mein Kind nicht in Gefahr zu bringen, noch arbeitende Heckenschere fest im Griff, versuchte ich mit Ruderbewegungen beider Arme vergeblich das Gleichgewicht zu halten und kippte in hohem Bogen kopfüber von der Leiter. Mein freier Fall wurde lediglich dadurch gebremst, daß sich das rotierende Scherenblatt im Verdeck des Kinderwagens verfing. Wieder auf wackeligen Beinen stehend, konnte ich meine im Schlafanzug herbeieilende, vor Sorge um ihre Liebsten hysterisch kreischende Freundin, welcher Teufel mich geritten habe, um fünf Uhr morgens ihr Baby umzubringen, nach kurzer Feststellung der körperlichen Unversehrtheit von Sohn und Vater mit noch schwerer Zunge direkt beruhigen. Denn wie heißt es doch so schön: Betrunkene und Kinder schützt der liebe Gott.

Daniel Sibbe (z. Zt. alleinstehend)

Beim Betrachten der Monate

Je weiter das Jahr mit dem Igelkalender an der Wand voranschreitet, desto mehr fällt mir auf: Igel sind eigentlich ganz kleine Wildschweine.

Elias Hauck

Praktischer Küchentip

Wer sich ein Müsli mit Blaubeeren, Johannisbeeren, Bananenstückchen, filetierter Orange, gehäuteten Pfirsichstücken, Sonnenblumenkernen, einem Löffel zarter und zwei Löffeln kerniger Haferflocken, einer halben Handvoll Nüssen, geschrotetem Leinsamen, Cornflakes, Trockenobst und Apfelwürfelchen mischt, sollte zuvor überprüfen, ob noch Milch vorrätig ist.

Fabian Lichter

Sinnvolle Maßnahme

Ich besuche seit vielen Jahren einen Stammtisch in einem nahegelegenen Wirtshaus und bin dort ein durchaus gern gesehener Gast. Leider bin ich jedoch den dort stattfindenden aggressiven und gereizten Diskussionen nicht immergewachsen. Zur Vorbereitung gehe ich neuerdings vorher schon in eine kleine Stehkneipe und trinke mir etwas Wut an.

Moses Wolff

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Hoppla, Berliner Gefängnischefs!

Drei von Euch haben laut Tagesspiegel wegen eines Fehlers der schwarz-roten Regierungskoalition statt einer Gehaltserhöhung weniger Geld bekommen. Aber der Ausbruch von Geldnöten soll durch einen Nachtragshaushalt verhindert werden. Da ja die Freundschaft bekanntlich beim Geld endet: Habt Ihr drei beim Blick auf Eure Kontoauszüge mal kurz über eine Ersatzfreiheitsstrafe für die nachgedacht, die das verbrochen haben?

Wollte diese Idee nur mal in den Raum stellen: Titanic

 Grüß Gott, Businesspäpstin Diana zur Löwen!

Du verkaufst seit Neuestem einen »Anxiety Ring«, dessen »bewegliche Perlen« beim Stressabbau helfen sollen. Mal abgesehen davon, dass das einfach nur das hundertste Fummelspielzeug ist, kommen uns von ihren Nutzer/innen glorifizierte und zur Seelenerleichterung eingesetzte bewegliche Perlen an einer Kette verdächtig bekannt vor.

Ist für Dich natürlich super, denn auch wenn Du Deinen treuen Fans skrupellos das Geld aus der Tasche ziehst, in die Hölle kommst Du zumindest für diese Aktion sicher nicht.

Auch wenn dafür betet:

Deine Titanic

 Ah, »Galileo«!

Über die Arbeit von Türsteher/innen berichtest Du: »Viele Frauen arbeiten sogar als Türsteherinnen«. Wir setzen noch einen drauf und behaupten: In dieser Branche sogar alle!

Schmeißen diese Erkenntnis einfach mal raus:

Deine Pointen-Bouncer von Titanic

 Du, »Hörzu Wissen«,

weißt, wie Werbung geht! Mit »Die Sucht zu töten« machtest Du so richtig Lust auf Deine aktuelle Ausgabe, um erläuternd nachzulegen: »Bestialisch, sadistisch, rätselhaft: Was Menschen zu mordenden Monstern macht – acht Täter und die Geschichten ihrer grausamen Verbrechen.«

Wer kann sich da der Faszination der »dunklen Welt der Serienkiller« noch entziehen? Aber am Ende, liebe Hörzu Wissen, ist in diesem Zusammenhang doch die Implikation Deines Slogans »Hörzu Wissen – das Magazin, das schlauer macht!« das Allergruseligste!

Da erschauert sogar

Die True-Crime-resistente Redaktion der Titanic

 Eher unglaubwürdig, »dpa«,

erschien uns zunächst Deine Meldung, Volker Wissing habe nach dem tödlichen Busunglück auf der A9 bei Leipzig »den Opfern und Hinterbliebenen sein Beileid ausgesprochen«. Andererseits: Wer könnte die Verstorbenen auf ihrem Weg ins Jenseits noch erreichen, wenn nicht der Bundesverkehrsminister?

Tippt aufs Flugtaxi: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Gute Nachricht:

Letzte Woche in der Therapie einen riesigen Durchbruch gehabt. Schlechte Nachricht: Blinddarm.

Laura Brinkmann

 Nicht lustig, bloß komisch

Während ich früher schon ein kleines bisschen stolz darauf war, aus einer Nation zu stammen, die mit Loriot und Heinz Erhardt wahre Zen-Meister der Selbstironie hervorgebracht hat, hinterfrage ich meine humoristische Herkunft aufgrund diverser Alltagserfahrungen jetzt immer öfter mit Gedanken wie diesem: Möchte ich den Rest meines Lebens wirklich in einem Land verbringen, in dem man während seiner Mittagspause in ein Café geht, das vor der Tür vollmundig mit »leckerem Hunde-Eis« wirbt, und auf seine Bestellung »Zwei Kugeln Labrador und eine Kugel Schnauzer« statt des fest eingeplanten Lachers ein »RAUS HIER!« entgegengebrüllt bekommt?

Patric Hemgesberg

 Citation needed

Neulich musste ich im Traum etwas bei Wikipedia nachschlagen. So ähnlich, wie unter »Trivia« oft Pub-Quiz-Wissen gesammelt wird, gab es da auf jeder Seite einen Abschnitt namens »Calia«, voll mit albernen und offensichtlich ausgedachten Zusatzinformationen. Dank Traum-Latinum wusste ich sofort: Na klar, »Calia« kommt von »Kohl«, das sind alles Verkohl-Facts! Ich wunderte mich noch, wo so ein Quatsch nun wieder herkommt, wusste beim Aufwachen aber gleich, unter welcher Kategorie ich das alles ins Traumtagebuch schreiben konnte.

Alexander Grupe

 Immerhin

Für mich das einzig Tröstliche an komplexen und schwer zugänglichen Themen wie etwa Quantenmechanik, Theodizee oder den Hilbertschen Problemen: Letztlich ist das alles keine Raketenwissenschaft.

Michael Ziegelwagner

 Spielregeln

Am Ende einer Mensch-ärgere-dich-nicht-Partie fragt der demente Herr, ob er erst eine Sechs würfeln muss, wenn er zum Klo will.

Miriam Wurster

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
18.05.2024 Wien, Rabenhoftheater Max Goldt
23.05.2024 Bielefeld, Theaterlabor Max Goldt
24.05.2024 Dresden, Buchladen Tante Leuk Thomas Gsella
30.05.2024 Frankfurt, Museum für Komische Kunst »POLO«