Vom Fachmann für Kenner | April 2015


Geschäftsmodell: Fail

Die Wäscherei an der Ecke wirbt mit dem Spruch »Die Reinigung für Sauberbleiber«. Ich fühle mich davon sofort angesprochen, kann mich voll und ganz mit dem Werbespruch identifizieren – ja ja: Ich sehe es deutlich vor mir, ich bin gemeint. Wie gerne wäre ich Kunde dieses vorbildlichen Betriebs! Nur habe ich leider nichts, was man waschen müßte.

Frederik Skorzinski

Occupy Starbucks

Immer wenn ich mit meiner Freundin im Café sitze, sie mit ihrem auf einem Tablett mit Spitzendeckchen und ziseliertem Silberlöffelchen servierten Latte Macchiato, ich mit meinem Schonkaffee schwarz, wird mir bewußt: Wir leben in einer Zwei-Tassen-Gesellschaft.

Daniel Sibbe

Beim Empfang

»Guten Tag! Bitte sagen Sie mir Ihren Namen.« – »Sebastian Klug.« – »Können Sie mir Ihren Nachnamen buchstabieren?« – »Kaufmann – Ludwig – Ulrich – Gustav. Kaaah – Elll – Uuuh – Geeeh. Klug.« – »Okaaaay… Und in Buchstaben?« Dialog gescheitert.

Sebastian Klug

Nachbarschaftshilfe

In ihrem Dorf, erinnert sich die Großmutter, sei man schon immer bereit gewesen, sich gegenseitig zu helfen. Als der jüdische Viehhändler etwa sein Geld habe eintreiben wollen, obwohl die Kuh, die er dem Nachbarn verkauft hatte, sofort danach krank geworden war, seien alle Bauern des Dorfes diesem sofort zu Hilfe geschritten. Den Viehhändler hätten sie gleich auf dem Feld, auf dem er erschienen sei, in der Furche liegen gelassen. Weil er aber keine Erben gehabt habe, hätte sein Besitz gerecht unter den Höfen im Dorf aufgeteilt werden müssen.

Ludger Fischer

Opa Fischer berichtet

Oft hört man ja, die ständige anonyme Meckerei im Netz führe zu einer Verwahrlosung der Sitten; die Leute gerieten immer schamloser, brutaler und gröber. Nun hörte ich aber im Schnellrestaurant Schulkinder streiten – und wo wir seinerzeit »Ich kill dich« und »Stirb!« schrieen, um uns dann so fest wie möglich auf die Fresse zu geben, riefen diese immer nur »Ich block dich! Ich block dich!«. Und zwar ganz ohne Schläge. Wie warm wurde es mir da ums Herz! Statt mit Gewalt zu drohen, verlegen die lieben Kleinen ihre Konflikte in die virtuelle Sphäre, ignorieren einander, wo sie keinen Konsens finden, werden pazifiziert und zur Demokratie erzogen gerade durch das ach so böse Internet. Erst später fiel mir ein, daß die Drohung rein phonetisch auch »Ich blogg dich! Ich blogg dich!« geheißen haben könnte, und also schon die Digitalzwerge einander bloggenderweis’ Lügen, Verleumdung und Irrsinn um die Ohren hauen, daß es ein rechtes Grauen ist. Zur Sicherheit habe ich sie dann alle auf Facebook gemeldet. Bloggen geht ja mal gar nicht!!!!111!

Leo Fischer

Kritik

Im Kaufhaus. Auf der Rolltreppe nebenan fahren mir zwei junge Männer wahrscheinlich arabischer Herkunft entgegen. Sie haben einen dunklen Teint, schwarze Haare, etwas fusselige Bärte und sehen sich unglaublich ähnlich. Mein spontaner Gedanke: »Sind das Zwillinge – oder bin ich einfach nur rassistisch?«

Katharina Greve

Raute

Seit kurzem twittere ich über die Entstehungs- und Nutzungsgeschichte der Raute. Folgt mir unter ##.

Cornelius Oettle

Lukrativer Auftrag

Technikfreaks, aufgepaßt! Was ich gerne hätte, wäre ein mittelgroßes schwarzes Schild, das etwa zehn Zentimeter über meinem Kopf schwebt, das allen meinen Bewegungen folgt und immer dann aufleuchtet, wenn mir ein Idiot vors Gesicht kommt, und zwar in gelben Lettern das Wort »Wichser« buchstabierend, wobei allerdings, bei genauerem Nachdenken, die Leuchtschrift eigentlich die ganze Zeit angeschaltet bleiben könnte, und wenn ich noch genauer nachdenke, dann kann ich das Schild ganz weglassen – vielen Dank für Eure Bemühungen, ich bleib bei meinem bewährten stromlosen, altmodischen angewiderten Gesichtsausdruck.

Theobald Fuchs

Mißglückte Entstigmatisierung

Mittags gegen zwölf: Chefredakteur Tim Wolff spaziert nach seinem wöchentlichen Besuch im Friseursalon Aphrodite (»Damen & Herren«) vor meiner Wohnung entlang. Ich stehe am offenen Fenster und warte darauf, daß er mich sieht. »Na, schon wach?« ruft er spöttisch herauf. »Ach, längst«, antworte ich. »Das sind doch alles Klischees!« Leider vergaß ich nachzusetzen: »Von mir selbst in die Welt gesetzte Klischees.« Ich war eben noch nicht ganz wach.

Valentin Witt

Haltbarkeit

Habe neulich mit einem Kumpel eine alte Folge von »Ein Colt für alle Fälle« angeschaut. Plötzlich sagt mein Freund: »Die Jody sieht ja immer noch so gut aus!«

Uwe Geishendorf

Versuch einer Erzählung

Heute morgen kam ich nicht aus dem Quark. Er hielt mich eng umschlungen und zog mich schon beim geringsten Versuch, die Augen auf- und die Decke zurückzuschlagen, mit sanfter Gewalt in sein Reich zurück. Offenbar handelte es sich nicht um getretenen Quark, denn der, so wußte bereits Goethe, »wird breit, nicht stark«, sondern um einen neuartigen Superquark, der die geballten Kräfte der Teilchenphysik zu nutzen und mich buchstäblich in die Quarktasche zu stecken imstande war. Erst am späten Nachmittag gelang es mir, ihn mit einer improvisierten Quarkmaske so zu täuschen, daß – – – [Fragment]

Mark-Stefan Tietze

Ethik – ein Versuch

Weil ich gern eine Putzfrau hätte, mich dabei aber nicht scheiße fühlen möchte, mache ich für eine Anstellung zur Bedingung, daß sie in ihren eigenen vier Wänden auch eine Putzfrau beschäftigt – auf meine Kosten, versteht sich. Die Kosten für deren Putzfrau übernimmt dann meine Freundin.

Teja Fischer

Mangel an Aufarbeitung

Daß die deutsche Geschichte der Jahre 1933 bis 45 immer noch völlig unzureichend aufgearbeitet ist, wurde mir letztens erst schlagartig bewußt, als ich bemerkte, daß beim Wikipedia-Eintrag zu Adolf Hitler an keiner einzigen Stelle das Kapitel »Kritik« auftaucht.

Volker Gahrmann

Werbepause

Nach langem Ringen habe ich mich nun doch zur Nutzung eines Ad-Blockers entschieden. Das Netz sollte schließlich ein Ort zum Wohlfühlen sein. Warum nicht einfach mal die Füße mit den neuen Nike Air Free (129,95 Euro UVP bei Zalando) hochlegen und mit dem iPad mini 3 (mit 128 GB, jetzt im Apple Store) entspannt im Manufactum-Lesesessel zurücklehnen? Diesen einen, ganz eigenen Moment erleben, als hätte man sich eben ein Krombacher geöffnet und der kühle, herbe und einzigartig frische Geschmack entfalte sich am Gaumen. Genuß pur. Ohne permanentes Einprasseln nerviger Pop-ups. Und ich rede hier nicht von durchaus sinnvollen Einblendungen, etwa jenen, die einen zu Amazon führen, wo es tatsächlich jede Menge Schnäppchen zu ergattern gibt. Bedenkt man, wie plump einem mittlerweile Werbung untergejubelt werden soll, möchte man sich doch mit der flachen Hand direkt auf die Ray-Ban-Brille schlagen. Gut, warum auch nicht – sie würde es vermutlich ohnehin überstehen mit ihrer 1a-Verarbeitung.

Fabian Lichter

Vom Schreibanlaß

Das ist natürlich noch kein Anlaß für eine Geschichte, daß man nach schwerster Trinkerei in einem Hotel davon geträumt hat, man sei nachts aufgestanden, aus dem Zimmer getreten und sodann vollkommen verloren gewesen, weil hinter einem die Zimmertür ins Schloß gefallen sei und man auch schon gar nicht mehr gewußt habe, welche Tür die richtige sein möge, und also einfach auf Verdacht mal an vielen verschiedenen Türen erfolglos geklopft habe; dabei mußte man doch so dringend mal pinkeln und habe das dann kurzerhand auf dem Hoteldach erledigt, dabei mit einer Hand die Notausgangstür offen haltend, während man barfuß auf nassem Kies sich erleichtert und alsdann den Entschluß gefaßt habe, trotz aller Scham jetzt zum Nachtportier zu schleichen, um eine Ersatzschlüsselkarte zu erbitten; sich also traumwandlerisch mit dem Aufzug nach unten begeben habe, direkt gegenüber der Rezeption jedoch aus lauter Panik im offenen Aufzug stehen geblieben und zur Beruhigung erst mal wieder nach oben gefahren sei, um schließlich festzustellen, daß es wohl doch keinen anderen Ausweg gebe, und man also kurz nach dieser ersten Erscheinung ein zweites Mal vor dem Nachtportier gestanden sei, der nach knapper Erklärung ohne Probleme eine neue Schlüsselkarte ausgestellt habe. Natürlich ist das auch dann noch kein Anlaß für eine Geschichte, wenn man kopfschwer aufschreckend im Hotelbett erwacht und die Bilder dieses Traums noch sehr real vor Augen hat. Ein Schreibanlaß ergibt sich allerdings zweifellos, wenn man nach langem Duschen und Herumstolpern sowie dem Zusammenklauben von Kleidung, Necessaire, Taschen und allerlei Dingen beim Verlassen des Zimmers zur Kenntnis nehmen muß, daß auf dem kleinen Schreibtisch neben der Schlüsselkarte noch eine Ersatzschlüsselkarte liegt.

Peter P. Neuhaus

Mehr Auswahl

Für mich fehlt bei der automatischen Telefonansage der Arbeitsagentur, die je nach Anliegen zur Eingabe einer bestimmten Ziffer auffordert, eine ganz wesentliche Option: Wenn Sie absolut keinen Bock auf jegliche Form von Arbeit haben, dann drücken Sie: sich.

Thorsten Mausehund

Mit dem Raucherbein

Nicht, daß ich besonders abergläubisch wäre, aber im Fußballstadion pflegen mein Sitznachbar und ich seit Jahren ein spezielles Ritual. Zigaretten immer nur bei Ballbesitz der eigenen Mannschaft anzünden, ansonsten bringt der Glimmstengel Unglück. Neulich dann aber der Fehler, schon beim ersten Zug bemerke ich meinen Fauxpas. Na ja, wird ja wohl nicht gerade jetzt schiefgehen, denke ich noch, schon bekommen wir den Ausgleich. Meine Entschuldigung auf den strafenden Blick meines Nachbarn folgt spontan: »Sorry, das Tor geht auf meine Kippe.«

Christoph Koblenz

Nervenkitzel im digitalen Zeitalter

Unausgeloggt vom Online-Banking direkt auf Facebook gehen.

Tim Wolff

Das Verbrechen

Mir klaut einer beim Discounter den Pfandbon, als dieser vom Automaten ausgegeben wird. Der Dieb läuft zur Kasse, drängelt sich vor und will ihn einlösen. Ich rufe: »Hilfe, der hat mir den Pfandbon gestohlen!« Die Kassiererin reagiert geistesgegenwärtig und verweigert die Auszahlung. Der Täter flüchtet ohne Beute.

Robert Rescue

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Weiter so, uruguayischer Künstler Pablo Atchugarry!

Eine angeblich von Ihnen geschaffene Bronzeskulptur im englischen Cambridge soll an Prinz Philip erinnern, der dort von 1977 bis 2011 Kanzler der Universität war. Allerdings wird das Kunstwerk, das im Auftrag eines reichen Bauträgers angefertigt wurde, von vielen als verunglückt empfunden und zieht seit nunmehr zehn Jahren Spott auf sich.

Dass Sie mittlerweile die Urheberschaft leugnen, um Ihr Renommee als Künstler zu schützen, ist zwar verständlich, aber aus unserer Sicht völlig unnötig. Wenn sich das Konzept durchsetzt, lästige Promis, die uns über Jahrzehnte viel Zeit, Geld und Nerven gekostet haben, mit langlebigen Schrott-Monumenten zu schmähen, werden Sie sich vor Aufträgen bald kaum noch retten können. Und das Beste: Weil andere Großkopferte sich mit ihren Eskapaden zurückhalten würden, um nicht von Ihnen verewigt zu werden, sorgten Sie auch noch für Ruhe und gesellschaftlichen Frieden.

Hofft, dass dieser Vorschlag einen Stein ins Rollen bringt: Titanic

 Helen Fares, c/o »SWR« (bitte nachsenden)!

Sie waren Moderatorin des Digital-Formats MixTalk und sind es nun nicht mehr, nachdem Sie ein launiges kleines Video veröffentlicht haben, in dem Sie zum Boykott israelischer Produkte aufriefen, mit Hilfe einer eigens dafür programmierten App, die zielsicher anzeigt, wo es in deutschen Supermärkten noch immer verjudet zugeht (Eigenwerbung: »Hier kannst Du sehen, ob das Produkt in Deiner Hand das Töten von Kindern in Palästina unterstützt oder nicht«).

Nach Ihrem Rauswurf verteidigten Sie sich in einem weiteren Video auf Instagram: »Wir sind nicht antisemitisch, weil wir es boykottieren, Produkte von Unternehmen zu kaufen, die Israel unterstützen. Ein Land, das sich vor dem Internationalen Gerichtshof wegen Genozid verantworten muss, weil es Zehntausende von Menschen abgeschlachtet hat.« Da sich aber auch Deutschland vor dem Internationalen Gerichtshof wegen Beihilfe zum Genozid verantworten muss, war Ihre Kündigung beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk ja ohnehin einvernehmlich, oder?

Kann es sich nicht anders vorstellen: Titanic

 Warum, Internet?

Täglich ermöglichst Du Meldungen wie diese: »›Problematisch‹: Autofahrern droht Spritpreis-Hammer – ADAC beobachtet Teuer-Trend« (infranken.de).

Warum greifst Du da nicht ein? Du kennst doch jene Unsichtbar-Hand, die alles zum Kapitalismus-Besten regelt? Du weißt doch selbst davon zu berichten, dass Millionen Auto-Süchtige mit Dauer-Brummbrumm in ihren Monster-Karren Städte und Länder terrorisieren und zum Klima-Garaus beitragen? Und eine Lobby-Organisation für Immer-Mehr-Verbrauch Höher-Preise erst verursacht?

Wo genau ist eigentlich das Verständlich-Problem?

Rätselt Deine alte Skeptisch-Tante Titanic

 Könnte es sein, »ARD-Deutschlandtrend«,

dass Dein Umfrageergebnis »Mehrheit sieht den Frieden in Europa bedroht« damit zusammenhängt, dass seit über zwei Jahren ein Krieg in Europa stattfindet?

Nur so eine Vermutung von Titanic

 Ein Vorschlag, Clemens Tönnies …

Ein Vorschlag, Clemens Tönnies …

Während Ihrer Zeit im Aufsichtsrat bei Schalke 04 sollen Sie in der Halbzeitpause einmal wutentbrannt in die Kabine gestürmt sein und als Kommentar zur miserablen Mannschaftsleistung ein Trikot zerrissen haben. Dabei hätten Sie das Trikot viel eindrücklicher schänden können, als es bloß zu zerfetzen, Tönnies!

Sie hätten es, wie Sie es aus Ihrem Job kennen, pökeln, durch den verschmutzten Fleischwolf drehen und schließlich von unterbezahlten Hilfskräften in minderwertige Kunstdärme pressen lassen können.

Aber hinterher ist man immer schlauer, gell?

Dreht Sie gern durch den Satirewolf: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Dual Use

Seit ich meine In-Ear-Kopfhörer zugleich zum Musikhören und als Wattestäbchen verwende, stört es mich gar nicht mehr, wenn beim Herausnehmen der Ohrstöpsel in der Bahn getrocknete Schmalzbröckelchen rauspurzeln.

Ingo Krämer

 Vom Feeling her

Es hat keinen Sinn, vor seinen Gefühlen wegzulaufen. Man muss sich schon auch mal hinter einem Baum verstecken und warten, dass die das nicht merken und an einem vorbeiziehen, sonst bringt das ja alles nichts.

Loreen Bauer

 Tödliche Pilzgerichte (1/1)

Gefühlte Champignons.

Lukas Haberland

 In Würde altern

Früher hätte mich der riesige Pickel mitten auf meinem Hals stark gestört. Heute trage ich den wohl niedlichsten ausgeprägten Adamsapfel, den die Welt je gesehen hat, mit großem Stolz ein paar Tage vor mir her.

Ronnie Zumbühl

 Back to Metal

Wer billig kauft, kauft dreimal: Gerade ist mir beim zweiten Sparschäler innerhalb von 14 Tagen die bewegliche Klinge aus ihrer Plastikaufhängung gebrochen. Wer Sparschäler aus Kunststoff kauft, spart also am falschen Ende, nämlich am oberen!

Mark-Stefan Tietze

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
05.05.2024 Bonn, Rheinbühne Thomas Gsella
05.05.2024 Magdeburg, Factory Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
06.05.2024 Hannover, Pavillon Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
06.05.2024 Hamburg, Centralkomitee Ella Carina Werner