Vom Fachmann für Kenner | Februar 2012


Gedanken des zynischen Linguisten

Frauen sind wie romanische Sprachen: Kennst du eine, kennst du alle.

Torsten Gaitzsch

Gefährliche Erfindungen

Wenn man sich vorstellt, daß in der Zeit der Erfindung der Drehtür, so um das Jahr 1890 herum, die Menschen noch sehr stark Konventionen verhaftet waren, und die Etikette gebot, einer Frau stets höflich die Tür aufzuhalten, dann fragt man sich, wie viele Männer an den neuen Drehtüren unvermeidlich in eine Endlosschleife geraten sind. Man möchte gar nicht wissen, wie viele dieser Kavaliere dadurch vor bzw. in den Restauranttüren elend verhungert sind. Bei solchen Gedanken kann einem schon schwindlig werden.

Georg Weyers-Rojas

Freundliche Geste

Wenn sich eine Schokoladen- oder Keksschachtel von zwei Seiten aufpulen läßt – ab und zu mal den linken Zeigefinger gewinnen lassen.

Ulf Wentzien

Fürs Protokoll

Eltern, die ihre Kinder vor dem Computer parken, sorgen dafür, daß die Straßen sicher sind, unterstützen die Elektronikindustrie und den Einzelhandel und investieren so in die Zukunft des Standorts Deutschland. Statt über eine Herdprämie sollte die Bundesregierung daher mal über die Einführung einer Nerdprämie nachdenken.

Tibor Rácskai

Fröhliche Hundegeschichten (VII)

Die Rote Armee hatte viele namenlose Helden – umtriebige Komsomolzen, listige Obschtschestwennizen, hübsche Obschtschestwennizinnen. Wo Klio schon die menschlichen Heroen nur en gros, nicht en détail zählt – wieviel weniger mag sie berichten von jenen beschnauzten Draufgängern, deren Heldentaten sich auf Kniehöhe abspielten, deren Waffen Fangzahn und Samtpfote waren. Zu Ihnen zählen wir bestimmt: Explosnik, den Wunderhund! Der stets adrett gestriegelte Owtscharka aus Popowka in der Oblast Omsk war der Liebling der Kompanie. Stets vornedran, wenn’s zum Appell ging, brachte er im Lager so manchen Rotarmisten, den Hitlers Gemeinheit traurig gemacht hatte, mit seinen Späßen wieder zum Lachen. In einem einzigen Galopp apportierte er Malinowski seine Budjonowka, jaulte die Internationale, biß einem Diversanten die Kehle durch und stahl dem Koch ein Ei, um es sofort zu kollektivieren.

So lustig sein Wesen, so bitter sein Schicksal, denn er war Minenhund. Und als es gegen die Faschisten ging, brauchte Malinowski nur in seine silberne Pfeife zu pusten, und Explosnik warf sich, den Tod verbellend, unter den Panzer des Generals von Natter, wo auch sogleich der Knickzünder seines Bombenhalsbands brach. Rumms, war der Panzer fort – und mit ihm Hitlers liebster Samowar, der in ihm aufbewahrt wurde. Ein Feuerwerk leuchtete Explosnik den Weg zum Himmel, und noch im Flug wickelte sich sein Gedärm um den Hals eines weiteren Faschisten, um ihn zu strangulieren. Als sie von seinem Tod erfuhren, weinten die Hündinnen bis weit hinein in die Woiwodschaft Szczecinek-Zachodniopomorskie…

Leo Fischer

Schöne neue Welt

In der Nachbarkabine der Herrentoilette piepst es.
Ich: »Na, auch Twitter?«
Er: »Nee, Diabetes!«

André Herrmann

Mit Vorsätzen brechen

Mein Vorsatz für das neue Jahr war ein recht klassischer: Abnehmen! Aus diesem Grunde habe ich allerlei Ernährungspläne und Trainingstips erwogen. Schon am Neujahrstag habe ich mich ausführlich damit beschäftigt, ob ich mehr Kalorien verbrenne, wenn ich das Kotzen unterdrücke oder es einfach geschehen lasse. Noch bevor ich diesen Fall würdig erörtern konnte, wurde mir die Entscheidung jäh abgenommen. Immerhin: Teppichschrubben verbraucht ca. 240 Kalorien die Stunde.

Aleksandar Jožvaj

Horror vacui

Wer Angst vor dem weißen Papier hat, der benutze einfach Blätter im Format DIN A5 – das halbiert das negative Gefühl. (Auf DIN A9 geschrieben.)

Katharina Greve

Wahlverwandtschaft

Eine hübsche junge Frau mit glatten langen Haaren wird mir als Sandra vorgestellt. Ich: »Du siehst aus wie die Schwester von Anthony Kiedis.« Sandra: »Wer is’n das?« Ich: »Das ist der Sänger der Red Hot Chili Peppers.« Sandra: »Hat der ’ne Schwester?«

Christoph Virchow

Neue Kommunikationsform

Rauchzeichen mit brennenden Brieftauben.

Michael Zirlewagen

Selbstversorger

Die besten Extensions sind die mit Eigenhaar. Einfach vorher abschneiden lassen.

Michael Höfler

Ganz falsch,

ärgert sich die Großmutter, hätten andere Zeugen ein Ereignis geschildert, das sich an der alten Schleuse ereignet habe. Das Auto, um das es gehe, sei, so hätten sie gesagt, von der Uferstraße her gekommen. Sie selbst aber habe gesehen, wie es aus der anderen Richtung gekommen, ohne zu bremsen auf die Schleusenkammer zugefahren, abgekippt und schließlich mit all seinen Insassen versunken sei. Natürlich hätten die Insassen die Türen nicht öffnen können, weil die Schleusenkammer dazu viel zu schmal sei. Sie selbst habe, nachdem das Blubbern aufgehört habe, die Polizei gerufen, vorher aber noch die Kette vor die Zufahrt gehängt, damit nicht noch mehr passiere.

Ludger Fischer

Praktisch

Jedes Mal, wenn meine Frau mich von unterwegs anruft, weil sie irgendwo ein Sonderangebot entdeckt hat und mich bittet, ich solle schnell mal in Keller, Vorratsraum, Kühl- und Gefrierschrank nachsehen, wieviel wir von der betreffenden Ware noch im Haus haben, finde ich es sehr praktisch, das mit einem einzigen Blick auf eine Excel-Datei beantworten zu können. Ich verstehe so gar nicht, was Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger gegen Vorratsdatenspeicherung hat.

Heinrich Rathje

Vorbilder

Mit dem Brautpaar auf dem Weg zum Standesamt kam ich an einer Fußgängerampel zu der Erkenntnis: Scheidung ist so, wie bei Rot über die Ampel zu gehen – nur dann doof, wenn Kinder da sind.

Matthias Warnken

Sprache deines Vertrauens

Ein großes Internetverkaufsportal warnt vor englischsprachigen Mails, hinter denen sich fast immer Betrüger verbergen würden. Ich finde diese Information dankenswert – frage mich allerdings, wie eigentlich der Onlinehandel in Großbritannien funktioniert.

Jonas Haas

Eine Frage des Anstands

Vor dem Bürogebäude, das meinen Arbeitsplatz beherbergt, beschuldigte unser Hausmeister einen leicht heruntergekommenen Herrn, in den Eingangsbereich uriniert zu haben. Dieser bestritt die Tat vehement. Doch die Indizien sprachen gegen ihn: Die Stelle, an der er gestanden habe, sei jetzt naß, beharrte der Hausmeister, außerdem habe er den Beschuldigten an seinem Hosenstall herumnestelnd vorgefunden. Derart in die Ecke gedrängt, stemmte der nun Überführte die Hände in die Hüften und empörte sich: Das könne man aber ja wohl auch freundlicher sagen. Der Mann wußte eben, was sich gehört.

Saskia Wagner

Position 169

Ich fühle mich in der Rolle des unbeteiligten Beobachters in der Regel recht wohl.

Aiko Kempen

Gender Buddies

Nach einem Besuch bei »Best Worscht in Town«, diversen Cocktails in diversen Gastronomien, mehreren Rausschmissen aus ebendiesen und einigen Bieren von verschiedenen Kiosken äußerte meine Freundin nach einem raumerschütternden Rülpsen im Morgengrauen: »Lecker! Schmeckt immer noch nach Currywurst!« Seitdem trägt die Dame an meiner Seite stolz den ihr von allen Anwesenden spontan verliehenen Titel »Mann ehrenhalber«.

Jens Peter Gust

Gutmensch

Diese bigotten Arschlöcher! Millionen von Menschen kaufen bei KIK ein, wo die Klamotten von Kindern in Bangladesch produziert werden, unter schlimmsten Bedingungen. Und alle schauen weg. Und keiner sagt was. Aber wenn ich die Kinder aus Bangladesch holen will, um hier, im schönen Deutschland, Klamotten unter weit unschlimmeren Bedingungen zu produzieren, ist die Aufregung groß. Da vergeht einem die Freude an karitativen Projekten so sehr, daß ich meinen nächsten Kampf gegen Kinderarbeitslosigkeit in thailändischen Bordellen am liebsten abblasen würde.

Björn Högsdal

Architekturkritik

Am sogenannten »Renaissanceportal« des Freiburger Münsters stehe ich neben zwei amerikanischen Paaren. Die Frauen betreten das Münster. Nach einer halben Minute kommen sie wieder heraus, und die eine sagt: »It’s only a church.« Was sie hinter diesen Mauern wohl erwartet haben?

Christof Goddemeier

K!

Das »o« im Namen meines neuen chinesischen Kollegen Ko spricht man nicht aus. Ko kann sich so dumm anstellen, wie er will – die Versuche des Chefs, ihn schreiend zurechtzuweisen, bleiben stets wirkungslos.

Andreas Maier

Modeopfer

Als ich mir jetzt nach ein paar Jahren mal wieder eine neue Jeans kaufen wollte, mußte ich überrascht feststellen, daß es nirgends mehr welche mit »Schlag« gibt, also mit dem schönen ausgestellten Bein, wie man es in den Siebzigern und seit dem Siebziger-Revival in den Neunzigern trug. Und tatsächlich zögere ich noch ein bißchen, ob ich mir ersatzweise die »Hippie-Hose Grün, 100% Polyester, 12,99)« zulegen soll, wie sie gerade bei Galeria Kaufhof angeboten wird, im Karnevalsprospekt.

Mark-Stefan Tietze

Statt Tennisarm

Der häufigste Krankheitsbefund bei Cuttern: eine Szenenschneideentzündung.

Roman Michulitz

Slogans

Im Hof meines Fahrradhändlers sah ich einen leeren, zusammengefalteten Karton an der Wand lehnen. Wahrscheinlich von einem Funbike-Hersteller; die verheißungsvolle Aufschrift lautete nämlich: »Get out of the box, get into your life!« Wäre das nicht – etwas abgewandelt – ein hipper Slogan für ein Unternehmen aus einer ganz anderen Branche: »Get out of your life, get into the box«?

Burkhard Niehues

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Kurze Anmerkung, Benedikt Becker (»Stern«)!

»Wer trägt heute noch gerne Krawatte?« fragten Sie rhetorisch und machten den Rollkragenpullover als neues It-Piece der Liberalen aus, v. a. von Justizminister Marco Buschmann und Finanzminister Christian Lindner, »Was daran liegen mag, dass der Hals auf die Ampelkoalition besonders dick ist. Da hilft so eine Halsbedeckung natürlich, den ganzen Frust zu verbergen.«

Schon. Aber wäre es angesichts des Ärgers der beiden Freien Demokraten über SPD und Grüne nicht passender, wenn sie mal wieder so eine Krawatte hätten?

Ebenso stilistisch versiert wie stets aus der Mode: Titanic

 Eher unglaubwürdig, »dpa«,

erschien uns zunächst Deine Meldung, Volker Wissing habe nach dem tödlichen Busunglück auf der A9 bei Leipzig »den Opfern und Hinterbliebenen sein Beileid ausgesprochen«. Andererseits: Wer könnte die Verstorbenen auf ihrem Weg ins Jenseits noch erreichen, wenn nicht der Bundesverkehrsminister?

Tippt aufs Flugtaxi: Titanic

 Gute Frage, liebe »Süddeutsche«!

»Warum haben wir so viele Dinge und horten ständig weiter? Und wie wird man diese Gier wieder los?« teast Du Dein Magazin an, dasselbe, das einzig und allein als werbefreundliches Vierfarb-Umfeld für teuren Schnickschnack da ist.

Aber löblich, dass Du dieses für Dich ja heißeste aller Eisen anpackst und im Heft empfiehlst: »Man kann dem Kaufimpuls besser widerstehen, wenn man einen Schritt zurücktritt und sich fragt: Wer will, dass ich das haben will?«

Und das weiß niemand besser als Du und die Impulskundschaft von Titanic

 Hallihallo, Michael Maar!

In unserem Märzheft 2010 mahnte ein »Brief an die Leser«: »Spannend ist ein Krimi oder ein Sportwettkampf.« Alles andere sei eben nicht »spannend«, der schlimmen dummen Sprachpraxis zum Trotz.

Der Literatur- ist ja immer auch Sprachkritiker, und 14 Jahre später haben Sie im SZ-Feuilleton eine »Warnung vor dem S-Wort« veröffentlicht und per Gastbeitrag »zur inflationären Verwendung eines Wörtchens« Stellung bezogen: »Nein, liebe Radiosprecher und Moderatorinnen. Es ist nicht S, wenn eine Regisseurin ein Bachmann-Stück mit drei Schauspielerinnen besetzt. Eine Diskussionsrunde über postmoderne Lyrik ist nicht S. Ein neu eingespieltes Oboenkonzert aus dem Barock ist nicht S.«

Super-S wird dagegen Ihr nächster fresher Beitrag im Jahr 2038: Das M-Wort ist ja man auch ganz schön dumm!

Massiv grüßt Sie Titanic

 Prophetisch, »Antenne Thüringen«?

Oder wie sollen wir den Song verstehen, den Du direkt nach der von Dir live übertragenen Diskussion zwischen Mario Voigt und Björn Höcke eingespielt hast? Zwar hat der Thüringer CDU-Fraktionschef Höckes Angebot einer Zusammenarbeit nach der Wahl ausgeschlagen. Aber es wettet ja so manche/r darauf, dass die Union je nach Wahlergebnis doch noch machthungrig einknickt. Du jedenfalls lässt im Anschluss den Musiker Cyril mit seinem Remake des Siebziger-Lieds »Stumblin’ in« zu Wort kommen: »Our love is alive / I’ve fallen for you / Whatever you do / Cause, baby, you’ve shown me so many things that I never knew / Whatever it takes / Baby, I’ll do it for you / Whatever you need / Baby, you got it from me.« Wenn das nicht mal eine Hymne auf eine blau-schwarze Koalition ist!

Hätte sich dann doch eher »Highway to Hell« gewünscht: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 In Würde altern

Früher hätte mich der riesige Pickel mitten auf meinem Hals stark gestört. Heute trage ich den wohl niedlichsten ausgeprägten Adamsapfel, den die Welt je gesehen hat, mit großem Stolz ein paar Tage vor mir her.

Ronnie Zumbühl

 Die wahre Strafe

Verhaftet zu werden und in der Folge einen Telefonanruf tätigen zu müssen.

Fabio Kühnemuth

 Altersspezifisch

Ich gehöre noch zu einer Generation, deren Sätze zu häufig mit »Ich gehöre noch zu einer Generation« anfangen.

Andreas Maier

 Konsequent

Die Welt steckt in der Spermakrise. Anzahl und Qualität der wuseligen Eileiter-Flitzer nehmen rapide ab. Schon in wenigen Jahren könnten Männer ihre Zeugungsfähigkeit vollständig verlieren. Grund hierfür sind die Verkaufsschlager aus den Laboren westlicher Großkonzerne. Diese Produkte machen den Schädling platt, das Plastik weich und das Braterlebnis fettfrei und wundersam. Erfunden wurden diese chemischen Erfolgsverbindungen von – Überraschung – Y-Chromosom-Trägern. Toll, dass sich Männer am Ende doch an der Empfängnisverhütung beteiligen.

Teresa Habild

 Nicht lustig, bloß komisch

Während ich früher schon ein kleines bisschen stolz darauf war, aus einer Nation zu stammen, die mit Loriot und Heinz Erhardt wahre Zen-Meister der Selbstironie hervorgebracht hat, hinterfrage ich meine humoristische Herkunft aufgrund diverser Alltagserfahrungen jetzt immer öfter mit Gedanken wie diesem: Möchte ich den Rest meines Lebens wirklich in einem Land verbringen, in dem man während seiner Mittagspause in ein Café geht, das vor der Tür vollmundig mit »leckerem Hunde-Eis« wirbt, und auf seine Bestellung »Zwei Kugeln Labrador und eine Kugel Schnauzer« statt des fest eingeplanten Lachers ein »RAUS HIER!« entgegengebrüllt bekommt?

Patric Hemgesberg

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
23.05.2024 Bielefeld, Theaterlabor Max Goldt
24.05.2024 Dresden, Buchladen Tante Leuk Thomas Gsella
30.05.2024 Frankfurt, Museum für Komische Kunst »POLO«
30.05.2024 Frankfurt, Museum für Komische Kunst Hans Traxler: »Die Dünen der Dänen«