Vom Fachmann für Kenner | Mai 2008
Lost in Epilation
Vor einer Generation ließen Frauen ihre Haare wachsen, wo sie wuchsen. Inzwischen epilieren sie nicht nur die Beinhaare, sondern häufig wird auch das Schamhaar bis auf einen kleinen Streifen in der Mitte zugeschnitten. »Hitlerbärtchen« nannte das neulich ein Bekannter. Seitdem warte ich in der Sauna darauf, daß eine solcherart Geschorene zu mir spricht: »Von unserer Bewegung geht die Erlösung aus, das fühlen heute schon Millionen.« Ist aber bisher noch nicht passiert.
Christof Goddemeier

Es ist leicht, liebenswerte Menschen zu lieben. Es braucht hingegen ein gerüttelt Maß an geistiger Größe, liebenswerte Menschen zu hassen.
Lieber Leser, liebe Leserin! Dieser Aphorismus ist ein Open-Source-Aphorismus und public domain, er darf folglich auch ohne Einverständnis des Verfassers beliebig kopiert, verbreitet, genutzt und verändert werden. Der Quellcode ist der folgende:
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Unwillkommener Anruf (2)
Anruferin: »Guten Tag, Herr Wolff! Sie wollen doch sicher Geld sparen?«
Ich: »Ich weiß genau, warum du anrufst, Kleine.«
Anruferin: »Äh, ja, ich will Ihnen helfen, Geld zu sparen!«
Ich: »Du mußt hier nicht um den heißen Brei rumreden. Sei wie alle anderen morgen um 14 Uhr beim Shooting, frisch gewaschen und rasiert, und vergiß nicht, einen Einlauf zu machen.«
Anruferin: »Wie…?«
Ich: »Pünktlich sein, sonst verpaßt du was.«
Klick.
Moses Wolff
Damals auf der Onkologie
Dem Arzt sah man bereits am Gesichtsausdruck an, daß er eine schlechte Nachricht überbringt; der Tumor in meinem Kopf habe sich doch als erheblich größer erwiesen als zunächst vermutet. Meine Freundin legte mir tröstend die Hand auf mein Bein. Als der Arzt auf meine besorgte Nachfrage, wie groß man ihn sich denn ungefähr vorzustellen habe, aber antwortete: »Nun ja, so ungefähr hühnerfaustgroß«, schlug sie mir heftig auf den Oberschenkel, während das Lachen nur so aus ihr herausplatzte. Hühnerfaustgroß! Das erzählt sie heute noch mit Tränen in den Augen als erstes, wenn jemand nach meiner Operation fragt.
Richard Havelka
Freier Wille
Wo’s grad Mode dummer Kerle ist, von der sozusagen diktatorischen Dominanz chemischer Hirnvorgänge zu faseln und ergo theoretischen Unmöglichkeit der Bedingung der Möglichkeit freien Willens und Entscheidens, hier der federleichte Gegenbeweis: In exakt zwanzig Sekunden werde ich, Thomas Gsella, das Wort »Abendessen« schreiben, sehen Sie, da steht es, »Abendessen« und nichts anderes. Und, weil’s so schön war, in dreißig Sekunden gleich noch mal… 15… 10… 5… »Galapagos«. Das also dazu!
Heinrich Boll
Abschreckung
Als ich neulich las, daß ein junger Mann im Zoo in einen Löwenkäfig eingebrochen war und gefressen wurde, habe ich mir sofort Gedanken über Präventivmaßnahmen gemacht. Man sollte solche Käfige vielleicht einfach von irgendeinem Tier bewachen lassen, das jeden angreift, der versucht, in den Käfig zu gelangen.
Lukas Lohmer
Medizinischer Erfolg
Nach jahrzehntelanger Forschung konnte nun endlich der Erreger von Depressionen ermittelt werden. Es handelt sich um sogenannte Melancholibakterien.
Volker Surmann
Anteilnahme
Da war ich dann doch bestürzt. Ein Kumpel hatte mir erzählt, daß eine dieser blonden Promifrauen mit Hirnschlag im Krankenhaus liege; er meinte, sich an den Namen Barbara Schöneberger erinnern zu können. Zu Hause gleich Frau Schönebergers Homepage überprüft. Die war aber immer noch quietschfidel. Dann die Stichworte Hirnschlag und Promi gegoogelt. Daß es demnach Gabi Kösters getroffen hatte, konnte meine Enttäuschung kaum lindern. Schade, wirklich schade.
Tobias Sudhoff
Casting
Auch ich habe mich schon einmal casten lassen. Ich kam in diesen hell erleuchteten Raum und mußte mir unangenehme Fragen gefallen lassen. Die Antworten, die ich gab, wurden ignoriert oder mit noch erniedrigenderen Bemerkungen quittiert. Dann mußte ich Atemübungen exerzieren, während der Chef der Jury mir mit seinen langen kalten Fingern an die Hoden faßte und intensiv an ihnen herumknetete. Anschließend forderte er mich auf, meine Vorhaut zurückzuziehen. Wie das so ist in so einer Situation: Man denkt nicht darüber nach, sondern macht, was einem gesagt wird. Und so konnte mir die Jury am Ende das schöne Ergebnis mitteilen: »wehrfähig«.
Nils Heinrich
Es bleibt dabei
Auch wenn es heute allerorten gefällt, die Klassiker als nicht mehr ganz zeitgemäß zu verunglimpfen – wer beispielsweise schon einmal eine längere Wanderung unternommen hat, weiß, wie recht der alte Goethe doch hatte: »Brotzeit ist die schönste Zeit!«
Marcel Vega
Latin Lovers
Als Freund des gepflegten Fremdworteinsatzes hat man es nicht leicht. An Kummer gewöhnt und entsprechend leidensfähig, nehme ich es kommentarlos hin, daß halbgebildete Menschen coram publicum dezidiert tempi und mores beschwören. Als aber kürzlich in einer gepflegten Runde konferenzialen Smalltalks ein – unbenommen – wichtiger Teilnehmer allen Ernstes behauptete, er müsse »stante pene« weg, weil er noch etwas Dringendes zu erledigen habe, war meine Akzeptanzschwelle überschritten.
Daniel Dietzfelbinger
Guter Deal
Vor dem Restaurant stehen Raucher. Eine aufgetakelte Frau mit Anhang beschwert sich lautstark, daß sie nun durch ein Spalier von Rauch ins Lokal muß; es fällt auch das unvermeidliche Wort vom Nichtraucherkrebs. Darauf einer: »Also, ich übernehme gerne die moralische Verantwortung für Ihren Krebs, wenn Sie zusichern, daß Sie ihn auch wirklich bekommen.«
Charly Geisler
Dreh am Typenrad
Ihr Blick hatte etwas Unbarmherziges. Er zwang mich, meine seelische Beschaffenheit zu ergründen und vor allen Leuten zu offenbaren. Ich entschied hastig, mich mit meinen bald vierzig Jahren nicht mehr mit einem »Schlingel« identifizieren zu können. Den »Kraftprotz« auszuschließen fiel mir ebenfalls leicht – leider. Während man um mich herum bereits hüstelte und mit den Füßen scharrte, verwarf ich auch den »Sunnyboy«, der mir bestimmt gut gestanden hätte, und stammelte der Verzweiflung nahe: »Äh, hm, Kartoffelheld.«
War außerdem das billigste in dieser doofen Bäckerei.
Thomas Tonn
Leibesvisitationen
Wer von den aufdringlichen Leibesvisitationen an Flughäfen genervt ist oder unmetallische Kleinwaren an Bord schmuggeln möchte, kann sich eines ganz einfachen Tricks bedienen, der auf dem natürlichen menschlichen Instinkt basiert, Ekel zu vermeiden: einfach vorher einige gebrauchte, vorzugsweise noch feuchte Taschentücher in die Hosentasche stopfen. Wenn die Sicherheitsperson wissen möchte, was sich in der Tasche befindet, langsam eines nach dem anderen herausziehen. Was sich eventuell noch darunter verbirgt, interessiert die Sicherheitsleute dann überhaupt nicht mehr, versprochen.
Michael Höfler
Ortsfremde!
Wenn Ihr Eure Oma im Altersheim in Stuttgart besuchen möchtet und auf der B10 von Esslingen kommt – »Deponie Einöd« ist die falsche Ausfahrt. Es ist erst die nächste.
Anna-Christin Kramer
Sparen
Gestern abend schaute ich mir eine ZDF-Wirtschaftssendung mit interessanten Spartips an und wurde in meinem Fernsehvergnügen dauernd von der Einblendung einer Hotline-Telefonnummer gestört. Kurz überlegte ich, ob ich zum ersten Mal im Leben bei so etwas anrufe und darum bitte, die nervige Einblendung für den Rest der Sendung wegzulassen. Hab’s dann aber mal schnell durchgerechnet – Umschalten kam letztlich billiger.
Mark-Stefan Tietze
Überführt
Mein Lieblingstrick von James Bond ist der mit dem Haar am Schrank – einfach, günstig und genial. Der Superagent hegt den Verdacht, daß die Gegenseite seinen Schrank durchstöbern könnte. Bevor er also sein Hotelzimmer verläßt, reißt er sich ein Haar aus und klebt es mit ein wenig Speichel so über die Schranktür, daß diese nicht unbemerkt zu öffnen ist. Genau diesen Trick habe ich gegenüber meiner Freundin angewandt. Als ich abends kurz mal weg mußte, verstaute ich das ihr zugedachte Geburtstagsgeschenk in der Abstellkammer, klebte ein Haar über die Tür und verbot ihr, die Kammer zu betreten.
Als ich zurückkam, wurde ich eines Vertrauensbruchs gewahr, der mir keine andere Wahl ließ, als die Beziehung zu beenden: Das Haar war tatsächlich weg. Und das, obwohl ich die Tür sogar abgesperrt und den Schlüssel mitgenommen hatte!
Bernhard Löwenberg
Kapiert
Zur Aufwertung der heimischen Akustik habe ich vor einer Weile die Unterhaltungselektronik in meinem Wohnzimmer mit einem AV-Receiver bestückt. Nun, da ich durch wochenlanges Probieren weiß, wie er funktioniert, verstehe ich auch die Betriebsanleitung.
Volker Schwarz
Man muß auch gönnen können
Als ich meinem Sohn die Jacke zuknöpfte, um ihn zum Kindergarten zu bringen, grinste er wie ein glückliches Marzipanschwein. Nach dem Grund seiner Lebensfreude befragt, gab er zu Protokoll, er freue sich »ganz schön« auf den Kindergarten. »Warum denn? Gibt es heute mittag Pfannkuchen?« Er sah mich durchtrieben an: »Heute ist bestimmt wieder Aysegül zum Fesseln da.« So heißt die schätzungsweise siebzehnjährige türkische Praktikantin. »Ich weiß, was du meinst«, sagte ich tonlos.
Frank Schäfer
Hochsensibel
Ein Luftzug wie von einer Aschenflocke eines verbrannten Briefes verursacht, die nach Mitternacht über einen Rasen schwebt; ein Raunen, nicht stärker als das kaum merkliche Schaben zweier Blätter an einem Zweig, der sich in der aufgehenden Sonne erwärmt; ein Geruch wie von einem Schäferhund, der nach dem Fressen eine Stunde neben einem verbeulten Zinkeimer geschlafen hat – ungefähr so empfanden es die Betroffenen, als am 1. Mai das neue Gesetz zur Gleichstellung von Hochsensiblen Personen (HSP) in Kraft trat.
Theobald Fuchs
Zurück aus Thailand
Die aufwühlendste Frage, die sich aus meinen endlosen Diskussionen mit einem buddhistischen Schweigemönch ergeben hat, ist die, ob Existenz eine Illusion ist oder ob wir uns das nur einbilden.
Lukas Mirowski