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"Der is auf da Brennsuppn dohergwschumma!"

Bevor die Schlagzeilen von Corona, Krieg und Sexskandalen in der Berliner Kommunalverwaltung beherrscht wurden, schafften es auch die sogenannten kleinen Themen in die Tagesschau. So zum Beispiel das Beinahe-Zugunglück auf einer Strecke zwischen Bayern und Tirol am 22. Jänner 2020. Hierzu hat nun die BEU (für die wenigen, die sie nicht kennen: die Bundesstelle für Eisenbahnunfalluntersuchung) einen bemerkenswerten Abschlussbericht vorgelegt, der vor allem die Mundart der beiden verantwortlichen Fahrdienstleiter als Ursache für das Malheur ausmacht. TITANIC zeigt erstmals die gesamte Unterhaltung, welche DB-Aficionados so wohl eher in einem Bordbistro auf der Magistrale München-Salzburg erwartet hätten.  

Noch ein Artikel über die Bahn? "Nicht schon wieder", denken Sie zurecht! Doch lesen Sie bitte weiter, denn dies ist kein Spiegel-Artikel à la "Streik – Was Bahnkunden jetzt wissen müssen" (Spoiler: Ihre Bahn fällt aus). Vielmehr protokollieren wir uns an der schmalen Schiene zwischen Dienst nach Vorschrift und fahrlässiger Tötung entlang, an der jede noch so kleine Weichenstellung ein Haltesignal für das Leben dutzender Menschen bedeuten kann. So begab es sich, dass Alois "Zwetschge" Gruber in Reutte (Tirol) und Sepp "Sebastian" Gemeinwieser in Griesen bei Garmisch-Partenkirchen gleichzeitig Dienst als Fahrdienstleiter schoben. Im Folgenden finden Sie das verhängnisvolle Gespräch, welches fast zum Unglück führte. Es hätte sicherlich gleisendes (wegen Gleis, haha) Feuer gegeben!  

Hinweis: Sollten Sie Probleme mit Dialekten haben, empfiehlt es sich, diesen Text mit deutschen Untertiteln zu lesen.  

Gemeinwieser: Wos is denn des heid wieda fia a bärigs Weda! Is s bei Eich ah so sonnig? Und des im Januar. A Wahnsinn.  

Gruber: Na, do in Tirol is s stürmisch. Des nervt, i sehe kaum wos. I hob meine Brilln vagssn! Ach, etz is sie ma wieda eigfoin. Aba sie liagt dahoam.  

Gemeinwieser: Ihr seids doch olle bled do undn, nimm s ma ned übl.  

Gruber: Du hörst Di so deppad an wia a Breiß.  

Gemeinwieser: Wos städ auf da Wiesn und hod oan IQ vo 100?  

Gruber: Koa Ahnung, mir a wurscht. Boid is Feiaomd, des zählt fia mi.  

Gemeinwieser: 100 Breißn!  

Gruber (lachend): Den mua i ma aufschreibn.  

Gemeinwieser: Wos städ auf da Wiesn und hod oan IQ vo 200? 100 Breißn und a boarisches Rindviech.  

Gruber: Boggstoak, wirklich. Foblhoft, oiso echt.  

Gemeinwieser: Wos is woass und hüpft vo Ast zua Ast? A österreichischa Doktoa bei da Zeckenimpfung.  

Gruber: Du Hirni!  

Gemeinwieser: Is auf da Strecken eigentle ois in Ordnung?  

Gruber: Soweid ois in Ordnung, Du Wurschtfredl.  

Gemeinwieser: Oiso, dann schick i etz meina Zuag runta zua Eich. Des is a gmahte Wiesn, narrisch entspannta Job.  

Gruber: I schicke meina houch. Solld scho passn. Schau ma moi, dann seng mas scho!  

Gemeinwieser: Wo städ Europas größte Orgl? In Östareich, 8 Milliona Pfeifa.  

Gruber: Briaftaubn, stinkade! Verbrunzter Scheißheislkaktus!  

Gemeinwieser: Ze fix, ma foid grod ei: Is s bei Garmisch ned eingleisig?  

Gruber: Stimmt ah wieda, des werd brutoi knoin.  

Gemeinwieser: Vuileicht scho zua schbad, dann müssdn mia uns gegenseitig deckn.  

(Fünf Minuten hektische Betriebsamkeit)  

Gruber: Jo mei, des war a gloas Vaseng, konn doch moi passiern. Da Lokführa hod guad reogiad. De Züg schdengan si gegenüba. Da Oasch wui oierdings ned zuaruggsetzn und hod scho den Notfoimanaga informiad. So a Varäta. Loss uns bei WhatsÄpp weiderredn!  

Gemeinwieser: So machn mia des.  

An dieser Stelle endet die Rekonstruktion durch die BEU. Wir gaben uns damit nicht zufrieden. Schon bei der ersten unverbindlichen Nachfrage spielte uns die Frau von Herrn Gemeinwieser, Frau Gemeinwieser, bereitwillig den Chatverlauf ihres Mannes zu, weil der "si in letzta Zeid aufführt wia a Houchgschissana!" So ging die Unterhaltung also im Verborgenen weiter:  

Gruber: I hob den Lokführa gegoogält, a Gsicht wia a eingaute Wiatshaustür.  

Gemeinwieser: Du, wenn i den dreff, so a Packerl Watschn is glei aufgmacht.  

Gruber: I schreib am etz bei Facebook.  

Gemeinwieser: Wos hosd gschriebn?  

Gruber: I zitiere: Du Brunzkachl, du ogsoachte. Du ghörst ja mit der Scheißbürschtn nausghaut!  

Gemeinwieser: Sauba, s gibt nix Bessas wia wos Guads.  

Gruber: Wenn i weng am gfeiert werd, gibts Ärga. So a Gsichtsgrapfa.  

Gemeinwieser: Der is auf da Brennsuppn dohergwschumma! Und wos is sonst bei Dia los?  

Gruber: Am Wochenend hod a Kapelln aufgschbuit in da Wirtschoft beim Lumpi, Klassika da Voiksmusi. Des war pfundig.  

Gemeinwieser: Mia san auf n Brunzenkogl gwandert und konndn bis an den Gardasä schaugn. Des war ois moi unsa Land.  

Gruber: Auf am Brunzenkogl gibts koa Sünd!  

Gemeinwieser: Des is pervas! Mei Oma war dabei. De macht heid übrigns Gnedl und Fleischpflanzerl fia ihrn liabsdn Bubn, oiso mi. Und Pfannkuacha mid Zimt und Zucker. Dampfnudl ois Nochdisch oda Roahnudeln mid Kerschn oda wos woass denn i, Kreizsacklzement, s werd hoid zünftig aufgtischt. Wia war de Froge?  

Gruber: I hob koa Lust mehr, mid Dia zua schreibn.  

Gemeinwieser: Bressiads Da oda wos? Pfiad Di nachad, Du Hirsch!  

Gruber: Hoid Dei Fotzn! Voa Gricht werd i Dia de Sache ohängn.  

Gemeinwieser: *Bloggiergräusch*  

Martin Weidauer    

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Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Hi, Daniel Bayen!

Sie sind sehr jung und waren mit Ihrer Firma für Vintage-Klamotten namens Strike vorübergehend sehr erfolgreich. Die ist jetzt pleite, machte aber zeitweise 2,9 Millionen Euro Umsatz. Der Bedarf war so groß, dass Correctiv-Recherchen zufolge sogar massenhaft Neuware zwischen die Secondhand-Bekleidung gemischt wurde. Auch Sie räumten demnach ein, gefälschte Ware geordert zu haben. Allerdings, so behaupten Sie, nur, um Ihren »Mitarbeitern zu zeigen, wie man gefälschte Ware identifiziert und aussortiert«.

Aber Bayen, Ihre Expertise besteht doch darin, neue Sachen auf alt zu trimmen. Also versuchen Sie bitte nicht, uns solche uralten Tricks zu verkaufen!

Recycelt Witze immer nach allen Regeln der Kunst: Titanic

 Moment, Edin Hasanović!

Sie spielen demnächst einen in Frankfurt tätigen »Tatort«-Kommissar, der mit sogenannten Cold Cases befasst ist, und freuen sich auf die Rolle: »Polizeiliche Ermittlungen in alten, bisher ungeklärten Kriminalfällen, die eine Relevanz für das Jetzt und Heute haben, wieder aufzunehmen, finde ich faszinierend«, sagten Sie laut Pressemeldung des HR. Ihnen ist schon klar, »Kommissar« Hasanović, dass Sie keinerlei Ermittlungen aufzunehmen, sondern bloß Drehbuchsätze aufzusagen haben, und dass das einzige reale Verbrechen in diesem Zusammenhang Ihre »Schauspielerei« sein wird?

An Open-and-shut-case, urteilt Titanic

 Oha, »Siegessäule«!

Als queeres und »Berlins meistgelesenes Stadtmagazin« interviewtest Du anlässlich der Ausstellung »Sex. Jüdische Positionen« im Jüdischen Museum Berlin die Museumsleiterin und die Kuratorin und behelligtest die beiden unter anderem mit dieser Frage: »Linke, queere Aktivist*innen werfen dem Staat Israel vor, eine liberale Haltung gegenüber Homosexualität zu benutzen, um arabische und muslimische Menschen zu dämonisieren. Diese Aktivist*innen würden Ihnen wahrscheinlich Pinkwashing mit der Ausstellung unterstellen.«

Nun ist das Jüdische Museum Berlin weder eine Außenstelle des Staates Israel, noch muss man als Journalist/in irgendwelchen »Aktivist*innen« ihre antisemitischen Klischees, dass letztlich doch alle Jüdinnen und Juden dieser Welt unter einer Decke stecken, im Interview nachbeten. So können wir uns aber schon mal Deine nächsten Interviewfragen ausmalen: »Frau Pastorin Müller, Sie bieten einen Gottesdienst zum Christopher Street Day an. Betreiben Sie damit Pinkwashing für den Vatikanstaat?« oder »Hallo Jungs, ihr engagiert euch in einem schwulen Verein für American Football. Betreibt ihr damit nicht Pinkwashing für Donald Trump?«

Wird diese Artikel allerdings nicht mehr lesen: Titanic

 Wurde aber auch Zeit, Niedersächsische Wach- und Schließgesellschaft!

Mit Freude haben wir die Aufschrift »Mobile Streife« auf einem Deiner Fahrzeuge gesehen und begrüßen sehr, dass endlich mal ein Sicherheitsunternehmen so was anbietet! Deine Mitarbeiter/innen sind also mobil. Sie sind unterwegs, auf Achse, auf – um es einmal ganz deutlich zu sagen – Streife, während alle anderen Streifen faul hinterm Büroschreibtisch oder gar im Homeoffice sitzen.

An wen sollten wir uns bisher wenden, wenn wir beispielsweise einen Einbruch beobachtet haben? Streifenpolizist/innen? Hocken immer nur auf der Wache rum. Streifenhörnchen? Nicht zuständig und außerdem eher in Nordamerika heimisch. Ein Glück also, dass Du jetzt endlich da bist!

Freuen sich schon auf weitere Services wie »Nähende Schneiderei«, »Reparierende Werkstatt« oder »Schleimige Werbeagentur«:

Deine besserwisserischen Streifbandzeitungscracks von Titanic

 Lieber Jörg Metes (5.1.1959–16.6.2024),

Lieber Jörg Metes (5.1.1959–16.6.2024),

Du warst der jüngste TITANIC-Chefredakteur aller Zeiten. Du warst der Einzige, der jemals eine klare Vorstellung davon hatte, wie das ideale Heft aussehen musste, und hast immer sehr darunter gelitten, dass sich Deine Utopie nur unzureichend umsetzen ließ. Aus Mangel an Zeit und an Mitarbeiter/innen, die bereit waren, sich Nächte um die Ohren zu schlagen, nur um die perfekte Titelunterzeile oder das richtige Satzzeichen am Ende des Beitrags auf Seite 34 zu finden.

Legendär der Beginn Deiner satirischen Tätigkeit, als Du Dich keineswegs über einen Abdruck Deiner Einsendung freutest, sondern Robert Gernhardt und Bernd Eilert dafür beschimpftest, dass sie minimale Änderungen an Deinem Text vorgenommen hatten. Das wurde als Bewerbungsschreiben zur Kenntnis genommen, und Du warst eingestellt. Unter Deiner Regentschaft begann die Blütezeit des Fotoromans, Manfred Deix, Walter Moers und Michael Sowa wurden ins Blatt gehievt, und manch einer erinnert sich noch mit Tränen in den Augen daran, wie er mal mit Dir eine Rudi-Carrell-Puppe vor dem iranischen Konsulat verbrannt hat.

Nach TITANIC hast Du viele, die ihr Glück weder fassen konnten noch verdient hatten, mit Spitzenwitzen versorgt und dem ersten deutschen Late-Night-Gastgeber Thomas Gottschalk humortechnisch auf die Sprünge geholfen. Und dass River Café, eine deutsche Talkshow, die live aus New York kam, nur drei Folgen erlebte, lag bestimmt nicht an Deinen Texten. Auf Spiegel online hieltest Du als ratloser Auslandskorrespondent E. Bewarzer Dein Kinn in die Kamera, und gemeinsam mit Tex Rubinowitz hast Du das Genre des Listenbuches vielleicht sogar erfunden, auf jeden Fall aber end- und mustergültig definiert, und zwar unter dem Titel: »Die sexuellen Phantasien der Kohlmeisen«. Und diese eine Geschichte, wo ein Psychiater in ein Möbelhaus geht, um eine neue Couch zu kaufen, und der Verkäufer probeliegen muss, wo stand die noch mal? Ach, in der TITANIC? Sollte eigentlich in jedem Lesebuch zu finden sein!

Uns ist natürlich bewusst, dass Du auch diesen Brief, wie so viele andere, lieber selber geschrieben und redigiert hättest – aber umständehalber mussten wir das diesmal leider selbst übernehmen.

In Liebe, Deine Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Feuchte Träume

Träumen norddeutsche Comedians eigentlich davon, es irgendwann mal auf die ganz große Buhne zu schaffen?

Karl Franz

 Zeitsprung

Dem Premierenpublikum von Stanley Kubricks »2001: Odyssee im Weltraum« wird der Film 1968 ziemlich futuristisch II vorgekommen sein.

Daniel Sibbe

 Verabschiedungsrituale

Wie sich verabschieden in größerer Runde, ohne dass es ewig dauert? Ich halte es so: Anstatt einen unhöflichen »Polnischen« zu machen, klopfe ich auf den Tisch und sage: »Ich klopf mal, ne?«. Weil mir das dann doch etwas unwürdig erscheint, klopfe ich im Anschluss noch mal bei jeder Person einzeln. Dann umarme ich alle noch mal, zumindest die, die ich gut kenne. Den Rest küsse ich vor lauter Verunsicherung auf den Mund, manchmal auch mit Zunge. Nach gut zwanzig Minuten ist der Spuk dann endlich vorbei und ich verpasse meine Bahn.

Leo Riegel

 Lifehack von unbekannt

Ein Mann, der mir im Zug gegenüber saß, griff in seine Tasche und holte einen Apfel heraus. Zu meinem Entsetzen zerriss er ihn mit bloßen Händen sauber in zwei Hälften und aß anschließend beide Hälften auf. Ich war schockiert ob dieser martialischen wie überflüssigen Handlung. Meinen empörten Blick missdeutete der Mann als Interesse und begann, mir die Technik des Apfelzerreißens zu erklären. Ich tat desinteressiert, folgte zu Hause aber seiner Anleitung und zerriss meinen ersten Apfel! Seitdem zerreiße ich fast alles: Kohlrabi, Kokosnüsse, anderer Leute Bluetoothboxen im Park, lästige Straßentauben, schwer zu öffnende Schmuckschatullen. Vielen Dank an den Mann im Zug, dafür, dass er mein Leben von Grund auf verbessert hat.

Clemens Kaltenbrunn

 Liebesgedicht

Du bist das Ästchen,
ich bin der Stamm.
Du bist der Golo,
ich Thomas Mann.
Du bist Borkum,
ich bin Hawaii.
Du bist die Wolke,
ich bin gleich drei.
Du bist das Würmchen,
ich bin das Watt.
Du bist die Klinke,
ich bin die Stadt.
Du bist das Blättchen,
ich jetzt der Ast.
Sei still und freu dich,
dass du mich hast.

Ella Carina Werner

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
03.08.2024 Kassel, Caricatura-Galerie Miriam Wurster: »Schrei mich bitte nicht so an!«
04.08.2024 Frankfurt/M., Museum für Komische Kunst Die Dünen der Dänen – Das Neueste von Hans Traxler
04.08.2024 Frankfurt/M., Museum für Komische Kunst »F. W. Bernstein – Postkarten vom ICH«
09.08.2024 Bremen, Logbuch Miriam Wurster