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Scheuer mautnah
Lange galt er als "Bayerns Bester" (A. Scheuer). "Seine Skandale sind zahlreich" (Spiegel, Zeit, FAZ, SZ u.a.), seine "Errungenschaften ebenfalls" (A. Scheuer). Nun will er sich aus der Politik zurückziehen. Ein letzter Besuch bei "Mister Maut" Dr. Andreas Scheuer.
Die ersten Sonnenstrahlen küssen an diesem Morgen den Rückspiegel seines BMW 325ix Oldtimers. Andreas Scheuer sitzt schon seit ein paar Minuten mit einer Schachtel Moods und einem doppelten Espresso auf seiner üppigen Veranda. Er steckt sich eine zwischen die Lippen, zündet einen Fünfzigeuroschein an und legt die Zigarillo wieder zurück in die Packung. Das gehört zu seiner Morgenroutine, wie er später noch erzählt. Nur, dass er nicht jedes Mal dabei raucht. Wir lachen. Er nicht.
Andreas Scheuer oder auch "Herr Scheuer", wie wir ihn nennen dürfen, wird in den kommenden Tagen seinen Rücktritt aus der Bundespolitik erklären. Zu diesem Anlass hat er uns auf sein Anwesen eingeladen, um uns einen Rückblick auf sein politisches Schaffenswerk zu geben. Und um uns zu zeigen, wie es für ihn weitergehen wird.
Willkommen bei den Scheuers.
Als wir die Villa durch die Wohnungstür betreten, springt ein ausgewachsener kaukasischer Hirtenhund unserem Kameramann in den Nacken und setzt ihn außer Gefecht. "Sie reagiert allergisch auf fremde Menschen, seitdem ich sie nicht mehr aus dem Haus lasse. Meine Frau meint, dass sie zu wenig Auslauf bekäme, aber ich sehe es als alternative Erziehungsmethode, um sie auf unterschiedliche Umgebungen vorzubereiten. Das ist jetzt 6 Jahre her. Der Erfolg gibt mir Recht." Klingt vernünftig. Das wild gewordene Tier rennt noch ein paar Runden hastig im Kreis und wird dann von vier Haushaltskräften in ein kleines Zimmer am Ende des Flures gezerrt.
Im Jahre 2005 bestritt Andreas Scheuer seinen ersten Wahlkampf. Damals noch als Dr. Andreas Scheuer. Die Urkunde des Doktortitels ließ er sich quer über die ganze Küchenwand tapezieren. Sein Architekt war der Meinung, dass sich das überdimensionale Dokument mit der restlichen Inneneinrichtung beißen könnte. "Der befindet sich seit unserem Arrangement allerdings in psychologischer Behandlung. Das war mal wieder eine Bestätigung für mich, auf mein Bauchgefühl zu hören." Der Doktortitel in Philosophie wurde ihm oft madig geredet. Plagiatsvorwürfe und strafrechtliche Ermittlungen wegen Missbrauchs des Doktortitels musste er über sich ergehen lassen. Auf diese haltlosen Vorwürfe reagiert Herr Scheuer immer auf dieselbe souveräne Art und Weise: "Habe den Mut, dich der Kassen deines eigenen Landes zu bedienen." Sein liebstes Zitat von Friedrich Nietzsche, wie er sagt.
Denker, Politiker, Mensch
"Ich habe das Meiste beim Design des Hauses selbst in die Hand genommen", sagt Scheuer, bevor wir durch eine 29 Meter lange Wasserrutsche kopfüber vom Wohnzimmer in sein Büro klettern. Vor seinem Computer steht ein Foto aus seiner Anfangszeit als Generalsekretär der CSU aus dem Jahr 2014. An dieses Jahr erinnert sich Scheuer gern zurück. Damals hieß es von ihm, dass die Armutszuwanderung aus Rumänien und Bulgarien ein großes Problem darstellt. Auf Nachfrage versichert er, dass er das heute überhaupt nicht mehr so sieht, er sei im Alter milde geworden. "Mittlerweile sind es ja eher die afrikanischen Länder, die den Fiskus in die Knie zwingen." Sein größter Coup sollte noch auf sich warten lassen. Erst im Jahre 2018 konnte Scheuer als Verkehrsminister sein Potential auch auf Bundesebene entfalten. Oberste Priorität war das Abwenden eines Tempolimits. "Um meinen Standpunkt zu untermauern, schlug ich dem Regierungskabinett vor, dass man im Bundestag ja mal ein Schulmädchen mit 30 km/h zu Tode fahren könnte. Um zu zeigen, dass es weniger auf die Geschwindigkeit und mehr auf die Fahrkünste ankommt, aber aufgrund bürokratischer Hindernisse hat sich das Vorhaben dann im Sande verlaufen." Ein Jahr später dann der Skandal um die Pkw-Maut. Der Europäische Gerichtshof untersagte das Vorhaben Scheuers. Einen Schaden von 500 Millionen Euro soll sein voreiliges Verhalten verursacht haben. Über die Folgen spricht er heute erstaunlich offen: "Als im Raum stand, dass ich aufgrund der Fehleinschätzung des Richters verklagt werden könnte, musste ich schnell handeln. Ich besorgte mir eine Handfeuerwaffe und ein One-Way-Ticket nach Argentinien, um mich dort vor der Willkür der deutschen Behörden in Sicherheit zu begeben. Hätte man mich daran gehindert, hätte ich aus Notwehr das Feuer eröffnen dürfen. So steht es im Gesetz, glaube ich." Er starrt lange in die Leere und deutet mit einer Hand eine Pistole an, die er in die Ferne abfeuert. Dabei imitiert er Schussgeräusche. Einem Kameramann kommen die Tränen. Vor allem, weil Scheuer schon wieder dabei ist, Geldscheine im geschlossenen Raum zu verbrennen.
Erst der Anfang
Bei dieser turbulenten Karriere fragt man sich natürlich, wie es nun weitergehen soll. Als Scheuer über seinen weiteren Werdegang spricht, leuchten seine Augen. Schnell wird einem bewusst, dass Philosophie und Politik nur einen kleinen Aspekt seiner Vielschichtigkeit ausmachen. Er hat noch viel vor: "Es gibt da diesen kleinen Gemischtwarenladen. Gallerie Kaufhaus oder so. In den werde ich investieren. Ich habe außerdem demnächst einen Termin beim Notar, um mit meinen Handelspartnern Mehmet Göker, René Benko und Maik Mahlow eine GmbH zu gründen und neue Geschäftszweige zu erschließen. Das hat irgendwas mit Schneebällen zu tun, meinten die zu mir. Natürlich ist jetzt auch endlich Zeit für Hobbys. Ich habe das Jagen sehr vernachlässigt in den letzten Jahren und möchte so gerne einmal einen wilden Klimaaktivisten in Berlin-Mitte schießen, um ihn mir über den Kamin zu hängen." Scheuer begleitet uns über eine Kletterwand, die an einem künstlichen Teich im Esszimmer vorbeiführt, wieder in den Flur, um uns zu verabschieden. Wer Andreas Scheuer verstehen will, muss hinter die Fassade blicken. Der sympathische Bayer ist mehr als seine rassistischen Äußerungen, seine herausragende Inkompetenz in nahezu allen Lebensbereichen und sein unprofessionelles Verhalten als Person des öffentlichen Lebens. Andreas Scheuer ist eine Art und Weise zu denken, und zu leben.
Leben Sie wohl, Dr. Andreas Scheuer.
Rick Nikolaizig