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"Ich will die erste Despotin der Zeitgeschichte werden!"

Alice Weidel hat als Frontfrau ihrer Partei die Kanzlerkandidatur fest im Blick. Im großen TITANIC-Interview spricht sie in ungewohnt sanften Tönen über ihr geheimes Schattenkabinett, das schwierige Verhältnis zur Männerriege der AfD und verrät exklusiv, was sie Recep Erdoğan bei seinem nächsten Deutschlandbesuch zuflüstern möchte.  

TITANIC: Hallöchen, Frau Weidel. Die Anrede "Frau Bundeskanzlerin" gefiele Ihnen doch sicher auch, oder?  

WEIDEL: Selbstverständlich, was für eine Frage! Bis es so weit ist, sollten Sie aber noch Frau Parteivorsitzende Dr. Weidel zu mir sagen. Wenn ich's recht bedenke, lassen Sie den Titel lieber auch weg. Bis dieses Interview erscheint, haben die in Bayreuth längst gemerkt, dass ich beim Dr.Bibber-Spielen promoviert habe. Und sprechen Sie gefälligst etwas leiser. Wir werden nämlich vom Bundesverfassungsschutz beobachtet.  

TITANIC: Natürlich! Sie hatten angekündigt, sich hier bei uns mal von Ihrer entspannten und staatstragenden Seite zeigen zu wollen. Tatsächlich wirkt Ihr Gesichtsausdruck so, als hätten Sie gerade irres Kopfweh. Wie kommt’s?  

WEIDEL: Ich bin durch das ständige Kaschieren jedweder Konflikte mit den Männern in meiner Partei seit zwei Jahren auf Kante genäht und stehe deshalb enorm unter Dampf.  Sie glauben gar nicht, wie befreiend jetzt ein "verfassungswidriges Kennzeichen" auf dem Bundestagsflur wirken würde. Sie ein klein wenig fremdenfeindlich zu beleidigen, ginge natürlich auch. Sagen Sie mal, bei Ihrer dunklen Haarfarbe haben Sie doch sicher ausländische Wurzeln, oder?  

TITANIC: Eigentlich nicht, nein.  

WEIDEL: Och, nö. Ich habe heute Morgen noch über niemand mit Migrationshintergrund hergezogen. Das ist ein bisschen so, als wären Sie ohne Kaffee aus dem Haus. Und hätten Ihre Psychopharmaka nicht genommen. Oder doch, aber dafür mit reichlich Alkohol. Ach, was soll's. Machen Sie weiter!  

TITANIC: Bei Umfragewerten von um die 20 Prozent für die AfD im Bund rechnen Sie sich realistische Chancen aus, 2025 ins Kanzleramt einzuziehen. Worauf dürften wir uns denn freuen, wenn es klappt?  

WEIDEL: Das werde ich einem Vertreter der sogenannten freien Presse natürlich nicht erzählen, sonst wissen’s nachher alle und das war's dann mit meinen vierzig plus Prozent. Andererseits spüre ich in letzter Zeit den Drang, politisch Unterlegenen Fragmente meiner geheimen Agenda als Vorab-Lektion um die Ohren zu hauen. Also schön, raus damit: Ich will die erste Despotin der Zeitgeschichte werden (errötet).  

TITANIC: Oha!  

WEIDEL: Ja, sehen Sie, ob Stalin, Mussolini oder Mao Zedong, die einflussreichsten und berüchtigtsten Autokraten der Welt waren allesamt Männer.  

TITANIC: Ist nicht wahr! Sie haben in Ihrer Aufzählung aber Adolf Hitler vergessen.  

WEIDEL: Ich bitte Sie, der war doch kein Autokrat! Der ist demokratisch an die Macht gekommen. Mit richtigen Wählerstimmen, Handschlag vom Chef und allem Pipapo. Aber egal, hier und heute geht es um mich, und ich möchte oppressives Regieren mit elegant weiblicher Note historisch salonfähig machen. Comprende?

TITANIC: Finden Sie nicht, Sie müssten als möglicherweise künftiges Staatsoberhaupt erstmal extrem an Ihrer "Attitüde" arbeiten, von wegen Würde des Amtes und so? Bei Empfängen mit rollenden Augen Macron anzicken oder hämisch grinsen und den Kopf schütteln, während der britische Premierminister neben Ihnen ein Statement abgibt, käme auf internationalem Parkett nicht gut an.  

WEIDEL: Eins nach dem anderen. Erstmal wird in Ruhe die freiheitlich demokratische Grundordnung abgeschafft, und dann sehen wir weiter. Polen wurde schließlich auch nicht an einem Tag überrannt. Außerdem bin ich lernfähig und kann mich durchaus benehmen. Passen Sie mal auf. (Räuspert sich) 'Sie sehen auf den zweiten Blick gar nicht mal so hässlich aus, Sie moderat stinkender Haufen Scheiße.'  

TITANIC: Donnerwetter, das war für Ihre Verhältnisse ja richtig nett.  

WEIDEL: Nicht wahr? Das wollte ich irgendwann zu Erdoğan sagen, wenn er zum Staatsbesuch nach Berlin kommt.  

TITANIC: Da wird er sich sicher freuen. Nächste Frage. Die Ampelregierung haben Sie vor kurzem als Bande aus "Vollidioten" und "Wahnsinnigen" bezeichnet. Wie ist es denn um den Geisteszustand Ihres Schattenkabinetts bestellt?

WEIDEL: Na ja, Chrupalla hatte kürzlich die glorreiche Idee, mit bis zu elf Komma sieben Geburten pro Frau den bundesdeutschen Fachkräftemangel auszugleichen. Da Neugeborene aber erst nach 7-9 Jahren arbeitsmäßig ansatzweise belastbar sind, ist er wohl doch nicht die hellste Flamme auf dem Reichstag. Deswegen würde ich ihn gern irgendwo als "Minister für spezielle Aufgaben" parken und Beatrix von Storch wegen des passenden Nachnamens zur Familienministerin machen. Die restlichen Ministerien möchte ich mangels geeignetem Personal erstmal mit Wutbauern aus den Protestzügen besetzen, bis wir ein paar AfD-Abgeordnete durch die Abendschule gejagt haben. Das kann aber noch ein ganzes Weilchen dauern.  

TITANIC: Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung hat berechnet, dass die Hauptleidtragenden der AfD-Politik Ihre eigene Wählerschaft wäre. Wollen Sie bis zum Wahltag daran noch etwas ändern?  

WEIDEL: Ach was, die haben sich als Steigbügelhalter der AfD ihren Traum, einmal im Leben von sexy Demokratiefeinden verführt zu werden, doch schon verwirklicht. Das ist selbst mit Steuergeschenken und Subventionen nicht zu toppen. Wozu auch? Es ist ja nicht so, als würde irgendwann nochmal frei gewählt werden, wenn wir einmal an der Macht sind. Wir sind doch nicht bescheuert!  

TITANIC: Letzte Frage. An den Feierlichkeiten zum Jahrestag vom Ende des 2. Weltkriegs wollten Sie 2023 nicht teilnehmen, weil Sie sich über eine deutsche Niederlage nicht freuen mochten. Über was freut sich eine Alice Weidel denn normalerweise so?  

WEIDEL: Ehrlich gesagt erfreue ich mich gleich am Ende dieses Interviews. Über einen solch langen Zeitraum unfassbar warmherzig, nahbar und freundlich zu sein, kostet mich eine Menge Kraft. Ich möchte jetzt bitte wieder verletzend werden, jemanden auslachen oder mit hasserfüllter Miene lächerlich machen. Geht das gerade?

TITANIC: Na, klaro.  

WEIDEL: Dann mach ich mich jetzt auf den Heimweg, Sie subversives Arschloch.  

TITANIC: Frau Weidel, vielen Dank für das Gespräch. 

Patric Hemgesberg

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Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Sie wiederum, André Berghegger,

haben als Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes nach dem Einsturz der Dresdner Carolabrücke eine »Investitionsoffensive für die Infrastruktur« gefordert, da viele Brücken in Deutschland marode seien. Diese Sanierung könnten jedoch Städte und Gemeinden »aus eigener Kraft kaum tragen«, ergänzten Sie. Mit anderen Worten: Es braucht eine Art Brückenfinanzierung?

Fragt Ihre Expertin für mehr oder weniger tragende Pointen Titanic

 Priwjet, Roderich Kiesewetter!

Priwjet, Roderich Kiesewetter!

»Die AfD ist nicht besser oder schlechter als das BSW. Beide sind Kinder derselben russischen Mutter«, sagten Sie der FAS.

Da haben wir aber einige Nachfragen: Wer sind denn die Väter? Hitler und Stalin? Oder doch in beiden Fällen Putin? Und wenn BSW und AfD dieselbe Mutter haben: Weshalb ist der Altersunterschied zwischen den beiden so groß? War die Schwangerschaft mit dem BSW etwa eine Risikoschwangerschaft? Und warum sollte es keine Qualitätsunterschiede zwischen den Parteien geben, nur weil sie die gleiche Mutter haben? Vielleicht hat Russland ja sogar ein Lieblingskind? Können Sie da bitte noch mal recherchieren und dann auf uns zurückkommen?

Fragt die Mutter der Satire Titanic

 Adieu, Hvaldimir!

Adieu, Hvaldimir!

Als Belugawal hast Du Dich jahrelang vor der norwegischen Küste herumgetrieben und Dich mit Kameraausrüstung am Leib angeblich als russischer Spion betätigt, was Dir viel mediale Aufmerksamkeit und Deinen Decknamen, Hvaldimir, beschert hat. Jetzt bist Du leider tot in der Risavika-Bucht gefunden worden, und da fragen wir uns, Hvaldimir: Hast Du nicht rechtzeitig die Flossen hochbekommen, oder warst Du einfach nicht geübt in der Kunst des Untertauchens?

Mit einem Gläschen Blubberwasser gedenkt Deiner heute: Titanic

 Wie Ihr Euch als Gäste verhaltet, liebe »Zeit online«-Redaktion,

ist uns wirklich schleierhaft. Immerhin empfehlt Ihr allen guten Besucher/innen, beim Verlassen des Gästezimmers »mehr als eine Unterhose« anzuziehen. Da drängen sich uns einige Fragen auf: Ist Euch im Höschen öfters kalt? Ist das wieder so ein Modetrend, den wir verpasst haben? Gibt es bei Eurem Gastgeber keine Toilette und Ihr müsst vorbeugen?

Und wie trägt man überhaupt mehr als eine Unterhose? Muss man sich Buxen in aufsteigenden Größen kaufen oder reicht ein erhöhter Elastan-Anteil? Wie viele Schlüpferlagen empfiehlt der Knigge?

Denkbar wäre etwa, bei engen Freund/innen zu zwei, bei Geschäftskolleg/innen jedoch zu mindestens fünf Slips zu greifen. Aber wie sieht es aus bei der nahen, aber unliebsamen Verwandtschaft?

Trägt zur Sicherheit immer mindestens drei Stringtangas: Titanic

 Ho ho ho, Venezuelas Präsident Nicolás Maduro!

Ho ho ho, Venezuelas Präsident Nicolás Maduro!

Mitten im Streit um das wohl von Ihnen manipulierte Wahlergebnis bei der Präsidentschaftswahl haben Sie wieder einmal tief in die politische Trickkiste gegriffen: »Es ist September, und es riecht schon nach Weihnachten«, frohlockten Sie in einer Fernsehansprache. »Als Dank an das kämpferische Volk werde ich daher Weihnachten per Dekret auf den 1. Oktober vorziehen.«

Wir haben sogar eine noch bessere Idee, Maduro: Könnten Sie nicht per Dekret Weihnachten von Anfang Oktober bis Ende Dezember stattfinden lassen? Im Gegensatz zum Kanzler in seinem kapitalistischen Schweinesystem können Sie doch sicher bestimmen, dass die planwirtschaftliche Lebkuchen-Vanillekipferl-Produktion schon im Juni anläuft. So können Sie sich nicht nur ein paar Tage, sondern ganze drei Monate Ruhe zum Fest schenken!

Rät Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Reality-TV

Bei der Fernsehserie »Die Nanny« gibt es diese eine Szene, in der die Mutter der Nanny, Sylvia Fine, in einem Pariser Restaurant mit dem Kellner kommunizieren will. Da sie kein Französisch spricht, nutzt sie zum Austausch ausschließlich den Text des französischen Kinderliedes »Frère Jacques«: Mit »Frère Jacques« ruft sie den Kellner, mit »Ding-ding-dong« fordert sie einen neuen Kaffee und so weiter. In der Serie klappte das sehr gut, und als Kind fand ich es auch ausgesprochen lustig, war mir allerdings sicher, dass das in der Realität nie funktionieren würde – bis es mir selbst gelang. Das kam so: Im Fitnessstudio wartete ein junger Mann am Tresen vergeblich auf einen Trainer. Vergeblich, weil er die im Tresen eingelassene Klingel nicht betätigt hatte. Nun hatte ich ihn während des Trainings Französisch sprechen hören, sprach allerdings selbst keines. Da ich aber der Einzige war, der sein vergebliches Warten bemerkte, ging ich schließlich hin, zeigte auf die Klingel und sagte »Sonnez les matines! Sonnez les matines!« Er verstand sofort und klingelte ausgiebig. Kurz darauf erschien der Trainer und ließ ihn hinaus. Da soll noch mal einer sagen, Fernsehen würde im Leben nicht helfen.

Karl Franz

 Alle meine Aversionen

Was ich überhaupt nicht schätze:
»Mädchen, ich erklär dir ...«-Sätze.

Was ich nicht so super finde:
Bluten ohne Monatsbinde.

Was ich gar nicht leiden kann:
Sex mit einem Staatstyrann.

Den Rest, auch Alkoholkonzerne,
mag ich eigentlich ganz gerne.

Ella Carina Werner

 Obacht!

Die Ankündigung von Mautgebühren ist furchterregend, aber so richtig Gänsehaut bekomme ich immer erst, wenn bei Google Maps als »Warnhinweis« auftaucht: »Diese Route verläuft durch Österreich.«

Norbert Behr

 Im Unterzucker

Wenn man sich bei seinem Lieblingsitaliener keine Pizza bestellen kann, weil man nicht alle Vespas auf den Fotos gefunden hat – liegt das dann am nicht bestandenen Turin-Test?

Lara Wagner

 Mitläuferin? Ganz im Gegenteil!

Meine Oma fuhr im Widerstand Motorrad.

Andreas Maria Lugauer

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

  • 26.09.:

    Noch-Grünenchefin Ricarda Lang retweetet "ihren" Onlinecartoon vom 25.09.

  • 18.09.: TITANIC-Zeichnerin Hilke Raddatz ("Briefe an die Leser") ist mit dem Wilhelm-Busch-Preis geehrt worden. Die SZLZ und der NDR berichten.
  • 12.09.:

    "Heute detoxe ich im Manager-Retreat im Taunus": TITANIC-Chefredakteurin Julia Mateus im Interview mit dem Medieninsider.

  • 29.08.:

    Die FR erwähnt den "Björnout"-Startcartoon vom 28.08.

  • 27.08.: Bernd Eilert schreibt in der FAZ über den französischen Maler Marcel Bascoulard.
Titanic unterwegs
04.10.2024 Greiz, Sommerpalais Hauck & Bauer
05.10.2024 Kassel, TiF Max Goldt
05.10.2024 Berlin, Künstlerhof / Buchhändlerkeller Alt Lietzow Christian Y. Schmidt
06.10.2024 Berlin, Schloßparktheater Max Goldt