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Die frechen Freunde aus St. Pauli
Die Hamburger-Schule-Band Blumosternic wird 30! Ein Jubiläums-Interview.
TITANIC: Hallo und Moin, Moin, Fark Distelköw! Sie sind ja jetzt seit 30 Jahren Sänger der Band Blumosternic. Genau 30 Jahre schon – Glückwunsch! Was ja sofort auffällt, wenn ihr zu viert auf der Bühne steht: Blumosternic ist eine reine Männerband. Bemerkenswert. Wie kam es denn dazu?
DISTELKÖW: Ja, das war damals im Golden Pudel Club einfach so eine spontane, irre Idee, eine Konzeptband zu gründen: Nur Männer. Genauer gesagt: Mehrere befreundete, gleichaltrige Männer mit Ambitionen, Abitur und Affinität zu Reinhard Mey, die gerne Mix-Tapes für Miezen aufnehmen, schon mal in Salzuflen waren und offen dafür sind, sich den Pony ins Gesicht wachsen zu lassen. Das war das Konzept.
TITANIC: Spannend!
DISTELKÖW: Danke. Aber damit war der Diskurs ja noch nicht zu Ende. Da drängte sich bereits die nächste diskursive Frage auf, da kam ja noch der ganz dicke Hund: Wie viele Männer genau? Drei Männer? Vier, fünf oder 24 wie im Blankeneser Männerchor? Da muss man gut überlegen. Das Ding ist ja: Bei dreien kann niemand mehr aussteigen. Bei fünfen denkt jeder sofort an "PUR", ekelhaft, und beim Doppelkopfspielen muss immer einer zugucken. Und mit 24 Männern passt man nicht mehr in ein Taxi. Über diese Frage wären wir fast zu Beginn zerbrochen. Aber dann doch nicht. Vier waren schließlich ideal.
TITANIC: Lucky guys! Wobei jetzt sämtliche Leser*innen neugierig sind, sich bereits das Hirn zermartern: Vier Männer - wie kam denn das in der rauen Musikszene der Neunzigerjahre und in der breiten Bevölkerung an? Was sagten die Festival-Booker? Die SPEX? Maxim Biller? Kurz, Sind Sie damit in der Branche nicht volle kolossale Kante angeeckt, wie man in der Hamburger Schule so sagt?
DISTELKÖW: Nein. Das dachten wir erst, aber dann doch nicht. Da waren wir schnell akzeptiert. Sogar sehr schnell. Da gab es so eine große Offenheit. So einen Offenheitsdiskurs. Das ging eigentlich ganz prima. Das liegt vielleicht auch an Hamburg, diesem "Tor zur Welt". Dieser beinahe britischen Metropole. Auf "der Insel" gab es ja damals auch schon einige gute, ambitionierte Bands mit vier Männern. Da war da schon etabliert.
TITANIC: War war denn für euch über all die Jahre am wichtigsten? Was hat die Band in 30 Jahren im Innersten zusammengehalten?
DISTELKÖW (überlegt): Dass wir vier Männer waren. Und natürlich die deutschen Texte, diese magischen German Lyrics mit ihren melodiösen Strukturen. Jambus, Trochäus, Zeilensprung, immer nur her damit. Und die Akkorde. G-Dur, D-Dur, E-Dur ... das floss nur so aus uns heraus!
TITANIC: Chapeau an dieser Stelle noch mal - 30 Jahre zusammen, wow! Jetzt aber doch mal Hand aufs Herz und etwas unbequem gefragt: Ist eine rein männliche Band heute eigentlich noch zeitgemäß? Selbst Berliner Lesebühnen, Frankfurter Satire-Redaktionen und internationale Podcasts-Teams geben sich ja heute gerne mal gemischtgeschlechtlich.
DISTELKÖW (überlegt noch mal): Die Antwort lautet ja. Dieses Männerdiskursdings ist eben Teil unserer DNA. Ja, sollen wir denn irgendwen hinauskomplimentieren? Und, klar, wenn plötzlich Frauen dabei sind, ist das auch irgendwie spannend und mutig, keine Frage, why not! Aber dann gibt es auch irgendwann Babys. Und dann sind wir nicht mehr vier, sondern doch wieder fünf oder 24 und können miteinander nicht mehr Doppelkopf spielen, sondern nur noch Tauziehen oder so. Das wollen wir aber nicht. Das ist nicht Teil unser Konzepts.
TITANIC: Fark Distelköw, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.
Das Interview führte Ella Carina Werner