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Mein Beziehungsstatus, mein Therapieplan, mein Genitalherpes

Sie haben die lästige Angewohnheit, Leuten, die Sie gerade erst kennengelernt haben, ungefragt intime Dinge über sich zu erzählen? Damit Ihr erstes Date nicht zum Fiasko wird, verrät Ihnen TITANIC, wie Sie das Phänomen "Oversharing" am besten in den Griff bekommen.

Bereiten Sie sich vor

Kesseln Sie auf der Busfahrt zum Restaurant einen freundlichen Senior so ein, dass ihm mit seinem Rollator der Ausstieg verwehrt bleibt und erzählen Sie dem hilflosen Greis Ihre Lebensgeschichte bis ins allerkleinste Detail. Sie beginnen Ihre Verabredung dann mit leer gelabertem Tank und können nachfolgend deutlich länger! (… reden, ohne Ihr Gegenüber bereits nach dreißig Sekunden mit der Vielzahl Ihrer Kindheitstraumata zu verstören).

Tauchen Sie nach Möglichkeit nicht in Outfits auf, die Rückschlüsse auf Ihren Beruf und Ihr Privatleben zulassen (Warnweste und Sicherheitshelm, Priester-Soutane, Richterinnen-Robe, Karateanzug etc.) und tragen Sie um Himmels willen keine T-Shirts, die eine persönliche Botschaft transportieren (z.B. "Lachen Sie nicht - Blaseninkontinenz ist ein ernsthaftes Problem!").

Sorgen Sie für einen guten Start

Beginnen Sie Ihr Treffen stets mit einer knappen, aber charmanten Vorstellung und nicht mit den Sätzen "Ich liebe einfach zu sehr" , "Ich bin schon oft verletzt worden", "Ich war eben auf dem Bahnhofsklo und gebe ihnen deswegen lieber nicht die Hand" oder "Ich ernähre mich vegan. Mein Name ist Peter". Wenn der unwiderstehliche Drang zu Quasseln in Ihnen so langsam wieder die Oberhand gewinnt - keine Panik. Es gibt einige technische Kniffe, die Sie nutzen können, um den Schaden in Grenzen zu halten.

Schildern Sie wenige Ihrer persönlichen Probleme (z.B. den Inhalt ihrer letzten Therapiesitzung) möglichst detailreich und in ausschweifender Länge und reduzieren Sie dadurch die Anzahl ihrer peinlichen Geständnisse innerhalb des Zeitrahmens auf ein Minimum. Konsumieren sie durchgängig klebrige Desserts, damit Sie die Zähne nur schwer auseinander bekommen und flüssiges Sprechen Ihnen möglichst viel Mühe bereitet. Wichtig: Lassen Sie beim Durchblättern der Speisekarte am besten weg, von welchen Gerichten Sie wegen Ihres Reizmagens sofort Durchfall bekämen.

Bleiben Sie am Ball

Legen Sie vor Toilettengängen das Handy auf dem Tisch ab, um gar nicht erst in Versuchung zu kommen, körperliche Auffälligkeiten für eine spätere Gegenüberstellung ("Was meinen Sie? Ist das ein Riesen-Pilz, oder was?) zu dokumentieren. Wenn sie Ihrem Gegenüber unbedingt einen Eindruck von der Art ihres monströsen Hautausschlags vermitteln müssen, greifen Sie zum Schutz Ihrer Privatsphäre lieber auf anonymisierte Bilder aus dem Internet zurück.

Wenn Sie die ersten fünfzehn Minuten überstanden haben und sich im Gesicht Ihrer Verabredung weiterhin keine Anzeichen von Irritation, Wut oder Ekel andeuten, haben Sie gute Chancen, es auf die Zielgerade zu schaffen. Vorausgesetzt, Sie halten sich weiterhin an die Spielregeln:

Fragen Sie den Kellner niemals, ob er sie abstoßend findet.

Beschränken Sie sich beim Zeigen von Narben, Warzen oder Überbeinen auf die unmittelbar sichtbaren Bereiche und fangen Sie gar nicht erst damit an, Ärmel und Hosenbeine hochzukrempeln oder gar einzelne Kleidungsstücke abzulegen.

Seien Sie ein guter und rücksichtsvoller Zuhörer. Wenn sie das Bedürfnis in sich aufsteigen fühlen, eine peinliche Schote aus ihrer Vergangenheit zu erzählen, stehen Sie kurz auf, empfehlen sie sich höflich und suchen Sie - im von Ihrem Tisch aus nicht einsehbaren  Teil des Restaurants - nach einem Ersatzgesprächspartner, dem sie jede Einzelheit von der heißen Ménage-à-trois mit ihren beiden Cousinen berichten dürfen.

Tarnen Sie Ihre schockierenden Konfessionen als vermeintliche Fragen an Ihr Date (z.B. "Waren Sie schonmal in einem Swingerclub?" oder "Haben Sie sich innerhalb des letzten Jahres mehrmals die Krätze eingefangen?"). Falls Ihre Erkundigungen mit "Ja" beantwortet werden, haben Sie vielleicht eine(n) Seelenverwandte(n) gefunden. Bei "Nein" lachen Sie bitte minutenlang schallend laut auf und entgegnen am Ende möglichst glaubhaft "Ich doch auch nicht!" (Bleiben Sie eisern: Kein Erröten, keine mehrfache Verneinung, kein verräterisches Entgleisen der Gesichtsmuskeln!!!).

Fast geschafft

Wenn die Sensation gelungen ist und Sie eine nahezu normale Unterhaltung ans Laufen gebracht haben, bevorzugen Sie bei der Konversation allgemeine Themen. Fangen Sie eine Diskussion über Politik aber niemals mit der eigenen Wahlentscheidung oder der Bemerkung an, dass die Regierung für frisch geschiedene Sport-Invaliden mit Profilneurose (Sie!) zu wenig tut. Sollten Sie Mitglied der Jungen Union sein, warten Sie mit der Herausgabe dieser hochsensiblen Information, bis Sie nicht mehr an sich halten können und beinahe platzen. Dann ist der richtige Zeitpunkt gekommen, um sich durch das Schlucken eines extragroßen Steakhappens röchelnd außer Gefecht zu setzen. Bis sich unter den Gästen jemand findet, der den Heimlich-Griff draufhat, liegen sie schon längst im Rettungswagen und können dem Sanitäter hoffentlich mit letzter Kraft ein Intubations-Laryngoskop ans Ohr quatschen.

Und jetzt genießen Sie bitte Ihren Triumph! Beim zweiten Date werden Sie nämlich alles wieder vergeigen.

Patric Hemgesberg

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 It’s us, hi, Kulturwissenschaftler Jörn Glasenapp!

Dass Sie als Verfasser einer Taylor-Swift-Monographie Ihren Gegenstand öffentlich verteidigen, etwa im Deutschlandfunk Nova oder bei Zeit Campus: geschenkt. Allein, die Argumente, derer Sie sich dafür bedienen, scheinen uns sanft fragwürdig: Kritik an Swift sei eine Sache »alter weißer Männer«, im Feuilleton herrsche immer noch König Adorno, weshalb dort Pop und »Kulturindustrie« unentwegt verdammt würden, und überhaupt sei die zelebrierte Verachtung des Massengeschmacks eine ausgesprochen wohlfeile Methode, Distinktion zu erzeugen, usw.

Je nun, Glasenapp: Wir sind in der privilegierten Position, dass es uns erst mal egal sein kann, ob Taylor Swift nun gute Kunst macht oder schlechte. Wir sind da pragmatisch: Manchmal macht das Lästern Spaß, manchmal der Applaus, je nachdem, wer sich gerade darüber ärgert. An Ihnen fällt uns bloß auf, dass Sie selbst so ein peinlicher Distinktionswicht sind! Denn wenn unter alten weißen Männern Swiftkritik tatsächlich Konsens und Massensport ist, dann sind Sie (*1970) wieder nur der eine nervige Quertreiber, der sich abheben will und dazwischenquäkt: Also ich find’s eigentlich ganz gut!

Finden das eigentlich auch ganz gut: Ihre Affirmations-Aficionados von Titanic

 Moin, »Spiegel«!

Bei dem Artikel »Wir gegen uns« wussten wir nach dem Artikelvorspann »Die linksextreme Szene in Deutschland hat einen neuen Gegner: sich selbst« schon, dass da nichts Kluges drinstehen kann. Die Linke sich selbst ein »neuer Gegner«? Da drehen sich aber so einige vor Lachen im Grabe um.

Nicht ganz so geschichtsvergessen: Titanic

 Genau so war es, lieber »Tagesspiegel«!

»Die Trauer um die Mauertoten erinnert uns daran, was es bedeutet, Hoffnung, Mut und letztlich das eigene Leben für ein Leben in Freiheit zu opfern«, mahnst Du am Jahrestag des Mauerbaus. Ja, wer kennt sie nicht, die ganzen Menschen, die die Hoffnung auf ein besseres Leben und den Mut, ihr Leben zu riskieren, längst aufgegeben haben, um dann an der Mauer zu sterben, wiederaufzuerstehen und ein gutes Leben im freien Westen zu führen? Mögen sie und Deine Formulierungsgabe in Frieden ruhen, Tagesspiegel!

Herzliches Beileid schickt Titanic

 Huhu, »Tagespost«, Würzburg!

Du bist die einzige überregionale katholische Wochenzeitung in Deutschland und freust Dich in einem Kommentar, dass die Deutsche Bischofskonferenz die spektakuläre Eröffnungszeremonie der Olympischen Spiele in Paris verurteilt, weil auch sie in dem dort veranstalteten Bacchanal eine Abendmahlparodie gesehen haben will. Du hältst es jedoch für überflüssig, dass die Bischöfe dabei meinen, »zur Rechtfertigung ihrer Kritik auf die religiösen Gefühle anderer Religionen Bezug nehmen zu müssen. Warum nicht einfach die blasphemische Verhöhnung Christi und jenes Abends, in der das Sakrament der Eucharistie eingesetzt wurde, in aller Deutlichkeit und Direktheit verurteilen?« Exakt!

In welcher Form soll dies geschehen, was schlägst Du vor? »Gefragt wäre freilich keine künstliche Empörung, kein moralisches Aufplustern, sondern der authentische Ausdruck der Überzeugung, dass Gott seiner nicht spotten lässt, und die wohl schlimmste Sünde, die ein Mensch begehen kann, die Gotteslästerung ist.«

Waaas, Tagespost? Gotteslästerung schlimmer als Hostiendiebstahl, Kreditkartenbetrug und Völkermord? Und sogar schlimmer als Unzucht, Abtreibung und Selbstbefleckung?

Wenn Du das so siehst, dann kündigt wutschnaubend das Abo: Titanic

 Hello, tagesschau.de!

All Deinen Leser/innen, die von Tim Walz, der für die US-Demokraten als Vizekandidat in den Wahlkampf ziehen soll, bisher noch nicht allzu viel gehört hatten, wusstest Du doch immerhin zu berichten, er sei ein ehemaliger »Lehrer und gilt als einer, der die einfache Sprache der Menschen spricht«. Und nichts für ungut, tagesschau.de, aber dass ein Kandidat im US-Wahlkampf, ein einstiger Lehrer zudem, Englisch spricht, das haben selbst wir uns schon beinahe gedacht.

Deine einfachen Menschen von Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Fachmann fürs Leben

Im Gegensatz zur Schule hat man im Zivildienst viele nützliche Dinge gelernt. Zum Beispiel, dass man die Körper von Menschen, die sich selbst nicht mehr bewegen können, regelmäßig umlagert, damit keine Seite wund wird. Um anhaltenden Druck auf die Haut zu minimieren, wende ich auch heute noch die Pfirsiche in der Obstschale alle paar Stunden.

Friedrich Krautzberger

 SB-Kassen

Zu den Seligen, die an Selbstbedienungskassen den Laden kaltblütig übervorteilen, gehöre ich nicht. Im Gegenteil, obwohl ich penibel alle Artikel scanne und bezahle, passiere ich die Diebstahlsicherungsanlage am Ausgang immer in der angespannten Erwartung, dass sie Alarm schlagen könnte. Neulich im Discounter kam beim Griff zu einer Eierschachtel eine neue Ungewissheit hinzu: Muss ich die Schachtel vor dem Scannen wie eine professionelle Kassierkraft öffnen, um zu kucken, ob beim Eierkauf alles mit rechten Dingen zugeht?

Andreas Maria Lugauer

 Europa aphrodisiakt zurück

Wenn es hierzulande etwas im Überfluss gibt, dann verkalkte Senioren und hölzerne Greise. Warum also nicht etwas Sinnvolles mit ihnen anfangen, sie zu Pulver zerreiben und in China an Tiger gegen Schlaffheit der Genitalien verkaufen?

Theobald Fuchs

 Hä?

Demenz kennt kein Alter.

Moppel Wehnemann

 Verdrehte Welt

Vermehrt las ich in letzter Zeit, bei Männern werde die Kombination aus langen Haaren und Dreitagebart als besonders attraktiv wahrgenommen. Da bin ich kurz davor wohl doch wieder falsch abgebogen. Dafür bin ich jetzt stolzer Träger eines langen Bartes und Dreitagehaars.

Dennis Boysen

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

  • 29.08.:

    Die FR erwähnt den "Björnout"-Startcartoon vom 28.08.

  • 27.08.: Bernd Eilert schreibt in der FAZ über den französischen Maler Marcel Bascoulard.
  • 27.03.:

    Bernd Eilert denkt in der FAZ über Satire gestern und heute nach.

  • 29.01.:

    Ein Nachruf auf Anna Poth von Christian Y. Schmidt im ND.

  • 13.04.:

    HR2 Kultur über eine TITANIC-Lesung mit Katinka Buddenkotte im Club Voltaire.

Titanic unterwegs
10.09.2024 Frankfurt am Main, Club Voltaire »TITANIC-Peak-Preview« mit Stargast Miriam Wurster
13.09.2024 Stade, Schwedenspeicher Ella Carina Werner
14.09.2024 Frankfurt, Museum für Komische Kunst Bernd Pfarr: »Knochenzart«
16.09.2024 Wiedensahl, Wilhelm-Busch-Geburtshaus Hilke Raddatz mit Tillmann Prüfer