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Hip, jung und ziemlich gechillt - Die neue Bundeswehr 2.0

Die deutschen Streitkräfte müssen wegen ihres Mangels an frischem Personal gerade für junge Menschen dringend attraktiver werden. TITANIC stellt Ihnen das Konzept vor, mit dem die Bundeswehr sensible Twens ganz ohne Anbrüllen und Liegestützen zum Dienst an der Waffe locken will.
Neue Unterkünfte
Gleich, nachdem der als Gimmick für erwachsen gewordene Potter-Fans konzipierte "Sprechende Helm" Rekruten ihren passenden Häusern (Heer, Luftwaffe, Marine) zugeteilt hat, kann der Bundeswehr-Nachwuchs einen der kultigen Flaktürme beziehen. Allerdings nur für kurze Zeit. Im Anschluss an den baldigen Abriss der maroden Weltkriegs-Kasernen sollen neue Soldaten-Unterkünfte nämlich nur noch in strategisch günstig gelegenen Partyzentren mit hoher Clubdichte und fußläufig erreichbaren Dönerbuden gebaut werden. In der Interimszeit bietet die Militärpolizei derweil einen kostenlosen Shuttle-Service in weiter entfernte Vergnügungsviertel an. Für Rekruten, die es am Wochenende so richtig krachen lassen wollen, ist die Rückfahrt natürlich auch als Liegendtransport möglich. Wer es im Anschluss an einen mäßig anstrengenden Tag lieber gechillt mag, kann sich aber auch einen Frottee-Pyjama mit Camouflage-Muster anziehen und im geschlechtsgemischten Gruppen-Schlafraum früh das Licht ausmachen.
Neue Arbeitszeiten
Das markerschütternde Gebrüll des Ausbilders um vier Uhr morgens soll schon bald der Vergangenheit angehören, denn ab sofort dürfen junge Rekruten beim Einchecken in die Baracken an der Rezeption ihre Wunsch-Weckzeit angeben. Den zaghaft an die Zimmertür klopfenden Spieß können die Neuankömmlinge mit dem Wurf eines stinkigen Armeestiefels an die Tür bis zu fünfmal auf Snooze schalten, bevor sie sich final aus den Laken schälen und unter die Dusche schlurfen müssen. Zu viel Zeit sollte man sich während der Morgenpflege aber nicht lassen, denn Rührei mit Schinken gibt es in der Kantine wochentags nur bis um elf. Die praktischen "Bitte nicht stören"-Schildchen zum Befestigen an der Türklinke stellen derweil sicher, dass Privates privat bleibt und die Jungsoldaten auf ihren superbequemen Latexmatratzen in Ruhe an ihrer Bong ziehen können.
Neuer Umgangston
Anlässlich ihres 67jährigen Bestehens hat die Bundeswehr eine unabhängige Studie in Auftrag gegeben. Diese belegt, dass zehn von zehn Rekruten sich beim Auseinander- und Zusammenbauen ihres Gewehrs unter Zeitdruck unwohl fühlen, wenn jemand ihnen gleichzeitig in voller Lautstärke Beleidigungen ins Ohr brüllt. Das BW-Planungsamt hat nach Bekanntwerden der überraschenden Ergebnisse angekündigt, jungen Menschen künftig mehr Freiraum zur Selbstentfaltung zuzugestehen. So genügt es z.B. beim Morgenappell völlig, in Unterhosen kurz aus dem Stubenfenster auf den Kasernenhof zu winken und sich danach direkt wieder ins Bett zu legen. Zum Abbau von Autoritäts-Vorbehalten dürfen Ausbilder übrigens schon ab dem ersten Tag von Rekruten geduzt und beim kameradschaftlichen Durch-die-Haare-Wuscheln neckisch in den Schwitzkasten genommen werden.
Neue Zielgruppen
Dass Umweltbewusstsein und eine plötzliche Vorliebe für letale Waffen sich nicht gegenseitig ausschließen müssen, weiß man spätestens, seitdem die Grünen wieder in der Regierungsverantwortung stehen. Deshalb versucht das Heer seit einiger Zeit, neues Personal aus den Reihen junger Naturschützer zu rekrutieren, und lockt Interessierte mit E-Panzern, veganen Alternativen für die Gulaschkanone und biologisch abbaubaren Vollholz-Gefechtshaubitzen in die Kasernen. Einer ersten Schätzung zufolge könnten sich die Reihen der leeren Feldbetten dadurch tatsächlich füllen: Nach der Freigabe abgeschalteter Kohlekraftwerke für den Trainings-Beschuss mit bunkerbrechenden GBU-28-Raketen sieht das Bundesverteidigungsministerium in den Scharen von zerstörungswütigen Klimaklebern jedenfalls "großartiges Potenzial".
Aber auch in anderen Bereichen buhlt das Militär mit attraktiven Angeboten um unschlüssige Schulabgänger. Während die Bundeswehr es mit der Neugründung einer, in der modernen Kriegsführung eigentlich überflüssigen, Kavallerie hauptsächlich auf junge Leserinnen von Pferderomanen ("Hände weg von Mississippi" ; "Bibi und Tina") abgesehen hat, arbeitet das Waldorfschulen-Bewegungs-Ensemble derzeit an einer Choreo für die weltweit erste getanzte Kriegserklärung.
Patric Hemgesberg