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DIESE FRAU will Hamburg vor dem Gendern retten

Sabine Mertens leitet beim Verein Deutsche Sprache die Gruppe Gendersprache, auch eine Petition gegen das Gendern hat sie gestartet. TITANIC besucht die von Union, AfD und anderen durch den Mund atmenden Neonazis geliebte Sprach-Walküre.  

Auf dem Couchtisch in ihrem Büro hat sie eine Indianer- und eine Cowboy-Spielfigur platziert. Und sofort beginnt man zu interpretieren: ein Kommentar zur Debatte über kulturelle Aneignung? Und dann ist da die sechs Meter lange und sich über beide Stockwerke ihres Arbeitszimmers erstreckende Original-Hakenkreuzfahne aus den vierziger Jahren, davor ihr Eichenholz-Sekretär. "Echt antik", wie sie betont. Das ist kapitalismuskritisch gemeint, erläutert Sabine Mertens (65). Mertens ist "Sprecher" der Hamburger Volksinitiative "Schluss mit Gendersprache in Verwaltung und Bildung". Mit ihrem Verein Deutsche Sprache e.V. visiert sie einen Volksentscheid parallel zur Wahl der Bürgerschaft 2025 an, sammelt bereits fleißig Stimmen. Dagegen, dass Hamburger von ihrer eigenen Verwaltung weiter angegendert werden. Bevor die Initiative in den Vor-Straßenwahlkampf ziehen durfte, stand im Februar die Anmeldung in Hamburger Rathaus an. Begleitet wurde der Termin von Journalisten, weshalb wir heute mit Mertens zu einem Ortstermin verabredet sind. Um der Frage auf den Grund zu gehen: Wer zum Deibel ist diese fesche Frau? Pardon: diese geile Alte. 

Wir möchten gerne, dass das Standard-Deutsch in der Verwaltung angewandt wird, sagte sie am Rande des Amtsvorgangs den Kollegen des Hamburger Abendblatt. Genderstern und Co würden verboten gehören. Auch in Schulen und Universitäten. Sie spricht von PR-Maßnahmen der LGBTQ-Bewegung. Das Gendern ist für Mertens Propagandasprache eines radikal-queerfeministischen Weltbilds. Zudem ist es nun mal Tatsache, meint sie noch, dass sich normalerweise Männer und Frauen zum anderen Geschlecht hingezogen fühlen. Mertens: "Wenn wir jetzt alle schwul, lesbisch und trans werden sollen, dann ist die Evolution zu Ende."

Es ärgert sie, dass den Menschen von oben herab eine ideologisierte Sprache aufgezwungen wird, wiederholt (der? die?) Sprecher ihre Argumente an einem verregneten Hamburger Frühlingstag gegenüber TITANIC. Währenddessen zündet sie sich mit einem Streichholz eine Zigarre "Romeo y Julieta" ("echt kubanisch") an, pustet uns den ersten langen Zug keck ins Gesicht. Mertens nennt sich selbst Kunsttherapeut und Autor. Und arbeitet auch in diesen Berufen. In ihrem Institut für Personalentwicklung lässt sie Klienten zum Beispiel Bilder zeichnen, damit die sich auch ohne viele Worte ausdrücken können. Das erfahren wir schon bei einer kleinen Vorab-Recherche. Ihren Verlag "Manager Seminare" aus Bonn verklagte sie 2021. Der hat ihr Buch gegen ihren Willen in Gender-Sprache abgedruckt. Es ist der Beginn eines Kampfes. Ob sie nicht glaubt, dass die Lage der deutschen Arbeiterklasse erst verzweifelt genug werden müsse, damit sie sich erhebt und das bürgerliche System mitsamt Schergen und Ideologien hinwegfegt, wollen wir von Mertens wissen. Doch die blockt die Frage ab. Klar, Verelendungstheorie, ist ja auch irgendwie ein alter Hut. Wir versuchen es mit der Interpretation des Vereins Deutsche Sprache e.V. als Avantgarde des Klassenkampfes gegen die Herrschenden, als wir jäh von einer scheppernden Männerstimme unbekannten Ursprungs unterbrochen werden.

"WOLLT IHR DEN TOTALEN KRIEG???" ertönt es, gefolgt von tosendem Gebrüll. Mertens kramt in ihrer Ledertasche nach ihrem Mobiltelefon. Für einen kurzen Moment scheint es, als sei ihr die Situation ein wenig peinlich. Als würde ein wenig rosa Farbe über ihr ansonsten wasserleichenfahles Gesicht huschen. Sie drückt den Anrufer weg. Witze, Sarkasmus, Zynismus – das hat sie noch nie erklärt, sagt sie. "Und ich fange auf meine alten Tage nicht damit an."  Die Gendersprache ist diskriminierend, integrationsfeindlich, elitär und vorurteilsbeladen, findet Sabine Mertens. Im generischen Maskulinum ist es bedeutungslos, ob jemand ein Mann oder eine Frau ist, normal oder behindert, Deutscher oder kulturfremder, schmarotzender Ausländer, der in unsere Sozialsysteme einwandert. Trotzdem wird die Gendersprache von einer Minderheit der Mehrheit aufs Auge gedrückt – und das, obwohl die sie ganz klar ablehnt! Gendersprache verwischt klares Denken und reduziert Menschen auf ihr Geschlecht, statt sie als Ganzes zu sehen. Die Sprache benachteiligt bildungsferne und sprachbehinderte Menschen. "Und eure Migranten doch auch!" ruft Mertens. Sie verletzt die Würde des Menschen, sie dürfte sich als verfassungswidrig erweisen, beeilt sie sich noch, zu sagen. 

Ein paar Wochen zuvor, an einem eisigen Wintertag, macht ein Stand mit blauer Plane viele Menschen in der Hamburger Innenstadt glücklich. Wenn sie lesen, was auf der Plane steht, rufen sie: "Da mach ich mit, das ist gut!", "Toi, toi, toi!", oder "Sofooort, sofooort!" Auf die Plane ist ein Sackgassen-T und die Forderung "gENDEr" gedruckt. Neben ihrer Unterschrift für Mertens' Volksinitiative lassen die meisten auch wohlwollende Worte da. Zufrieden steht die Aktivistin, schulterlange dunkelgraue Haare, grauer Cardigan, beiger Anorak, cremefarbener Kaschmirschal, hinter den ausgelegten Propagandamaterialien der rebellischen Initiative. Es ist der Tag, an dem wir ihrem vollen Kalender den Ortstermin abringen können. "Titanic (Frankfurter Zeitschrift)" hat sie hinein geschrieben. Wir haben ihr über die Schulter geblickt.  

Nach der Sache im Hamburger Rathaus hat jemand Mertens angezeigt. Die FDP der Hansestadt distanziert sich von ihr. Kurz zuvor hat sie noch ihre Unterstützung kundgetan. Ob Mertens das alles, der Gegenwind, ärgert? "Die Presse lügt", antwortet sie und winkt entnervt ab. Wir haken nach. Doch, ja, das hat sie schon so gesagt, aber man hätte ja auch erst ein mal nachfragen können, wie sie es gemeint hat, verteidigt sie sich. Wie hat sie es denn gemeint? Mertens seufzt. "Also: Wenn der Penis in den Anus eines anderen Mannes eindringt und sich dort der Samen ergießt, dann entstehen dabei keine Kinder. Und wenn das alle machen oder sich den Penis gleich ganz abschneiden, dann ...", antwortet sie gereizt, um nach einem Augenblick unangenehmer Stille anzufügen: "Ist das so schwer zu verstehen?" 

Obrigkeitsstaatlicher Gender-Sprachmurks des Landes Hamburg, deine Tage sind gezählt. Morgen der Kuchen, übermorgen die ganze Bäckerei.

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Mmmmh, Thomas de Maizière,

Mmmmh, Thomas de Maizière,

über den Beschluss der CDU vom Dezember 2018, nicht mit der Linkspartei oder der AfD zusammenzuarbeiten, an dem Sie selbst mitgewirkt hatten, sagten Sie bei Caren Miosga: »Mit einem Abgrenzungsbeschluss gegen zwei Parteien ist keine Gleichsetzung verbunden! Wenn ich Eisbein nicht mag und Kohlroulade nicht mag, dann sind doch nicht Eisbein und Kohlroulade dasselbe!«

Danke für diese Veranschaulichung, de Maizière, ohne die wir die vorausgegangene Aussage sicher nicht verstanden hätten! Aber wenn Sie schon Parteien mit Essen vergleichen, welches der beiden deutschen Traditionsgerichte ist dann die AfD und welches die Linke? Sollte Letztere nicht eher – zumindest in den urbanen Zentren – ein Sellerieschnitzel oder eine »Beyond Kohlroulade«-Kohlroulade sein? Und wenn das die Alternative zu einem deftigen Eisbein ist – was speist man bei Ihnen in der vermeintlichen Mitte dann wohl lieber?

Guten Appo!

Wünscht Titanic

 Ziemlich beunruhigt, Benjamin Jendro,

lässt uns Ihr vielzitiertes Statement zur Verhaftung des ehemaligen RAF-Mitglieds Daniela Klette zurück. Zu dem beeindruckenden Ermittlungserfolg erklärten Sie als Sprecher der Gewerkschaft der Polizei: »Dass sich die Gesuchte in Kreuzberg aufhielt, ist ein weiterer Beleg dafür, dass Berlin nach wie vor eine Hochburg für eine gut vernetzte, bundesweit und global agierende linksextreme Szene ist.«

Auch wir, Jendro, erkennen die Zeichen der Zeit. Spätestens seit die linken Schreihälse zu Hunderttausenden auf die Straße gehen, ist klar: Die bolschewistische Weltrevolution steht im Grunde kurz bevor. Umso wichtiger also, dass Ihre Kolleg/innen dagegenhalten und sich ihrerseits fleißig in Chatgruppen mit Gleichgesinnten vernetzen.

Bei diesem Gedanken schon zuversichtlicher: Titanic

 Kurz hattet Ihr uns, liebe Lobos,

Kurz hattet Ihr uns, liebe Lobos,

als Ihr eine Folge Eures Pärchenpodcasts »Feel the News« mit »Das Geld reicht nicht!« betiteltet. Da fragten wir uns, was Ihr wohl noch haben wollt: mehr Talkshowauftritte? Eine Homestory in der InTouch? Doch dann hörten wir die ersten zwei Minuten und erfuhren, dass es ausnahmsweise nicht um Euch ging. Ganz im Sinne Eures Formats wolltet Ihr erfühlen, wie es ist, Geldsorgen zu haben, und über diese Gefühle dann diskutieren. Im Disclaimer hieß es dann noch, dass Ihr ganz bewusst über ein Thema sprechen wolltet, das Euch nicht selbst betrifft, um dem eine Bühne zu bieten.

Ihr als Besserverdienerpärchen mit Loft in Prenzlauer Berg könnt ja auch viel neutraler und besser beurteilen, ob diese Armutsängste der jammernden Low Performer wirklich angebracht sind. Leider haben wir dann nicht mehr mitbekommen, ob unser Gefühl, Geldnöte zu haben, berechtigt ist, da wir gleichzeitig Regungen der Wohlstandsverwahrlosung und Realitätsflucht wahrnahmen, die wir nur durch das Abschalten Eures Podcasts loswerden konnten.

Beweint deshalb munter weiter den eigenen Kontostand: Titanic

 Anpfiff, Max Eberl!

Sie sind seit Anfang März neuer Sportvorstand des FC Bayern München und treten als solcher in die Fußstapfen heikler Personen wie Matthias Sammer. Bei der Pressekonferenz zu Ihrer Vorstellung bekundeten Sie, dass Sie sich vor allem auf die Vertragsgespräche mit den Spielern freuten, aber auch einfach darauf, »die Jungs kennenzulernen«, »Denn genau das ist Fußball. Fußball ist Kommunikation miteinander, ist ein Stück weit, das hört sich jetzt vielleicht pathetisch an, aber es ist Liebe miteinander! Wir müssen alle was gemeinsam aufbauen, wo wir alle in diesem gleichen Boot sitzen.«

Und dieser schräge Liebesschwur, Herr Eberl, hat uns sogleich ungemein beruhigt und für Sie eingenommen, denn wer derart selbstverständlich heucheln, lügen und die Metaphern verdrehen kann, dass sich die Torpfosten biegen, ist im Vorstand der Bayern genau richtig.

Von Anfang an verliebt für immer: Titanic

 Und übrigens, Weltgeist …

Adam Driver in der Rolle des Enzo Ferrari – das ist mal wieder großes Kino!

Grazie mille von Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Dünnes Eis

Zwei Männer in Funktionsjacken draußen vor den Gemüsestiegen des türkischen Supermarkts. Der eine zeigt auf die Peperoni und kichert: »Hähä, willst du die nicht kaufen?« Der andere, begeistert: »Ja, hähä! Wenn der Esel dich juckt – oder nee, wie heißt noch mal der Spruch?«

Mark-Stefan Tietze

 Neulich

erwartete ich in der Zeit unter dem Titel »Glückwunsch, Braunlage!« eigentlich eine Ode auf den beschaulichen Luftkurort im Oberharz. Die kam aber nicht. Kein Wunder, wenn die Überschrift des Artikels eigentlich »Glückwunsch, Braunalge!« lautet!

Axel Schwacke

 Bilden Sie mal einen Satz mit Distanz

Der Stuntman soll vom Burgfried springen,
im Nahkampf drohen scharfe Klingen.
Da sagt er mutig: Jetzt mal ehrlich –
ich find Distanz viel zu gefährlich!

Patrick Fischer

 Parabel

Gib einem Mann einen Fisch, und du gibst ihm zu essen für einen Tag. Zeig ihm außerdem, wie man die Gräten entfernt, und er wird auch den folgenden Morgen erleben.

Wieland Schwanebeck

 Treffer, versenkt

Neulich Jugendliche in der U-Bahn belauscht, Diskussion und gegenseitiges Überbieten in der Frage, wer von ihnen einen gemeinsamen Kumpel am längsten kennt, Siegerin: etwa 15jähriges Mädchen, Zitat: »Ey, ich kenn den schon, seit ich mir in die Hosen scheiße!«

Julia Mateus

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

  • 27.03.:

    Bernd Eilert denkt in der FAZ über Satire gestern und heute nach.

Titanic unterwegs
28.03.2024 Nürnberg, Tafelhalle Max Goldt
31.03.2024 Göttingen, Rathaus Greser & Lenz: »Evolution? Karikaturen …«
04.04.2024 Bremen, Buchladen Ostertor Miriam Wurster
06.04.2024 Lübeck, Kammerspiele Max Goldt