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Plötzlich Bademeister

Nur noch wenige Wochen bis zur Eröffnung der Freibäder und Fachpersonal wird nach wie vor dringend gesucht. Wo früher eine mehrjährige Ausbildung nötig war, reicht es jetzt, den offiziellen Leitfaden des Bundesverbands deutscher Schwimmmeister überflogen zu haben. TITANIC hat das Ding für Sie heruntergeladen.  

Herzlichen Glückwunsch!  
Sie haben nach dem Beruf des "staatlich geprüften Masseurs und medizinischen Bademeisters" gegoogelt und somit unsere Eignungskriterien vollumfänglich erfüllt. Wenn Sie den nachfolgenden Text mit nützlichen Tipps für Berufseinsteiger gelesen haben, dürfen Sie unangemeldet in einer der über 6000 öffentlichen Bäder im Bundesgebiet auftauchen und werden dort sofort mit einem unbefristeten Vertrag ausgestattet.  Los geht's!      

 

Erste Schritte
Sollten Sie in einem Freibad auf Berliner Stadtgebiet anfangen, verabschieden Sie sich vor Ihrem ersten Arbeitstag bitte möglichst herzlich von Ihrer Familie, regeln Sie im Vorfeld Ihren Nachlass und tragen Sie die vom Bäder-Betrieb zur Verfügung gestellte Erkennungsmarke aus Metall an einer Kette um den Hals. Der medizinische Notfallrucksack, den Sie während der Arbeitszeit mit sich führen, ist nicht etwa für die Versorgung verletzter Badegäste gedacht, sondern dient Ihnen bei Schwimmbad-Ausschreitungen als Lebensversicherung. Prüfen Sie daher bitte vor Dienstbeginn unbedingt, ob der Defibrillator aufgeladen ist, und ersetzen Sie verbrauchte Morphinspritzen nach Möglichkeit sofort.    

Aufsicht 
Versuchen Sie beim Umlaufen des Beckens möglichst selbstbewusst und souverän zu wirken, was bei flipfloppenden Badelatschen und lächerlich aussehender Berufskleidung gerade zu Anfang etwas Übung bedarf. Rufen Sie in regelmäßigen Abständen (gerne auch vollkommen grundlos) "HEY!!" in Richtung Wasserrutsche oder Spaßbecken, nehmen Sie aber unter keinen Umständen Blickkontakt auf, und bleiben Sie niemals stehen. Um cooler zu wirken, können Sie bei der Arbeit eine verspiegelte Sonnenbrille tragen. Diese hat übrigens auch den Vorteil, dass Sie damit prima Ihr bei der Pflichtausübung kassiertes blaues Auge kaschieren können.  

Wasserqualität prüfen  
Teure Laborgerätschaften zur Auswertung von Proben sind aufgrund der schwierigen Haushaltslage von Städten und Gemeinden oft nicht mehr verfügbar. Während stündlicher Geschmacksproben werden Sie aber schnell ein Gefühl für die Belastung des Wassers mit Harn- und Schadstoffen bekommen.  

Desinfektion
Auf großflächige Sterilisation wird heutzutage größtenteils verzichtet, da diese nur das empfindliche Gleichgewicht der Schwimmbadkeime im Bad stören würde. Dass in Ihnen aufgrund der dauerhaften pathologischen Exposition (Fäkalerreger, Chlamydien, Tripper, Pilze & Feigwarzen) ein neues Supervirus mutiert, ist hingegen viel wahrscheinlicher. Deswegen endet Ihr Arbeitstag im Interesse der Weltbevölkerung kurz vor Feierabend in der Dekontaminationsschleuse – ein Eimer mit lauwarmem Wasser und Kernseife am Ausgang (Wird unbürokratisch vom Lohn abgezogen).  

Was tun bei Massenausschreitungen?
Immer, wenn es zu Problemen mit verhaltensauffälligen Banden kommt, die friedliche Badegäste bedrängen, gibt es ein festgelegtes Prozedere. Jedes Freibad besitzt ein Notfall-Entenkostüm, in dem Sie vor Hundertschaften aus hochaggressiven Intensivtätern gackernd herumtanzen können. Mit etwas Glück liegt der Gewaltfokus dann nur noch auf Ihnen. In diesem Fall sollten Sie Ihre Schlappen ins Gebüsch werfen und 1-2 Runden im Vollsprint über die Liegewiese schaffen, bevor Sie sie sich bis zum Eintreffen der Einsatzkräfte in der Panzerglas-Kabine des Wachturms verschanzen. Tipp: Während der mehrstündigen Wartezeit können Sie auf der Homepage der zuständigen Polizeidienststelle den Lehrgang zum Oberwachtmeister abschließen und die Sache als "Lone Ranger" selbst in die Hand nehmen.
Wenn sich die Unruhen auf den Wellnessbereich ausgeweitet haben, stehen Ihnen zur chemisch-ätherischen Bekämpfung des Aufstandes brandneue Produkte aus der Sauna-Aufguss-Forschung zur Verfügung. Mit den Aromen Kamille, Baldrian, Schwefel, Reizgas, Chloroform oder als Ultima Ratio "Putzwasser aus der Herrentoilette" sollten sich schwitzende Krawallmacher schnell und lang anhaltend neutralisieren lassen. Jedoch nicht uneingeschränkt: Bei unsachgemäßer Vermischung der Inhaltsstoffe besteht Explosionsgefahr!  

Vorsicht, Falle!
Die Zeiten, in denen die Profession des Bademeisters als launiger Job galt, bei dem man fürs Nichtstun bezahlt wurde, gehören dank marodierender Krawallhorden der Vergangenheit an. Allerdings bringt das monotone Umkreisen der Becken an ruhigen Tagen 80% aller Berufsanfänger in den ersten sechs Monaten ihrer Beschäftigung an den Rand einer klinischen Depression. Auf lange Sicht können der manische Blick auf die Schwimmbaduhr (18 Uhr Feierabend!) und das konsequente Einatmen von Chlorgasen zu Lethargie, Verwahrlosung, Drogensucht und Obdachlosigkeit führen.  

Bonus-Tipp
Wenn Sie wirklich wollen, dass die Jugend bewundernd zu ihnen aufblickt und man Sie so richtig sexy findet, verbringen sie vor Ihrer Initiation zum Bademeister einige Jahre an der mexikanischen Pazifikküste bei den "Todesspringern von Acapulco". Wenn Sie ein paar tausend Sprünge zwischen tosender Gischt und kantigen Unterwasserfelsen überleben, könnten Sie auf dem Zehner Ihres Freizeitbads tatsächlich zum Helden werden.                                      

Patric Hemgesberg 

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Wie bitte, Extremismusforscher Matthias Quent?

Im Interview mit der Tagesschau vertraten Sie die Meinung, Deutschland habe »viel gelernt im Umgang mit Hanau«. Anlass war der Jahrestag des rassistischen Anschlags dort. Das wüssten wir jetzt aber doch gern genauer: Vertuschung von schrecklichem Polizeiverhalten und institutionellem Rassismus konnte Deutschland doch vorher auch schon ganz gut, oder?

Hat aus Ihren Aussagen leider wenig gelernt: Titanic

 Wieso so eilig, Achim Frenz?

Wieso so eilig, Achim Frenz?

Kaum hast Du das Zepter im Kampf um die Weltherrschaft der Komischen Kunst auf Erden in jüngere Hände gelegt, da schwingst Du Dich nach so kurzer Zeit schon wieder auf, um in den höchsten Sphären für Deine Caricatura zu streiten.

Mögest Du Dir auch im Jenseits Dein beharrliches Herausgeber-Grummeln bewahren, wünscht Dir zum Abschied Deine Titanic

 Vielleicht, Ministerpräsident Markus Söder,

sollten Sie noch einmal gründlich über Ihren Plan nachdenken, eine Magnetschwebebahn in Nürnberg zu bauen.

Sie und wir wissen, dass niemand dieses vermeintliche High-Tech-Wunder zwischen Messe und Krankenhaus braucht. Außer eben Ihre Spezln bei der Baufirma, die das Ding entwickelt und Ihnen schmackhaft gemacht haben, auf dass wieder einmal Millionen an Steuergeld in den privaten Taschen der CSU-Kamarilla verschwinden.

Ihr Argument für das Projekt lautet: »Was in China läuft, kann bei uns nicht verkehrt sein, was die Infrastruktur betrifft.« Aber, Söder, sind Sie sicher, dass Sie wollen, dass es in Deutschland wie in China läuft? Sie wissen schon, dass es dort mal passieren kann, dass Politiker/innen, denen Korruption vorgeworfen wird, plötzlich aus der Öffentlichkeit verschwinden?

Gibt zu bedenken: Titanic

 Ziemlich beunruhigt, Benjamin Jendro,

lässt uns Ihr vielzitiertes Statement zur Verhaftung des ehemaligen RAF-Mitglieds Daniela Klette zurück. Zu dem beeindruckenden Ermittlungserfolg erklärten Sie als Sprecher der Gewerkschaft der Polizei: »Dass sich die Gesuchte in Kreuzberg aufhielt, ist ein weiterer Beleg dafür, dass Berlin nach wie vor eine Hochburg für eine gut vernetzte, bundesweit und global agierende linksextreme Szene ist.«

Auch wir, Jendro, erkennen die Zeichen der Zeit. Spätestens seit die linken Schreihälse zu Hunderttausenden auf die Straße gehen, ist klar: Die bolschewistische Weltrevolution steht im Grunde kurz bevor. Umso wichtiger also, dass Ihre Kolleg/innen dagegenhalten und sich ihrerseits fleißig in Chatgruppen mit Gleichgesinnten vernetzen.

Bei diesem Gedanken schon zuversichtlicher: Titanic

 Aaaaah, Bestsellerautor Maxim Leo!

In Ihrem neuen Roman »Wir werden jung sein« beschäftigen Sie sich mit der These, dass es in nicht allzu ferner Zukunft möglich sein wird, das maximale Lebensalter von Menschen mittels neuer Medikamente auf 120, 150 oder sogar 200 Jahre zu verlängern. Grundlage sind die Erkenntnisse aus der sogenannten Longevity-Forschung, mit denen modernen Frankensteins bereits das Kunststück gelang, das Leben von Versuchsmäusen beträchtlich zu verlängern.

So verlockend der Gedanke auch ist, das Finale der Fußballweltmeisterschaft 2086 bei bester Gesundheit von der heimischen Couch aus zu verfolgen und sich danach im Schaukelstuhl gemütlich das 196. Studioalbum der Rolling Stones anzuhören – wer möchte denn bitte in einer Welt leben, in der das Gerangel zwischen Joe Biden und Donald Trump noch ein ganzes Jahrhundert so weitergeht, der Papst bis zum Jüngsten Gericht durchregiert und Wladimir Putin bei seiner Kolonisierung auf andere Planeten zurückgreifen muss? Eines will man angesichts Ihrer Prognose, dass es bis zum medizinischen Durchbruch »im besten Fall noch 10 und im schlimmsten 50 Jahre dauert«, ganz bestimmt nicht: Ihren dystopischen Horrorschinken lesen!

Brennt dann doch lieber an beiden Enden und erlischt mit Stil: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Man spürt das

Zum ersten Mal in meinem Leben war ich in New York. Was soll ich sagen: Da war sofort dieses Gefühl, als ich zum ersten Mal die 5th Avenue hinunterflanierte! Entweder man spürt das in New York oder man spürt es eben nicht. Bei mir war sie gleich da, die Gewissheit, dass diese Stadt einfach null Charme hat. Da kann ich genauso gut zu Hause in Frankfurt-Höchst bleiben.

Leo Riegel

 Kapitaler Kalauer

Da man mit billigen Wortspielen ja nicht geizen soll, möchte ich hier an ein großes deutsches Geldinstitut erinnern, das exakt von 1830 bis 1848 existierte: die Vormärzbank.

Andreas Maier

 No pain, no gain

Wem platte Motivationssprüche helfen, der soll mit ihnen glücklich werden. »There ain’t no lift to the top« in meinem Fitnessstudio zu lesen, das sich im ersten Stock befindet und trotzdem nur per Fahrstuhl zu erreichen ist, ist aber wirklich zu viel.

Karl Franz

 Nichts aufm Kerbholz

Dass »jemanden Lügen strafen« eine doch sehr antiquierte Redewendung ist, wurde mir spätestens bewusst, als mir die Suchmaschine mitteilte, dass »lügen grundsätzlich nicht strafbar« sei.

Ronnie Zumbühl

 Treffer, versenkt

Neulich Jugendliche in der U-Bahn belauscht, Diskussion und gegenseitiges Überbieten in der Frage, wer von ihnen einen gemeinsamen Kumpel am längsten kennt, Siegerin: etwa 15jähriges Mädchen, Zitat: »Ey, ich kenn den schon, seit ich mir in die Hosen scheiße!«

Julia Mateus

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
24.04.2024 Trier, Tuchfabrik Max Goldt
25.04.2024 Köln, Comedia Max Goldt
27.04.2024 Schwerin, Zenit Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
28.04.2024 Lübeck, Kolosseum Martin Sonneborn mit Sibylle Berg