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Safe Space Frauenparkplatz

Ein Morgen im Protestcamp gegen das Selbstbestimmungsgesetz

Sabine Krieger* hat Angst. Angst, dass mit den Ampel-Plänen eines sogenannten Selbstbestimmungsgesetzes für Transsexuelle alles anders wird in Kriegers Leben. Angst, dass diejenigen wenigen Orte, in denen Krieger sich noch vor Männern sicher fühlt, bald verschwinden. Aber Sabine Krieger, in den 70er Jahren jung und dabei, als die zweite Welle der Frauenbewegung so richtig an Fahrt aufgenommen hat, will sich nicht einschüchtern lassen. Das ist auch der Grund, warum wir die 66-Jährige in einem Parkhaus am Rande der Innenstadt von Mannheim treffen. Genauer: Im Frauenparkbereich des Parkhauses. Denn seit zwei Wochen halten Krieger und ihre Mitstreiterinnen die sechs PKW fassende Parkbucht besetzt.

Zum Frühstück hat eine der Frauen Brötchen beim Bäcker geholt, es gibt Kaffee vom Gaskocher. Krieger und sechs Mitstreiterinnen sitzen auf mitgebrachten Campingstühlen im Kreis. Um sie herum stehen Zelte, festgebunden an mit Sand befüllten Füßen von Sonnenschirmen. Heringe lassen sich ja schwerlich in den Betonboden treiben. Das hat die Frauen nicht davon abgehalten, Deutschlands erstes Frauenparkplatzprotestcamp einzurichten. Durchhalten wollen sie, so lange, bis die Bundesregierung ihre Forderungen erfüllt: Stopp des Selbstbestimmungsgesetzes, Sicherstellung von Frauenschutzräumen wie Toiletten, Umkleidekabinen, Frauensaunen. Und eben von Parkplätzen. "Safe Space Frauenparkplatz" hat jemand mit Sprühkreide aus dem nahen "Idee" auf einen Begrenzungsklotz gesprüht.

Heute früh geht es noch mal um die taktische Ausrichtung des Protests. In der Gruppe herrscht Unmut: Sollte man nicht forscher auftreten, öffentlichkeitswirksamer? Sind die gestellten Forderungen angesichts des Generalangriffs der radikalen Transaktivisten zu zahm? Was tun, so lange die in Berlin regierende Koalition nicht eingeht auf die feministischen Forderungen? Und was ist mit der Sicherheit der Frauen?

Hier, im Mannheimer Parkhaus, gibt es ihn noch: Einen Parkhauswächter. Einen Steinwurf entfernt vom Frauenparkplatz thront er meist in seinem Büro hinter einer großen Fensterscheibe. Gut finden das die Frauen im Camp. So fühlen sie sich ein bisschen sicherer. Aber anderswo im Land gibt es keine solchen Wächter mehr. Wegrationalisiert. "Dabei hat sich die Sicherheitslage für Frauen dramatisch verschlechtert, seit Männer im ganzen Land behaupten, jetzt auch Frauen zu sein!", wirft Krieger empört ein.

Ob sie selber schon mal einem solchen Mann begegnet sei, einem Mann im Kleid? Nein, sagt Krieger. Als alte Frau sei sie nicht mehr so mobil wie früher, komme nicht so viel herum. Sorgen macht sie sich aber um ihre Enkeltöchter Sophie und Johanna. Mit denen geht es ein mal im Monat am Frauentag in die Therme. Eigentlich. Seit vergangenem Sommer verzichtet Krieger. "Man hört von so vielen Vorfällen", meint sie. "Und die Medien schweigen. Die Wahrheit passt eben nicht zur fröhlichen 'Woke-Welt', in der alles schön 'queer' und 'nonbinär' und 'genderfluid' zu sein hat". Wenn Krieger das sagt, hebt sie ihre Hände in die Luft und zeigt die Hasenohren-Geste. Und bald werde alles noch viel schlimmer. Ob sie ihre Informationen nicht auch aus Medien hat? Doch da kommt gerade der Parkplatzwächter zurück. "Offenes Feuer ist hier verboten! Wie oft muss ich es noch sagen, die Damen?" blafft der junge Mann die Protesttruppe an. Schnell wird der Gaskocher abgedreht. "'Tschuldigung!", gibt eine der Frauen als Antwort zurück.

Diskutiert wird jetzt über weitere Schutzmaßnahmen. Könnten verpflichtende DNA-Tests den Mädchensport sicherer machen? Was hat man nicht gekämpft, damals. Damit auch Frauen Fußball spielen dürfen. Und was ist mit sexueller Belästigung, Übergriffen? Eine schlägt vor, Wachpersonal vor den Schultoiletten von Mädchen abzustellen. Ein Blick in die Hose genüge doch, um das Geschlecht herauszufinden. Und wenn die Jungs schon geschlechtsumgewandelt seien?

"Habt ihr gehört? Die Tagesschau hat versucht, das Wort 'Mutter' auszulöschen! Das soll jetzt also auch diskriminierend sein?", wirft die Dritte ein und lacht, als könne sie es gar nicht glauben. "Schrecklich. Aber das ist nur der Anfang! Die Familienministerin will sogar das Wort 'Mutter' aus den Geburtsurkunden streichen. Habe ich gestern bei "Achtung, Reichelt!" gesehen!"

"Wir müssen uns über unsere Aktionsformen Gedanken machen!", meint jetzt eine Frau, die sich als Heike vorstellt. Sie holt ihr Mobiltelefon aus der Tasche, klappt den schweren Ledereinband auf. Alle warten den Vorgang bedächtig ab. Dann setzt sie sich behutsam ihre Lesebrille auf die Nase und beginnt, die richtige Distanz zum Bildschirm auszuloten. Nach einer Weile zeigt sie der Runde ein Video der Britin Kellie-Jay Keen-Minshull. Die Mitfrauen fordern sie auf, das Handy hochkant zu halten. So wird das Bild größer.

Minshull hatte zuletzt mit ihrer internationalen Protesttour unter dem Motto "Let Women Speak" für Aufsehen gesorgt. Sogar am anderen Ende der Welt war sie, in Australien. Eine geplante Kundgebung im benachbarten Neuseeland musste Keen-Minshull dann aber absagen. Wegen der gefährlichen Gegenproteste. Möglicherweise haben die 15 schwarz gekleideten Teilnehmer einer Neonazigruppe, die bei der Demo in Melbourne ein Banner mit der Aufschrift "STOP PAEDO FREAKS" gehalten und den Hitlergruß gezeigt haben, auch etwas dazu beigetragen, dass die Aktion so weite Kreise gezogen hat.

Wie Minshull müsse man es machen, meint Heike. Schlechte Presse gebe es im Kampf um Frauenrechte nicht mehr. Im Video fordert die "TERF" Männer dazu auf, in Zukunft Frauentoiletten zu benutzen und dabei bewaffnet zu sein. Wozu? Um die Frauen im Notfall vor Übergriffen durch Transsexuelle beschützen zu können. Sicher ist sicher, findet auch Heike. Und schlägt der Runde vor, noch heute eine entsprechende Videobotschaft aus dem "Safe Space Frauenparkplatz" auszusenden. Da hält ein Audi A4 mit herunterfahrenden Fensterscheiben. "Verpisst euch hier, ihr ungebumsten Greta-Nutten und Klimakleber-Assis", brüllt der Fahrer und lässt seinen Motor aufheulen. Einige Momente lang herrscht Stille beim Protestratschlag. Bis Krieger wieder ihre Stimme erhebt: "Nur ein Gang zum Standesamt und dieser Kerl dürfte hier bei uns parken. Stellen Sie sich das mal vor!" Wichtig sei, dass sich Fauen jetzt endlich wehrten. Vielleicht ist das Camp ja der Anfang.

*Sabine Krieger heißt eigentlich anders. Um nicht von radikalen Transaktivisten bedroht zu werden, möchte sie nicht, dass ihr echter Name in der Zeitung steht.

Jeja Klein

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Mmmh, Futterparadies Frankfurt a. M.!

Du spielst in einem Feinschmecker-Ranking, das die Dichte der Michelin-Sterne-Restaurants großer Städte verglichen hat, international ganz oben mit: »Laut einer Studie des renommierten Gourmet-Magazins Chef’s Pencil teilen sich in der hessischen Metropole 77 307 Einwohner ein Sterne-Restaurant.«

Aber, mal ehrlich, Frankfurt: Sind das dann überhaupt noch echte Gourmet-Tempel für uns anspruchsvolle Genießer/innen? Wird dort wirklich noch köstlichste Haute Cuisine der allerersten Kajüte serviert?

Uns klingt das nämlich viel eher nach monströsen Werkskantinen mit übelster Massenabfertigung!

Rümpft blasiert die Nase: die Kombüsenbesatzung der Titanic

 Kleiner Tipp, liebe Eltern!

Wenn Eure Kinder mal wieder nicht draußen spielen wollen, zeigt ihnen doch einfach diese Schlagzeile von Spektrum der Wissenschaft: »Immer mehr Lachgas in der Atmosphäre«. Die wird sie sicher aus dem Haus locken.

Gern geschehen!

Eure Titanic

 So ist es, Franz Müntefering!

So ist es, Franz Müntefering!

Sie sind nun auch schon 84 Jahre alt und sagten zum Deutschlandfunk, Ältere wie Sie hätten noch erlebt, wozu übertriebener Nationalismus führe. Nämlich zu Bomben, Toten und Hunger. Ganz anders natürlich als nicht übertriebener Nationalismus! Der führt bekanntlich lediglich zur Einhaltung des Zweiprozentziels, zu geschlossenen Grenzen und Hunger. Ein wichtiger Unterschied!

Findet

Ihre Titanic

 Deine Fans, Taylor Swift,

Deine Fans, Taylor Swift,

sind bekannt dafür, Dir restlos ergeben zu sein. Sie machen alle, die auch nur die leiseste Kritik an Dir äußern, erbarmungslos nieder und nennen sich bedingt originell »Swifties«. So weit ist das alles gelernt und bekannt. Was uns aber besorgt, ist, dass sie nun auch noch geschafft haben, dass eine der deutschen Stationen Deiner Eras-Tour (Gelsenkirchen) ähnlich einfallslos in »Swiftkirchen« umbenannt wird. Mit Unterstützung der dortigen Bürgermeisterin und allem Drum und Dran. Da fragen wir uns schon: Wie soll das weitergehen? Wird bald alles, was Du berührst, nach Dir benannt? Heißen nach Deiner Abreise die Swiffer-Staubtücher »Swiffties«, 50-Euro-Scheine »Sfifties«, Fische »Sfischties«, Schwimmhallen »Swimmties«, Restaurants »Swubway« bzw. »SwiftDonald’s«, die Wildecker Herzbuben »Swildecker Herzbuben«, Albärt »Swiftbärt« und die Modekette Tom Tailor »Swift Tailor«?

Wenn das so ist, dann traut sich auf keinen Fall, etwas dagegen zu sagen:

Deine swanatische Tayltanic

 »Welt«-Feuilletonist Elmar Krekeler!

»Friede eurer gelben Asche, Minions!« überschrieben Sie Ihre Filmkritik zu »Ich – einfach unverbesserlich 4«. Vorspann: »Früher waren sie fröhliche Anarchisten, heute machen sie öde Werbung für VW: Nach beinahe 15 Jahren im Kino sind die quietschgelben Minions auf den Hund gekommen. Ihr neuestes Kino-Abenteuer kommt wie ein Nachruf daher.«

Starkes Meinungsstück, Krekeler! Genau dafür lesen wir die Welt: dass uns jemand mit klaren Worten vor Augen führt, was in unserer Gesellschaft alles schiefläuft.

Dass Macron am Erstarken der Rechten schuld ist, wussten wir dank Ihrer Zeitung ja schon, ebenso, dass eine Vermögenssteuer ein Irrweg ist, dass man Viktor Orbán eine Chance geben soll, dass die Letzte Generation nichts verstanden hat, dass Steuersenkungen für ausländische Fachkräfte Deutschlands Todesstoß sind und dass wir wegen woker Pronomenpflicht bald alle im Gefängnis landen.

Aber Sie, Elmar Krakeeler, haben endlich den letzten totgeschwiegenen Missstand deutlich angesprochen: Die Minions sind nicht mehr frech genug. O tempora. Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Der kästnerlesende Bläser

Es gibt nichts Gutes
außer: Ich tut’ es.

Frank Jakubzik

 Der kästnerlesende Kniebeuger

Es gibt nichts Gutes
Außer man Glutes.

Sebastian Maschuw

 Claims texten, die im Kopf bleiben

Ist »Preissturz bei Treppenliften« wirklich eine gute Catchphrase?

Miriam Wurster

 Krasse Segregation

Wer bestimmten Gruppen zugehört, wird auf dem Wohnungsmarkt strukturell diskriminiert. Viele Alleinstehende suchen händeringend nach einer Drei- oder Vierzimmerwohnung, müssen aber feststellen: Für sie ist dieses Land ein gnadenloser Apartmentstaat, vor allem in den Großstädten!

Mark-Stefan Tietze

 Ein Lächeln

Angesichts der freundlichen Begrüßung meinerseits und des sich daraus ergebenden netten Plausches mit der Nachbarin stellte diese mir die Frage, welches der kürzeste Weg zwischen zwei Menschen sei. Sie beantwortete glücklicherweise ihre Frage gleich darauf selbst, denn meine gottlob nicht geäußerte vage Vermutung (Geschlechtsverkehr?) erwies sich als ebenso falsch wie vulgär.

Tom Breitenfeldt

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
03.08.2024 Kassel, Caricatura-Galerie Miriam Wurster: »Schrei mich bitte nicht so an!«
04.08.2024 Frankfurt/M., Museum für Komische Kunst Die Dünen der Dänen – Das Neueste von Hans Traxler
04.08.2024 Frankfurt/M., Museum für Komische Kunst »F. W. Bernstein – Postkarten vom ICH«
09.08.2024 Bremen, Logbuch Miriam Wurster