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Krankheit kann auch geil sein

17 Milliarden Euro. So groß ist aktuell das Finanzierungsloch, das die Krankenkassen beklagen. Um dieses zu stopfen, forderten Ökonomen bereits, die Eigenleistungen der Patient*innen auf bis zu 2000€ jährlich anzuheben. Außerdem könnten nach dem Willen der Gesundheitswirtschaft selbstverschuldete Wehwehchen wie Skiunfälle, Raucherlungen oder Leberzirrhosen bald grundsätzlich selbst bezahlt werden müssen. Das ist aber kein Grund zur Sorge: TITANIC erklärt in einem beispielhaften Krankheitsverlauf, wie Sie mit nur wenigen Lifehacks und einer positiven Lebenseinstellung künftig Ihrer Krankenkasse etwas Gutes tun und sich lästige Arzttermine und pures Geld sparen.  

 

Symptomanalyse

Ob blutiger Auswurf, stechender Schmerz in der Lendenregion oder ein eingewachsener, eiternder Zehennagel: Mit solchen Kleinigkeiten belästigen Sie nicht Ihre Ärztin (bei der Sie sowieso keinen Termin bekommen), sondern tun, was jeder normale Mensch macht: Die Symptome googlen.  

 

Selbstdiagnose

Nach eingängiger Recherche auf gutefrage.net und netdoktor.de ist die Lage eindeutig: Sie haben Krebs (unheilbar). Oder halt doch einen extrem seltenen Gendefekt (heilbar mit dieser Creme für 49 Euro). Oder irgendwas mit Untenrum (Creme für 69 Euro). Ganz sicher ist sich der Symptom-Checker-Chatbot nicht, fest steht aber, dass es sich um etwas sehr Schlimmes und Ekliges handelt. Für alle Fälle werden Ihnen schon mal Verlinkungen zu einem Seelsorge-Bot, Discount-Särgen aus Spanplatten sowie zu einem Forumsbeitrag der Userin RIP_Birgit_ 22 angezeigt, die über ganz ähnliche Symptome klagte und wenige Tage darauf das Zeitliche segnete.  

 

Bewältigung

Sie verarbeiten die schockierende Gewissheit und beschäftigen Sie sich mit dem, was nun wichtig ist: Ihr Testament diverse Male umschreiben, Ihre Verwandten emotional erpressen und ungeliebte Freundschaften kündigen. Nachdem Sie diese äußerst befriedigenden Tätigkeiten erledigt haben, nehmen Sie sich einen ruhigen Moment und denken noch einmal nach: Ist es wirklich plausibel, dass Sie der eine unter einer Milliarde Menschen sind, der am tödlichen Hobbitfußsyndrom leidet? Haben Sie sich nicht vielleicht doch nur eine Blase gelaufen? Aber jetzt haben Sie schon einem Kuh-Altersheim Ihr Erbe vermacht, dafür Ihre drei Kinder enterbt und der Nachbarin in den Vorgarten uriniert. Es gibt kein Zurück mehr. 

 

Selbstheilung feat. Stefanie Stahl

Sie versuchen einen Platz für eine Psychotherapie zu bekommen, ein weiteres Indiz für Ihren offensichtlichen Wahnsinn. Sie bekommen ein Angebot, bereits 2025 die Sprechstunde einer selbstständigen "Seelenheilerin und Hypnotiseurin" zu besuchen. Diese Therapie ist aber bis dahin selbstredend kostenpflichtig. Darum nehmen Sie Ihr Seelenheil selbst in die Hand und beginnen eine tiefenpsychologische Erkenntnisreise – mit dem Stefanie-Stahl-Persönlichkeitstest.  Nach eingehender Selbstbefragung steht die Diagnose fest: Sie sind Charaktertyp Hypochonder-Faulpelz-Advokat X23². Sie bilden sich ständig vollkommen absurde Symptome ein, nur um Freund*innen und Verwandte zu terrorisieren und Ihrer Krankenkasse auf der Tasche zu liegen. Eine brutale Einsicht, die Sie erst einmal verkraften müssen. Doch es gibt Heilungsaussichten: Für nur knapp 600€ können Sie nämlich beim Stefanie-Stahl-Online-Selbstheilungsseminar lernen, wie Sie sich durch gezielte Atemübungen, positive Affirmationen und rhythmische Sportgymnastik ein neues, besseres Ich manifestieren. Die Mood-Booster-Creme für 79 Euro ist im Preis leider nicht enthalten. 

 

Fazit – Von der Mimose zum Macher

Sie haben sich in nur wenigen Wochen ein vollkommen neues Highperformer-Mindset herbeimeditiert, Ihr inneres Kind hat Heimat gefunden, während ihr reales wegen der Erbschaftsgeschichte jeglichen Kontakt abgebrochen hat und Ihrer Persönlichkeitsentfaltung nicht mehr im Weg steht… Der nässelnde und eiternde Zeh ist zwar immer noch da, er stört Sie dank Ihrer neuen, positiven Lebenseinstellung aber nicht mehr. Im Gegenteil, Sie sehen ihn als Herausforderung Ihr ganzes Potenzial an Selbstheilungskräften auszuschöpfen. Außerdem können Sie Ihre Kolleg*innen im Büro damit beeindrucken, wie Sie es auch mit einer beginnenden Sepsis noch schaffen, in Rekordzeit die Aufgaben der gesamten Woche abzuarbeiten. Dies ist auch nötig, um die Kosten für das Psycho-Seminar wieder reinzuholen. Gegebenenfalls hatten Sie zwar doch eigentlich Krebs und sind nun bald tot, aber dann hätte man Ihnen ja sowieso nicht mehr helfen können. In jedem Falle haben Sie die beruhigende Gewissheit, keine wehleidige Mimose mehr zu sein und vor allem Ihre angeschlagene Krankenkasse nicht unnötig belastet zu haben. Top – weiter so! 

Conor Körber  

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Gute Frage, liebe »Süddeutsche«!

»Warum haben wir so viele Dinge und horten ständig weiter? Und wie wird man diese Gier wieder los?« teast Du Dein Magazin an, dasselbe, das einzig und allein als werbefreundliches Vierfarb-Umfeld für teuren Schnickschnack da ist.

Aber löblich, dass Du dieses für Dich ja heißeste aller Eisen anpackst und im Heft empfiehlst: »Man kann dem Kaufimpuls besser widerstehen, wenn man einen Schritt zurücktritt und sich fragt: Wer will, dass ich das haben will?«

Und das weiß niemand besser als Du und die Impulskundschaft von Titanic

 Ganz schön kontrovers, James Smith,

was Du als Mitglied der britischen Band Yard Act da im Interview mit laut.de vom Stapel gelassen hast. Das zu Werbezwecken geteilte Zitat »Ich feiere nicht jedes Cure-Album« hat uns jedenfalls so aufgewühlt, dass wir gar nicht erst weitergelesen haben.

Wir mögen uns nicht ausmalen, zu was für heftigen Aussagen Du Dich noch hast hinreißen lassen!

Findet, dass Provokation auch ihre Grenzen haben muss: Titanic

 Recht haben Sie, Uli Wickert (81)!

Recht haben Sie, Uli Wickert (81)!

Die Frage, weshalb Joe Biden in seinem hohen Alter noch mal für das Präsidentenamt kandidiert, anstatt sich zur Ruhe zu setzen, kommentieren Sie so: »Warum muss man eigentlich loslassen? Wenn man etwas gerne macht, wenn man für etwas lebt, dann macht man halt weiter, soweit man kann. Ich schreibe meine Bücher, weil es mir Spaß macht und weil ich nicht Golf spielen kann. Und irgendwie muss ich mich ja beschäftigen.«

Daran haben wir, Wickert, natürlich nicht gedacht, dass der sogenannte mächtigste Mann der Welt womöglich einfach keine Lust hat, aufzuhören, auch wenn er vielleicht nicht mehr ganz auf der Höhe ist. Dass ihn das Regieren schlicht bockt und ihm obendrein ein Hobby fehlt. Ja, warum sollte man einem alten Mann diese kleine Freude nehmen wollen!

Greifen Sie hin und wieder doch lieber zum Golfschläger statt zum Mikrofon, rät Titanic

 Ach, Scheuer-Andi,

wie der Spiegel meldet, wird niemand für Sie in den Bundestag nachrücken. Da scheinen die Fußstapfen wohl einfach zu groß zu sein.

Die Besten gehen immer zu früh …

Weiß Titanic

 Bild.de!

»Springer hatte im Januar bundesweit für Entsetzen gesorgt«, zwischentiteltest Du mit einem Mal überraschend selbstreferenziell. Und schriebst weiter: »Nach der Enthüllung des Potsdamer ›Remigrations‹-Treffens von AfD-Politikern und Rechtsextremisten postete Springer: ›Wir werden Ausländer zurückführen. Millionenfach. Das ist kein Geheimnis. Das ist ein Versprechen.‹« Und: »In Jüterbog wetterte Springer jetzt gegen ›dahergelaufene Messermänner‹ und ›Geld für Radwege in Peru‹«.

Dass es in dem Artikel gar nicht um Dich bzw. den hinter Dir stehenden Arschverlag geht, sondern lediglich der Brandenburger AfD-Vorsitzende René Springer zitiert wird, fällt da kaum auf!

Zumindest nicht Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Tödliche Pilzgerichte (1/1)

Gefühlte Champignons.

Lukas Haberland

 Konsequent

Die Welt steckt in der Spermakrise. Anzahl und Qualität der wuseligen Eileiter-Flitzer nehmen rapide ab. Schon in wenigen Jahren könnten Männer ihre Zeugungsfähigkeit vollständig verlieren. Grund hierfür sind die Verkaufsschlager aus den Laboren westlicher Großkonzerne. Diese Produkte machen den Schädling platt, das Plastik weich und das Braterlebnis fettfrei und wundersam. Erfunden wurden diese chemischen Erfolgsverbindungen von – Überraschung – Y-Chromosom-Trägern. Toll, dass sich Männer am Ende doch an der Empfängnisverhütung beteiligen.

Teresa Habild

 Finanz-Blues

Wenn ich bei meiner langjährigen Hausbank anrufe, meldet sich immer und ausnahmslos eine Raiffeisenstimme.

Theobald Fuchs

 Gute Nachricht:

Letzte Woche in der Therapie einen riesigen Durchbruch gehabt. Schlechte Nachricht: Blinddarm.

Laura Brinkmann

 Gebt ihnen einen Lebenszyklus!

Künstliche Pflanzen täuschen mir immer gekonnter Natürlichkeit vor. Was ihnen da aber noch fehlt, ist die Fähigkeit zu verwelken. Mein Vorschlag: Plastikpflanzen in verschiedenen Welkstadien, damit man sich das Naserümpfen der Gäste erspart und weiterhin nur dafür belächelt wird, dass man alle seine Zöglinge sterben lässt.

Michael Höfler

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
29.04.2024 Berlin, Berliner Ensemble Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
30.04.2024 Hamburg, Kampnagel Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
30.04.2024 Hannover, TAK Ella Carina Werner
01.05.2024 Berlin, 1.-Mai-Fest der PARTEI Martin Sonneborn mit Sibylle Berg