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Während die Redakteure der ZEIT beim Gespräch mit dem Kultautor dreist mit altem Käse abgefrühstückt wurden, hat sich Frank Schätzing die hippsten Kommentare und wichtigsten Statements exklusiv für unser Interview aufgehoben. Was Sie schon immer über seinen größten Erfolg ("Der Schwarm"), seinen größten Misserfolg ("Der Schwarm") und seine Karriereaussichten als umjubelter Studiomusiker ("Der Schwarm") wissen wollten, erzählt der "Roland Emmerich der Literaturszene" hier höchstselbst.
Wir sitzen Schätzing im Arbeitszimmer seiner Kölner Südstadtwohnung gegenüber. Perfekt geföhnte Frisur, akkurat getrimmter Bart, porentief rein wirkende Haut und gezupfte Augenbrauen. Wie wir aus sicherer Quelle wissen, überlässt der Mann nichts dem Zufall. Außer vielleicht die Verfilmung seiner Buchvorlagen.
TITANIC: Na, Herr Schätzing, haben Sie den Ärger über die vermurkste Adaption Ihres Welterfolgs schon einigermaßen verarbeiten können?
SCHÄTZING: Bedingt. Angesichts des "Heranrasens" irreversibler ökologischer Kippelemente sind wir nur innerhalb gewisser Rahmenbedingungen handlungsfähig. Es kann also sein, dass mein Lehrstück in Sachen Klimakrisenbewältigung in Form einer halbwegs würgereizlosen Hollywood-Verfilmung mit Uma Thurman in der Hauptrolle zu spät kommt. Das ist ausgesprochen bedauerlich, aber nicht mehr zu ändern. Glauben Sie mir, ich hätte die Welt nur zu gerne gerettet.
TITANIC: Laut Presse handelt es sich bei "Der Schwarm" um die teuerste deutsche TV-Serie aller Zeiten. Bei den vielen schlechten Kritiken nicht gerade "good value for money". Was würden Sie anders machen, wenn Sie noch mal ganz von vorne anfangen könnten?
SCHÄTZING: Uff! Fast alles. Vielleicht hätte man die 40 Millionen Euro Produktionskosten hauptsächlich in ein starkes Zugpferd wie Tom Cruise investieren sollen. Abzüglich seiner Gage wäre wahrscheinlich noch genug Geld für einen Dreh im Greifswalder Bodden und den Cast der Sachsen-Klinik übrig geblieben. Um die finanzielle Belastung möglichst gering zu halten, hätte ich auch mehrere Rollen gratis gespielt, die Filmmusik geschrieben und mich als Stuntman oder Körperdouble zur Verfügung gestellt. Allerdings war der Leiter des Produktionsteams der Meinung, dass es nur einen Frank am Set geben sollte, und der sei nicht ich.
TITANIC: Sie spielen auf Frank Doelger, den Koproduzenten der Kultserie "Game of Thrones" an. War Ihr Umgang miteinander wirklich so furchtbar?
SCHÄTZING: Nun ja. Es ist ja nicht so, als ob er gewollt hätte, dass der Nachtkönig auf einem untoten Delfin durchs Bild reitet, oder so. Ich war bloß der Meinung, dass es nur einen Frank am Set geben sollte, und der sei nicht er.
TITANIC: Verstehe. Ein weiteres Problem der Serie scheinen die, angesichts der Wucht der Ereignisse, dürftigen Spezialeffekte gewesen zu sein. In einer Szene fallen Hunderttausende von blinden Krabben über friedliche Strandbesucher her, und das Ganze wirkt eher wie eine alternative Knabber-Therapie gegen Schuppenflechte. War es dramaturgisch überhaupt nötig, sich tricktechnisch so zum Affen zu machen?
SCHÄTZING: Sehen Sie, im Falle von Schalentieren, deren Artgenossen über Jahrhunderte vom Meeresboden gekidnappt wurden, um sie so lange lebendig in kochendem Wasser zu garen, bis sie quietschten wie die Bootspfeifen, sind solche Auswüchse an Hass und Rachsucht durchaus nachvollziehbar und dem Narrativ des Films sogar zuträglich. Dass die krebsartigen Tierchen wie Klone des jeweils andern aussehen und sich völlig synchron im Stechschritt fortbewegen, erweist der Glaubwürdigkeit der Serie natürlich einen Bärendienst. Da hätten Sie ja gleich zur Choreo von Michael Jacksons "Thriller" tanzen können.
TITANIC: Ärgern Sie sich, dass "Der Schwarm" nicht in den USA produziert wurde? Dort hätte die Serie gleich in mehreren Kategorien Preise abräumen können.
SCHÄTZING: Wenn Sie die "Goldene Himbeere" meinen, wovon ich jetzt mal ausgehe - ich bin 2021 für meine Verdienste um Literatur und Wissensvermittlung völlig grundlos mit dem "Ehrenpreis des bayerischen Ministerpräsidenten" bestraft worden. Mein Bedarf an Schmähauszeichnungen ist also fürs Erste gedeckt.
TITANIC: Erwarten Sie eigentlich, dass Ihnen demnächst Amateure und völlig unseriöse Produzenten von C-Filmen die Bude einrennen, weil sie noch mehr Werke aus Ihrer Feder als pseudofuturistische Splattermovies verramschen wollen?
SCHÄTZING: Mit dem ZDF wird es definitiv keine weitere Zusammenarbeit mehr geben.
TITANIC: Klare Ansage! Und welche Projekte stehen stattdessen als Nächstes bei Ihnen an?
SCHÄTZING: Ich kann mir gut vorstellen, Richard David Precht, Markus Lanz und Gregor Gysi im Samstagabendprogramm von 3SAT zu einem Eloquenz-Battle herauszufordern. Da die rhetorischen Fähigkeiten der drei doch arg limitiert sind, weiß ich noch nicht, ob es für den Zuschauer wirklich salient ist, dabei zuzusehen, wie ich jemanden sprachlich beerdige. Sicher ist hingegen, dass ich eine Schreibpause einlegen und mich eine Zeitlang meiner zweiten Karriere als Musiker widmen werde. Ich arbeite mit den weltweit besten Instrumentalisten gerade mit Hochdruck an einem neuen Album.
TITANIC: Wie schön! Sind Panflöten und Walgesänge dabei?
SCHÄTZING (genervt): Wohl eher nicht, nein.
TITANIC: Hihi. Herr Schätzing, vielen Dank für das Gespräch.
Patric Hemgesberg