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Ein Interview so wertvoll, dass man es sich gerne aufspart

Kurzes Kompliment an uns selbst: Das endgültige Satiremagazin vergisst nicht! Zum Beispiel, dass am 1. März Welttag des Kompliments war. Zur Phänomenologie des Austausches von Nettigkeiten hat TITANIC mit einer renommierten Sozial- und Organisationspsychologin ein paar lobende Worte gewechselt.
TITANIC: Guten Tag, Frau Dr. Schmeichel!
Dr. Schmeichel: Hallo! Was verschafft mir die Ehre dieses Interviewtermins mit Ihrem vorzüglichen, von mir so hochgeschätzen Magazin?
TITANIC: Ich wollte Dir nur mal eben sagen, dass du das Größte für mich bist!
Dr. Schmeichel: Jessas!
TITANIC: Und sichergehen, ob Du denn dasselbe für mich fühlst.
Dr. Schmeichel: Jetzt reicht's aber! Diesen Schmarrn muss ich mir echt nicht länger anhören!
TITANIC: Halt, so bleiben Sie doch hier, verehrte Frau Doktor! Meine Intonation des Sportis-Songs war als Einstieg ins Thema ja nur gut gemeint.
Dr. Schmeichel: Und damit bekanntermaßen das Gegenteil von gut.
TITANIC: Wodurch zeichnet sich Ihrer fachkundigen Meinung nach denn eine gelungene Galanterie aus?
Dr. Schmeichel: Ratsam wäre es beispielsweise, mein Gegenüber für etwas zu würdigen, was ihn als Person ausmacht oder was er geleistet hat.
TITANIC: Also so etwas wie "Wenn man so will, bist du das Ziel einer langen Reise"?
Dr. Schmeichel: Blödsinn! Jeder weiß, wie komplett durch man nach einer 14stündigen Staufahrt in die Sommerfrische bei 35 Grad im Schatten ist, auf der jede fünf Minuten von der Rückbank "Wann sind wir endlich da?" und "Papa, Justus kotzt schon wieder!" geplärrt wird.
TITANIC: Und wie ist es mit "Wenn man so will, bist du meine Chill-Out-Area"?
Dr. Schmeichel: Hören Sie doch mal mit Ihrer ollen Kirmeskapelle auf! "Chill-Out-Area" … Was für ein Scheiß! Wer will schon nachgesagt bekommen, den schnarchigen Charme eines Schlaflabors zu versprühen? Und dazu noch dieser dusselige Folgevers: "Meine Feiertage in jedem Jahr". Unreine Reime gut und schön, aber sehr viel unreiner als "Area" und "Jahr" geht es nun wirklich nicht mehr.
TITANIC: Dafür ist die kosehafte Charakterisierung "Meine Süßwarenabteilung im Supermarkt" ganz schnuckelig, oder?
Dr. Schmeichel: Sicher, so etwas will jeder hören, der ein paar Kilos zu viel auf den Hüften hat … Mann, Mann, Mann! Wer unter dem Pseudotitel "Ein Kompliment" einen solch disharmonischen Blödsinn ins Mikrofon trällert, sollte sich schleunigst in "Sportfreunde, stiller!" umbenennen! Zumal es wissenschaftlich erwiesen ist, dass Menschen Komplimente über ihr Erscheinungsbild für weniger bedeutsam halten als solche, die auf ihren Charakter zielen. Bei Tests wurde zudem nachgewiesen, dass sowohl Männer als auch Frauen Probleme beim Lösen mathematischer Aufgaben haben, wenn ihnen zuvor Komplimente zu ihrem Aussehen gemacht werden. Auch wenn man fünfe gerade sein lässt, steht also fest: Wer für sein Äußeres gelobt wird, arbeitet schlechter.
TITANIC: Hihi, wer konnte damit rechnen?
Dr. Schmeichel: Sie Scherzbold!
TITANIC: Merci, das ist sehr nett von Ihnen! Gibt es aus Ihrer Sicht noch weitere Fettnäpfchen beim Komplimenteverteilen?
Dr. Schmeichel: Und ob! Zum Beispiel auch den Rest dieser hirnrissigen Studienabbrecher-Schleimerei zu zitieren!
TITANIC: Ich merke schon: Bevor die Schaumkrone der Woge der Begeisterung hier völlig überschwappt, lass ich das fortan lieber tunlichst bleiben. Frau Dr. Schmeichel, ich verabschiede mich und danke Ihnen herzlich für das aufschlussreiche und kompetente Gespräch! Ach, schönes Outfit im Übrigen!
Dr. Schmeichel: Arschloch!
Daniel Sibbe